Wiesloch. Es gibt eine Geschichte aus der Anfangszeit von MLP, die geht so: Mit einem VW Käfer für 1800 Mark ist Manfred Lautenschläger in den 1970er Jahren durch die Lande gekurvt, um Finanzprodukte zu vermitteln. Vor allem an angehende Juristen. Damals besaßen nur die wenigsten Studenten ein Telefon. Lautenschläger und sein Partner Eicke Marschollek kündigten ihre Besuche deshalb per Brief an. „Meist wurden wir höflich empfangen, manchmal ging auch die Tür zu“, sagt Lautenschläger. Nie vergessen wird er einen Rechtsassessor in Neckargemünd, der ihn trotz extremer Verspätung noch mitten in der Nacht empfangen hat – mit einer Flasche Bier.
Schwarz-Weiß-Fotos vom Karneval
Lautenschläger, von Haus aus Rechtsanwalt, fing in seiner kleinen Wohnung am Wohnzimmertisch mit der Versicherungsarbeit an. 1971 wurde in Heidelberg das Unternehmen Marschollek Lautenschläger und Partner, kurz MLP, gegründet. Ein Finanzdienstleister für Akademiker. Lautenschläger war über die Jahre Chef des Unternehmens, später Vorsitzender des Aufsichtsrats, zuletzt einfaches Mitglied des Gremiums. Nun tritt er nicht mehr an. Sein Sohn Matthias, 38, soll auf der Hauptversammlung diesen Donnerstag im Wieslocher Kongresszentrum Palatin zum Nachfolger gewählt werden.
Für MLP bedeutet das einen Generationenwechsel, für Lautenschläger, dass er wieder ein wenig loslässt. „Im Dezember werde ich 80 Jahre alt, was ja auch für einen Aufsichtsrat ein biblisches Alter ist“, sagt er. Lautenschläger bleibt größter Aktionär von MLP. Er behält auch sein Büro im dritten Stock der Wieslocher Zentrale. Die Möbel sind in schwarz gehalten. An der Wand hängen gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos vom Karneval in New Orleans, dem „Mardi Gras“ („Fetter Dienstag“). Manfred Lautenschlägers älteste Tochter, ein „begnadetes Fotografentalent“, hat die Aufnahmen gemacht.
Urlaub in Griechenland
Lautenschläger ist durch MLP vermögend geworden. Seine Kraft schöpft er aus der Familie: fünf Kinder, das neunte Enkelkind ist unterwegs. Gerade erst verbrachte die Familie einen gemeinsamen Urlaub auf der griechischen Halbinsel Peloponnes. Lautenschläger wirkt entspannt und zufrieden – wie jemand der weiß, dass sein Lebenswerk in guten Händen ist. „Ich habe immer gesagt: MLP ist kein Investment für mich, das ich versilbern will – sondern ein Teil der Familie.“
Sohn Matthias Lautenschläger bereitet sich schon seit längerer Zeit darauf vor, die Familie im Aufsichtsrat zu vertreten. Mehrere Monate hat er alle Stationen bei MLP durchlaufen, Geschäftsstellen besucht und einen Lehrgang für Führungskräfte absolviert. „Er kennt sich durch und durch aus“, sagt sein Vater. Matthias Lautenschläger erklärt: „Wenn ich MLP als eine Herzensangelegenheit bezeichne, dann spreche ich für alle Geschwister. MLP gehört schon immer zu unserem Leben.“ Das Vertrauen zwischen Vater und Sohn ist jeden Moment deutlich zu spüren.
Matthias Lautenschläger ist Geschäftsführer der MLP Academics, einer Heidelberger Basketball-Mannschaft, die in der Zweiten Bundesliga spielt. Das will der Betriebswirt bleiben, auch wenn die Hauptversammlung ihn in den MLP-Aufsichtsrat wählt. Lautenschläger zieht Parallelen: Als Chef einer Basketball-Mannschaft muss er mit gerissenen Beratern verhandeln, Verträge aushandeln, junge Leute in eine Mannschaft integrieren. Ähnlich wie bei MLP. „Meine Verantwortung wird jetzt größer, aber die Vorfreude überwiegt.“ Der Rat seines Vaters wird ihm wichtig sein. Keiner verkörpere das Unternehmen mehr als er, sagt Matthias Lautenschläger.
MLP ist mittlerweile seit fast 50 Jahren am Markt und nach eigenen Angaben das älteste Unternehmen in der Branche mit rund 1700 Mitarbeitern, davon etwas mehr als 800 am Stammsitz Wiesloch. Anfang der 2000er Jahre hatte es MLP sogar bis in den Leitindex Dax geschafft. Nach einer schweren Krise, einem Absturz des Aktienkurses und dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Bernhard Termühlen übernahm Uwe Schroeder-Wildberg 2004 das Ruder. Bis heute ist Schroeder-Wildberg Vorstandschef. „Er kam in der Zeit, als wir einen auf den Deckel bekommen haben – und hat Ruhe und Seriosität hineingebracht und das Unternehmen deutlich weiterentwickelt“, sagt Manfred Lautenschläger.
Geburtstag auf dem Schloss
Die Branche ist stark in Bewegung, wird immer digitaler. Ist es da noch zeitgemäß, Berater hinauszuschicken? Manfred und Matthias Lautenschläger meinen Ja. Eine Kfz-Versicherung ist aus ihrer Sicht online einfach abzuschließen. Bei komplexeren Themen, Altersvorsorge etwa, sei das anders. „Gespräche zwischen Beratern und Kunden sind mehr denn je sehr wichtig.“
Langweilig dürfte es Manfred Lautenschläger nicht werden, wenn er sich diesen Donnerstag aus dem Aufsichtsrat verabschiedet. Er hat zig Ehrenämter und die Stiftung (siehe kleiner Artikel). Lautenschläger liebt intensiven Sport, fährt leidenschaftlich gerne Rennrad. Wo im Dezember die Feier zu seinem 80. Geburtstag steigt, weiß er schon: mit Familie und Freunden auf dem Heidelberger Schloss.
Stiftung für Wissenschaft und Forschung
- Manfred Lautenschläger hat 1999 seine gleichnamige Stiftung ins Leben gerufen – sie fördert vor allem Wissenschaft und Forschung, Kultur, Kunst und Sport in der Region. Auch die Völkerverständigung ist Lautenschläger ein Anliegen.
- Der Unternehmer beschreibt sich selbst als „Anstifter“. „Ich will andere reiche Leute anstiften, auch etwas für diese Gesellschaft zu tun. Schließlich hat sie ihnen ermöglicht, das zu werden, was sie jetzt sind“, sagt Lautenschläger. „Wir leben in einer begnadeten Zeit.“ Durch seine Stiftung hat er Menschen getroffen, die ihm im Berufsleben bei MLP nie begegnet wären: den Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen etwa, den Verfassungsrechtler Paul Kirchhof sowie Schriftsteller und Duz-Freund Martin Walser.
- Die Stiftung sitzt in Heidelberg, Geschäftsführer sind Manfred Lautenschlägers Tochter Catharina und Sohn Markus.
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