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Mannheimer Studie: Digitale Technologien können Umweltbilanz verschlechtern

Die Transformation der Wirtschaft zum Digitalen soll eigentlich für mehr Klimaschutz sorgen. Aber die Rechnung geht nicht auf. Forscher vom Mannheimer ZEW und der Uni Göttingen haben das an Industrieunternehmen untersucht

Von 
Walter Serif
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Mitarbeiterin eines Batteriezellenherstellers in der Produktion. © Sebastian Kahnert/dpa

Auf den ersten Blick ist die Sache klar: Die digitale Transformation sorgt für einen besseren Klimaschutz und eine höhere Energieeffizienz in der Produktion. Doch so einfach ist das nicht, denn Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verbrauchen auch Energie - und das kann sich nachteilig auf die Umweltbilanz auswirken. Das hat eine gemeinsame Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Göttingen ergeben. Die Wissenschaftler analysierten knapp 29 000 Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe.

Da es für einen großen Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, muss das verarbeitende Gewerbe seinen ökologischen Fußabdruck besonders stark verringern. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur entfielen 2020 immerhin weltweit 26 Prozent der CO2-Emissionen auf diese Wirtschaftsbereiche. Beim Energieverbrauch lag der Anteil laut Statistik sogar bei 38 Prozent.

Energieverbrauch und Treibhausemissionen sinken nicht unbedingt - Studie bestätigt Vermutungen

Die Politik hofft, dass sich im verarbeitenden Gewerbe mit dem Einsatz von neuen digitalen Technologien wie intelligenten Sensoren der Energie- und Ressourceneinsatz effizienter gestalten lässt. Dadurch würde die Produktivität steigen und gleichzeitig der Energieverbrauch sowie die Treibhausemissionen sinken. „Dieser Zusammenhang ist aber keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint“, sagt ZEW-Wissenschaftlerin Janna Axenbeck. Da immer mehr digitale Geräte produziert, verwendet und entsorgt werden, würden die negativen Auswirkungen auf die Umwelt stärker in den Blickpunkt rücken, so die Mitautorin. Bisher gab es in dieser Hinsicht nur Vermutungen, die Studie des ZEW und der Universität Göttingen weist dies jetzt empirisch nach.

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Wie die Analyse der Firmendaten in Kombination mit den Wirtschafts- und Umweltzahlen nach Angaben der Forscher zeigt, existiert für die große Mehrheit der Unternehmen ein Zielkonflikt zwischen dem Einsatz digitaler Technologien und absoluten Energieeinsparungen. Im Durchschnitt steigt in Unternehmen mit zunehmendem Einsatz von IKT-Technologien der Energieverbrauch insgesamt um 1,03 Prozent innerhalb eines Jahres. Nimmt man nur den Strom als Energiequelle (also ohne fossile Brennstoffe für Heizung etc.), steigt der Verbrauch sogar auf 1,34 Prozent. Bei den fossilen Brennstoffen hat die Studie keinen signifikanten Effekt festgestellt. Der Gesamtanstieg des Energieverbrauchs ist also auf eine verstärkte Nutzung von Strom zurückzuführen. Das leuchtet ein, weil die digitalen Technologien diese Energiequelle vor allem benötigen.

Trostpflaster: Strom kann grün erzeugt werden

Anders als bisher angenommen, erhöhen die digitalen Technologien unterm Strich den Energieverbrauch also eher, als dass sie ihn senken. Es gibt da allerdings noch einen Trost: „Immerhin gibt es beim Strom die Möglichkeit, von fossilen auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. Dies könnte zur Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft beitragen“, sagt Forscherin Anne Berner von der Universität Göttingen.

Die Analyse zeigt zudem, dass im Durchschnitt in kleinen und mittleren Unternehmen in strukturschwachen Regionen der Energieverbrauch stärker steigt als in großen Unternehmen in wirtschaftlich starken Regionen. „Dieses Ergebnis deutet auf einen politischen Zielkonflikt hin zwischen der Senkung des Energieverbrauchs einerseits und der wirtschaftlichen Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und Unternehmen in strukturschwachen Gebieten andererseits“, sagt Janna Axenbeck vom ZEW.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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