Frankfurt. Die Sicherheitspanne beim US-Zahlungsdienstleister Paypal hat Kunden und Verbraucherschützer aufgeschreckt. Vor allem seine Dominanz im Online-Handel macht Paypal offenbar zum attraktiven Ziel für Betrüger. Einmal mehr richtet sich die Aufmerksamkeit auf die große Abhängigkeit vieler Kunden von einigen wenigen Anbietern. Der zumindest teilweise Ausfall des Paypal-Sicherheitssystems, das Betrugsversuche erkennen und herausfiltern soll, habe sich erheblich auf den Zahlungsverkehr in ganz Europa und insbesondere in Deutschland ausgewirkt, meldete unter anderem der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV).
Einige Kreditinstitute fürchteten, dass Geld unrechtmäßig von den Kunden-Konten abgebucht werden könnte und veranlassten einen Stopp der Buchungen. Der so entstandene Rückstand muss jetzt aufgearbeitet werden. In der Folge könnte sich auch die Lieferung bestellter Ware verzögern, weil Online-Händler ohne Zahlungseingang bestellte Ware nicht verschicken. Paypal selbst äußerte sich bislang eher sparsam. Eine Sprecherin bestätigte Probleme, die aber inzwischen behoben seien: Auf der Website war zu lesen: „Am Wochenende kam es zu einer vorübergehenden Dienstunterbrechung, die dazu führte, dass sich Transaktionen für eine kleine Anzahl von Konten verzögerten.“ Nach Angaben der Sprecherin waren deutlich weniger als fünf Prozent der deutschen Kunden betroffen.
Kunden sollten Kontostand genau im Auge behalten
Verbraucherschützer verlangen Aufklärung zu den Ursachen. Außerdem rät der Bundesverband vzbv Kunden auch in den kommenden Tagen zu mehr Achtsamkeit und einem genauen Blick auf den Kontostand. Bei unberechtigten Lastschriften gelte es, sofort zu handeln. Sollte PayPal unberechtigte Bearbeitungsgebühren verlangen, werde die Verbraucherzentrale den Klageweg prüfen.
Die Sparkassen weisen darauf hin, dass Bankkunden gegen eine unautorisierte Abbuchung Widerspruch einlegen können. Allerdings seien Fristen zu beachten. Außerdem müssten die Betroffenen nachweisen, dass ihnen kein fahrlässiger Fehler unterlaufen ist. Der Vorfall sei den Aufsichtsbehörden in Luxemburg gemeldet worden, wo die Europatochter von Paypal ihren Sitz hat. Auf Seiten der Sparkassen-Finanzgruppe laufe der Zahlungsverkehr von und zu PayPal seit Dienstagmorgen wieder normal, stehe aber weiter unter Beobachtung.
Zahlungsdienst hat bei Onlinekäufen einen Anteil von etwa 30 Prozent
Nach Ansicht der Verbraucherzentralen offenbaren die Vorkommnisse einmal mehr eine besorgniserregende Abhängigkeit von US-Zahlungsdienstleistern. Hier brauche es mehr europäische Alternativen auf dem Markt, verlangt vzbv-Vorständin Ramona Pop. Paypal ist der mit Abstand wichtigste Online-Zahlungsdienst auf dem deutschen Markt und hat hierzulande bei Online-Einkäufen nach eigenen Angaben einen Anteil von etwa 30 Prozent. Das börsennotierte Unternehmen, das bis 2015 ein Tochterunternehmen von eBay war, ermöglicht es Einzelpersonen und Unternehmen, Geld online zu versenden oder zu empfangen.
Laut Verbraucherzentrale wurden durch den aktuellen Vorfall Lastschriften in zweistelliger Milliardenhöhe von deutschen Banken gestoppt. Wichtigste Paypal-Konkurrenten sind das schwedische Fintech Klarna mit einem Marktanteil von geschätzten 13 bis 15 Prozent und Apple Pay mit noch unter zehn Prozent. Zahlmethoden, argumentiert der vzbv, müssten von vielen Händlern angeboten und von vielen Menschen genutzt werden, um für alle beteiligten Akteure nützlich zu sein: „Je größer der Marktanteil des nicht-funktionierenden Zahlungsdienstleisters ist, desto schwerwiegender sind die Auswirkungen eines Ausfalls und desto mehr Händler und Verbraucher sind betroffen.“
Konzentration vergrößert Auswirkung von Cybervorfällen
Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) warnt, Kunden sollten bei der Wahl des Dienstleisters möglichst die Sicherheit als Auswahlkriterium berücksichtigen. Ein hilfreicher Indikator könnten Gütesiegel sein. Für wichtig hält die Behörde auch die Frage, welche Informationen Anbieter mit Blick auf Sicherheitsvorfälle bereitstellen. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin betonte auf Anfrage, man gehe davon aus, dass jedes Softwareprodukt potenziell Sicherheitslücken haben kann. „Im Software-Segment sind viele US-amerikanische Dienstleister führend vertreten“, so ein Bafin-Sprecher. „Letztlich ist es aber unerheblich, wo der Dienstleister seinen Sitz hat.“
Eine Konzentration bei wenigen Anbietern könne die Auswirkungen von Cybervorfällen aber größer ausfallen lassen. Die europäische Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor (DORA), rücke kritische IT-Dienstleister noch stärker in den Fokus der Aufsicht. „Ab 2026 werden eigene Teams der europäischen Aufsichtsbehörden ausgewählte IT-Dienstleister überwachen, die systemrelevant für den europäischen Finanzmarkt sind und daher als kritisch eingestuft werden.“
Der deutsche Handel unterstützt den Aufbau europäischer Alternativen zu US-Zahlungsabwicklern. „Die US-amerikanischen Zahlungssysteme haben eine Marktrelevanz entwickelt, die aus Handelssicht zu hohen Kosten in der Abwicklung führt“, erklärte der Handelsverband Deutschland (HDE). „Daher begrüßen wir es, wenn durch neue Anbieter der Wettbewerb gestärkt wird.“ Die deutsche Kreditwirtschaft verweist als mögliche Alternative auf den gemeinsam mit anderen europäischen Banken entwickelten Bezahldienst Wero. Mit ihm können Nutzer bislang aber nur untereinander Geld von einem Bankkonto auf ein anderes transferieren, etwa um gemeinsam eine Restaurant-Rechnung zu begleichen. Online-Shoppen können Nutzer mit Wero noch nicht.
Wero - das bessere Paypal?
- Wero heißt ein europaweites Echtzeit-Zahlungssystem, das von europäischen Banken entwickelt wird , darunter die Sparkassen-Finanzgruppe, die Volks- und Raiffeisenbanken, Deutsche Bank, Postbank oder ING. Als digitales Zahlungssystem konkurriert Wero mit internationalen Zahldiensten wie PayPal, Apple Pay oder Klarna.
- Ziel ist, eine europaweite Alternative zu amerikanischen Zahlungsdiensten aufzubauen. Bankkunden können bislang aber erst Geld in Echtzeit an Freunde senden – nur mit Telefonnummer oder E-Mail , zum Beispiel für eine geteilte Rechnung im Restaurant.
- In naher Zukunft sollen auch Zahlungen bei Online-Shops oder im Laden möglich sein. Für viele Beobachter ist das umsatzstarke Onlinegeschäft Voraussetzung dafür, dass sich Wero am Markt etablieren kann . Denn bislang nutzen noch nicht besonders viele Menschen das neue Angebot: In Deutschland haben sich bislang etwa 1,8 Millionen Menschen registriert, europaweit sollen es etwa 43 Millionen sein. sr
Sicherheitsexperten sehen in den jüngsten Vorfällen vor allem eine Bestätigung, dass Diebe im Internet immer raffinierter vorgehen und auf eine schnell wachsende Zahl potenzieller Opfer treffen. Immer mehr Menschen nutzen schließlich das bequeme Online-Angebot. Deshalb wird es für Betrüger immer attraktiver, Kundendaten auszuspähen und mit gefälschten Lastschriften Geld zu erbeuten. Nach Einschätzung der Bafin ist die Cyber-Bedrohungslage in Deutschland ist unverändert hoch. Vor allem die Qualität der Angriffe steige. Bisher, so die Bafin, konnten Finanzunternehmen Angriffe jedoch in den meisten Fällen erfolgreich abwehren und dauerhafte Schäden vermeiden.
Auch nach Überzeugung der Verbraucherverbände zeige der Fall Paypal, dass das Betrugsmanagement einiger Banken gut funktioniert habe. „Zahlungen wurden richtigerweise nicht ausgeführt.“ Allerdings hätten nicht alle Banken so gehandelt. Der vzbv fordert von allen Banken und Zahlungsdienstleistern robuste Sicherheitssysteme: „Der Vorfall Paypal zeigt wieder einmal, dass Banken ihre Kunden unterschiedlich gut vor Betrug schützen. Das muss sich ändern.“
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