Rohstoffhändler - Rund 100 Millionen Fässer Rohöl pro Tag verbraucht die Welt – schätzt Thomas Gutschlag. Der CEO der Deutschen Rohstoff AG dämpft die Hoffnung auf eine schnelle Energiewende.

Mannheimer Rohstoffhändler über die Energiewende, Embargos und knappes Erdöl

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Walter Serif
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Nebelbänke umhüllen Ölpumpen in Texas (USA). © Jerod Foster/The Texas Tribune/dpa

Mannheim. Rund 100 Millionen Fässer Rohöl pro Tag verbraucht die Welt – schätzt Thomas Gutschlag. Der CEO der Deutschen Rohstoff AG dämpft die Hoffnung auf eine schnelle Energiewende.

Herr Gutschlag, Ihr Unternehmen hat im ersten Quartal 2022 eine Menge Kohle mit schmutzigem Öl und Gas aus den USA verdient. Plagt Sie da manchmal ein schlechtes Gewissen?

Thomas Gutschlag: Nein, überhaupt nicht. Wir fördern, was am Markt stark gebraucht wird. Jeder nutzt doch Öl und Gas. Deshalb ist es völlig legitim, wenn wir mit diesen Rohstoffen Geld verdienen wollen. Außerdem ist die Förderung in den USA nicht schmutzig, dort gelten sehr hohe Umweltstandards.

Hören Sie im Juni als CEO auf, weil Sie wissen, dass Ihr Geschäftsfeld keine große Zukunft mehr hat?

Gutschlag: Das interpretieren Sie falsch. Ich ziehe mich zwar aus dem operativen Geschäft zurück, bleibe dem Unternehmen aber als Aufsichtsratsvorsitzender erhalten. Von einer Flucht kann also keine Rede sein. Nicht nur wir in Deutschland brauchen fossile Brennstoffe. Die Nachfrage ist weltweit sehr hoch. Es wäre verrückt, wenn mein Unternehmen sich aus diesen profitablen Investments zurückziehen würde.

Aber alle reden doch von der Energiewende!

Gutschlag: Moment mal. Das ist doch eher ein deutsches Konzept. Der Großteil der Welt folgt uns bei der Energiewende nicht. In Europa versucht Deutschland, die Rolle des Vorreiters zu übernehmen, aber das ist schwierig. Frankreich setzt zum Beispiel auf Atomkraft. Manche Leute machen sich zu viele Illusionen.

Deutsche Rohstoff AG

  • Während alle Welt von der Energiewende redet, verdient die Deutsche Rohstoff AG hervorragend vor allem mit ihren Investments in Erdöl und Erdgas aus den USA. Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit ist die Erschließung von Öl- und Gaslagerstätten in den USA. Abgerundet wird das Geschäftsfeld mit Bergbau-Beteiligungen, unter anderem in Metalle wie Gold, Kupfer und Wolfram.
  • Im ersten Quartal 2022 erzielte das Mannheimer börsennotierte Unternehmen ein Ergebnis von 12,8 Millionen Euro, ein Plus von rund einer Million im Vergleich zum Vorjahresquartal. Der Umsatz stieg stark von knapp 18 Millionen auf rund 28 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebitda) sprang im ersten Quartal auf 25,2 (21,3) Millionen Euro.
  • Für das laufende Jahr geht der Konzern auf Basis der April-Prognose von einem Umsatz zwischen 130 und 140 Millionen Euro und einem Ebitda zwischen 110 und 120 Millionen aus.
  • Der Aktienkurs hat sich nach seinem Tiefstand Ende 2020 (6,50 Euro) wieder kräftig erholt und lag zeitweise bei über 30 Euro.
  • Das Unternehmen (30 Mitarbeiter) wurde 2006 in Heidelberg gegründet. Seit 2017 residiert es in Mannheim.
  • Mitgründer ist der Mannheimer Thomas Gutschlag (Bild), seit 2014 CEO. Im Juni wechselt der 57-jährige Volkswirt in den Aufsichtsrat und will dort den Vorsitz übernehmen. Seine Nachfolge tritt der bisherige Finanz-Vorstand Jan-Philipp Weitz an. 

Dass Sie als Lobbyist für die fossilen Brennstoffe so argumentieren, überrascht mich nicht.

Gutschlag: Dann lassen Sie uns über Fakten reden. Die Welt verbraucht momentan rund 100 Millionen Fässer Öl pro Tag. Das ist eine gigantische Menge. Wenn Sie diese mit erneuerbaren Energien ersetzen wollen, brauchen Sie nicht Jahre, sondern Jahrzehnte. Bis dahin muss irgendjemand dieses Angebot zur Verfügung stellen. Es wäre unsinnig, wenn die Devise jetzt lauten würde: Ihr dürft kein Öl und Gas mehr fördern. Wir müssen umgekehrt erst Alternativen für Verbraucher und Industrie schaffen, sonst können wir gleich ganz Deutschland stilllegen.

Kann es sein, dass Sie selbst die Zeichen der Zeit nicht erkennen? In den USA,
wo Sie ja ihr Geld investieren, gehen die Pensionskassen raus aus den schmutzigen Energien und ordern nachhaltige Anlagen. Die Dekarbonisierung, die Sie nicht sehen wollen, ist doch schon voll im Gange.

Gutschlag: Es gibt eine gewisse Tendenz, aber nur ein Teil der Anleger macht dies. Dadurch wird die Welt aber nicht besser. Im Gegenteil: Wenn weniger Kapital für Öl und Gas da ist, wird weniger investiert. Das führt zu höheren Preisen und Engpässen bei diesen fossilen Energieträgern. Genau das geschieht schon seit Jahren.

Thomas Gutschlag ist Vorstandschef der Deutschen Rohstoff AG. © Christoph Blüthner

Sie meinen ernsthaft: Wenn ich Geld in nachhaltige Anlagen investiere, steigt als Konsequenz meine Stromrechnung?

Gutschlag: Das kann Ihnen passieren. Nur mal ein Beispiel: Die fünf größten Öl-Unternehmen der Welt, also Exxon, Chevron, BP, Shell und Total werden in diesem Jahr 80 Milliarden Dollar investieren. Das ist im Vergleich mit 2013 nur noch die Hälfte. Und die Kurve verläuft linear nach unten. Sie haben in einem Punkt recht: Die Dekarbonisierung hat schon längst begonnen. Sie unterschätzen aber die Zeitachse. Wenn alles schnell gehen würde, hätten wir unsere Investments in Öl und Gas natürlich auch schon längst heruntergefahren. Die Deutsche Rohstoff AG wird 2022 vielleicht einen Rekordgewinn erzielen. Und wie abhängig gerade Deutschland von den fossilen Brennstoffen ist, wissen wir ja alle seitdem…

 …Wladimir Putin gegen die Ukraine einen Krieg führt…

Gutschlag:  …weshalb ausgerechnet ein grüner Wirtschaftsminister nach Katar oder sonst wohin fährt, um neue Gasquellen für Deutschland zu erschließen.

Sogar das verpönte Fracking-Gas der Amerikaner will Robert Habeck plötzlich haben.

Gutschlag: Ja, alles ist jetzt möglich. Wir bauen Flüssiggas-Terminals, die früher strikt abgelehnt wurden. Und wir kaufen Kohle auf Vorrat. Das ist vernünftig, wir können uns nicht einfach blind stellen. Klar ist aber: Es wird drei bis vier Jahre – und nicht nur wenige Monate – dauern, bis wir den Anteil von russischem Erdgas gegen Null drücken können. Denn für das Gas braucht man ja Pipelines zum Transport. Und auch die Flüssiggas-Terminals müssen erst mal fertig sein.

Ein Erdgas-Embargo…

Gutschlag:  … könnte unsere Wirtschaft in den Abgrund stürzen. Manche Unternehmen haben ja schon jetzt Probleme, weil die Erdgaspreise so stark gestiegen sind. Also ich mag mir ein solches Szenario gar nicht vorstellen. Dennoch: Es kann natürlich auch sein, dass Putin uns den Gashahn selber abdreht.

Und wie sähe es bei einem Öl-Embargo aus?

Gutschlag: Beim Öl ist die Abhängigkeit nicht so groß, weil es leichter zu transportieren ist.

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Die Opec-Staaten wollen aber ihre Fördermengen nicht erhöhen.

Gutschlag: Das stimmt. Beim Öl ist das Angebot schon jetzt weltweit zu knapp. Freie Kapazitäten gibt es nicht viele. Saudi-Arabien und die Emirate könnten vielleicht mehr fördern. Der Iran auch, wenn der Atomstreit beigelegt würde. Viele Staaten können aber nicht einmal ihr bisheriges Level einhalten. Libyen, Angola und Nigeria haben große Probleme. Venezuela hat früher 3,5 Millionen Barrel am Tag gefördert, jetzt sind es nur noch 700 000, weil die Infrastruktur dort völlig abgewirtschaftet wurde. Selbst in den USA, wo wir tätig sind, ist es schwierig, die Fördermengen anzuheben. Es fehlt an Material wie Stahl, an Arbeitskräften und eben Kapital. Trotz hoher Preise wird auch dort die Produktion nur langsam steigen. Das ist ungewöhnlich, früher wäre viel Geld in diesen Bereich geflossen, weil die Investoren dann ja große Gewinne machen könnten.

Meine Frage haben Sie nicht beantwortet. Ein Ölembargo…

Gutschlag:  …wäre machbar, man braucht weniger Öl als Erdgas zum Heizen, und die Industrie könnte sich aus anderen Quellen versorgen. Die Preise würden allerdings steigen, das wäre für die Verbraucher bitter. Ein Ölembargo würde aber nicht die Wirtschaft lahmlegen.

Sie investieren in den USA in Erdgas, das mit dem riskanten Fracking-Verfahren gefördert wird. Haben Sie keine Bauchschmerzen?

Gutschlag: Ich störe mich an dem Begriff „riskant“. Diese Einschätzung teile ich nicht. Im Gegenteil, Fracking ist eine bewährte Methode.

Na ja, bei uns ist Fracking doch verboten, oder?

Gutschlag: Auch das stimmt nicht ganz. Fracking bei der Erdgasförderung aus Sandgestein wird in Deutschland schon seit vielen Jahren angewendet und ist langjährig erprobt. Die Gesetze wurden allerdings verschärft. Seit 2017 ist es de facto nicht mehr erlaubt. In den USA wurden bisher aber mehr als eine Million Bohrungen durchgeführt, die Erfahrungswerte sind sehr groß. Generell investieren wir in die Entwicklung und nicht in die Exploration, die in der Tat riskanter ist. Wir gehen also dorthin, wo andere schon gebohrt haben.

Fracking ist also harmlos?

Gutschlag: Damit wir hier nicht ewig herumstreiten, will ich Ihnen mal einen Satz aus einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften vorlesen: „Aus geowissenschaftlicher Sicht kann daher grundsätzlich unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und der erforderlichen technischen Standards der Einsatz der Fracking-Technologie kontrolliert und sicher erfolgen.“ Sie können die Studie gerne mitnehmen.

Hoffen Sie, dass kommerzielles Fracking auch in Deutschland zum Einsatz kommt?

Gutschlag: Solange Journalisten in jedem Artikel schreiben, dass Fracking „umstritten“ sei, glaube ich nicht, dass es dafür einen gesellschaftlichen Konsens gibt.

Immer ist es die böse Presse, bloß die saugt sich das ja nicht aus den Fingern. Wir können gerne
die Kritik des US-Wissenschaftlers Robert Howarth von der Universität Cornell Punkt für Punkt durchgehen.

Gutschlag: Können wir, wenn Sie wollen. Brauchen wir aber vielleicht auch gar nicht. Denn unabhängig von diesen kritischen Stimmen, deren Position ich nicht teile, gibt es ein entscheidendes Argument gegen Fracking in Deutschland.

Und welches?

Gutschlag: Fracking lohnt sich gegenwärtig nicht bei uns. Die USA haben so viele Bohrungen gemacht und so viel Erfahrung, das kriegen wir in Deutschland nicht hin. Die Kosten wären zu hoch.

Und wie schätzen Sie die Chancen der Geothermie ein?

Gutschlag: Sehr gut. Gerade im Rheingraben wäre das eine endlose, sichere und bequeme Wärmequelle. Aber auch da gibt es Widerstände, wie gegen alle neuen Projekte. Da ist die Rede von möglichen Erdbeben oder Setzrissen. Da wird dann immer das berühmte Beispiel Staufen im Breisgau genannt. Dabei wurden da gar keine Geothermiebohrungen gemacht. Oder auch Lan-dau. Aber da ist ja gar nichts Dramatisches passiert. Die Leute müssen einfach akzeptieren, dass wir nicht alles haben können. Wir können nicht aus den fossilen Brennstoffen aus- und nirgendwo einsteigen. Auch gegen Windkraftanlagen gibt es ja massive Widerstände. Aber noch mal zurück zur Geothermie: Im Prinzip ist das die beste erneuerbare Energieform. Wärme haben sie an 365 Tagen im Jahr. Ich habe hier eine App, mit der ich stündlich verfolgen kann, wie viel und welche Energien in Europa verbraucht werden. An manchen Tagen verbrauchen wir in Deutschland weder Sonnen- noch Windenergie, sondern nur Kohle. Das ist leider kein schönes Ergebnis der Energiewende.

Sie investieren ja auch in Wolfram, das man auch für die Herstellung von Batterien für E-Autos braucht.

Gutschlag: Das stimmt. Die Nachfrage nach E-Autos wird sehr stark steigen. Die Akzeptanz ist hoch, der Staat schießt viel Geld zu, aber auch da wird es nicht so schnell vorangehen. Man braucht viele Metalle wie eben Wolfram, Kupfer, Lithium oder Nickel. Auch da ist es wie beim Öl: Es wurde viel zu wenig investiert. Und China hat fast alle Metalle. Die Abhängigkeit ist im Weltmaßstab bei manchen Metallen viel, viel größer als bei Öl und Gas aus Russland.

Sind Sie privat eher ein Umweltfreund oder ein Umweltferkel?

Gutschlag: Ich fahre, wenn es geht, mit dem Fahrrad ins Büro. Privat habe ich einen Tesla und auf dem Dach zu Hause Photovoltaik.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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