Eberbach. Um was geht es bei dem Streit überhaupt?
Ein ehemaliger Manager von Gelita hat im „Manager Magazin“ einmal von „Kasperletheater“ gesprochen. Zwei Stämme einer der reichsten Familien Deutschlands - der Koepffs - überziehen sich seit Jahren mit Klagen und Gegenklagen. Im Mittelpunkt stehen Minderheitsaktionär Peter Koepff und dessen Neffe, Großaktionär Philipp Koepff. Zahllose Anwälte sind eingeschaltet. Die Gerichtsakten dürften meterweise Regale füllen und die Prozesse bislang einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet haben. Es geht um eine verkaufte Beteiligung am Medikamentenkapsel-Hersteller R. P. Scherer, um mögliche Pflichtverletzungen des Vorstands, um die Rolle sogenannter besonderer Vertreter. Und um Macht im Unternehmen.
Ist die verkaufte Beteiligung also ein wesentlicher Punkt der Auseinandersetzung?
Genau. Ein Hauptvorwurf lautet, der Verkauf der Beteiligung 2011/2012 sei nur eingefädelt worden, um möglichst schnell eine hohe Sonderdividende auszahlen zu können. Nur mit diesem „Gesamtplan“ sei es Philipp Koepff möglich gewesen, die Mehrheit der Anteile an Gelita zusammenzukaufen. Am Landgericht Heidelberg wurde im Jahr 2015 eine Schadenersatzklage über insgesamt rund 40 Millionen Euro gegen Vorstandsmitglieder, Mitglieder des Aufsichtsrats sowie den Mehrheitsaktionär eingereicht. Den Managern wurde - vereinfacht ausgedrückt - vorgeworfen, ihre Pflichten bei der Veräußerung der Beteiligung Scherer missachtet und diese deutlich unter Wert verkauft zu haben.
Wer hatte denn geklagt?
Klägerin war formal - und skurrilerweise - die Gelita AG. Initiiert hatte die Klage ein „besonderer Vertreter“, der wiederum von den Minderheitsaktionären bestellt worden war. Das Landgericht Heidelberg wies die Klage im Sommer 2016 zurück, allerdings wanderte das Verfahren zur nächsthöheren Instanz, zum Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.
Was hat das Oberlandesgericht Karlsruhe nun entschieden?
Das OLG hat die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg bestätigt, die Schadenersatzklage abzuweisen (Az.: 11 U 58/17). Der Senat sei der Ansicht, „dass der Verkauf der Unternehmensanteile zu wirtschaftlich mindestens vertretbaren Konditionen erfolgt ist, insbesondere, dass sich die Vorstände und die Aufsichtsratsmitglieder auf der Grundlage ausreichender wirtschaftlicher Daten und Expertise auf einen Kaufpreis und die diesen begleitenden Absprachen geeinigt hatten“, teilt ein Sprecher mit. Eine Revision - also eine Überprüfung des Urteils durch die nächsthöhere Instanz - ist nicht zugelassen; dagegen könnte allerdings Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt werden.
Welche Reaktionen gibt es von den beteiligten Parteien auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts?
Vorstand und Aufsichtsrat von Gelita begrüßen sie. Das OLG habe festgestellt, dass die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Gelita beim Scherer-Verkauf ihre Sorgfaltspflichten „vollumfänglich“ wahrgenommen hätten, heißt es in einer Mitteilung. Auch eine Einflussnahme des Mehrheitsaktionärs Philipp Koepff habe nicht festgestellt werden können. Philipp Koepff selbst will sich öffentlich nicht äußern. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass ihn die Entscheidung des OLG nicht überrascht habe. Er fühle sich wiederholt darin bestätigt, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe falsch und unberechtigt seien.
Wie geht es bei den Streitereien nun weiter?
Beobachter gehen nicht davon aus, dass die Familienfehde ein zeitiges Ende findet. Über eine Teilklage in gleicher Sache über einen Betrag von zehn Millionen Euro gegen ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Gelita hat das OLG noch nicht entschieden. Peter Koepff verfolgt zudem den Plan, mit Gelinova einen Konkurrenten zu Gelita aufzubauen. Dafür ist in Neidenstein (Rhein-Neckar-Kreis) eine Fabrik entstanden, in der Blattgelatine hergestellt werden soll.
Was genau produziert Gelita?
Mit Produkten aus Gelatine - die aus den Bindegewebsschichten unter Rinderfellen und Schweineschwarten extrahiert wird - dürften schon die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher in Berührung gekommen sein. Gelatine bestimmt etwa die Beschaffenheit von Gummibärchen. Als besonders zukunftsfähig und wachstumsstark gilt Kollagen. Das ist ein Zwischenprodukt aus der Gelatineherstellung, es dient als Grundlage für Mittel zur Nahrungsergänzung und Cremes gegen Falten. Gelita hat mehr als 20 Produktionsstätten weltweit und insgesamt 2800 Beschäftigte.
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