Mannheim. Das Mannheimer Mercedes-Benz-Werk rüstet sich für die Zukunft. Der Standort, an dem bisher vor allem Dieselmotoren für schwere Lkw gebaut werden, soll künftig mehr Komponenten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben liefern. Was das konkret für das Werk und seine aktuell rund 4800 Beschäftigten bedeutet, haben Standortleiter Andreas Moch und Betriebsratschef Bruno Buschbacher am Dienstag vorgestellt.
Welche Zukunftsprodukte sollen in Mannheim vom Band laufen?
Zum Beispiel sogenannte Frontboxen für Lkw mit Elektrobatterie-Antrieb. „Die Frontbox sitzt im Fahrzeug etwa da, wo bisher der Dieselmotor ist“, erklärt Standortleiter Moch. In ihr seien u.a. Schalteinheiten, Steuergeräte und Kühlaggregate untergebracht. Ein der Frontbox entsprechendes Element wird auch in Lkw mit Brennstoffzellenantrieb verbaut - diese Komponente soll künftig ebenfalls serienmäßig in Mannheim produziert werden.
Was ist darüber hinaus am Standort geplant?
Wie bereits berichtet, soll im Werk ein Innovationslabor für Batterien entstehen - inklusive Pilotanlage für die Produktion von Batteriezellen. „Damit können wir die Entwicklung unterstützen und Prototypen bauen“, so Moch. Ab 2022 sollen dafür die ersten Maschinen angeschafft werden. Zusätzliches Geschäft erwartet der Standortleiter für einen Bereich, den es im Werk bereits gibt: das sogenannte Remanufacturing. Hier werden gebrauchte Batterien aus Elektro- und Plug-in-Hybrid-Pkw von Daimler für eine Weiternutzung wiederaufbereitet. Inzwischen sei sicher, dass dieses Geschäftsfeld in Mannheim bleibe - obwohl die Nutzfahrzeug-Standorte, zu denen Mannheim gehört, und die Pkw-Sparte nach der Aufspaltung des Daimler-Konzerns zu verschiedenen Unternehmen gehören werden. Weil immer mehr Elektro-Pkw auf den Straßen unterwegs sind, geht Moch davon aus, dass perspektivisch auch das Remanufacturing an Bedeutung gewinnt. Gebrauchte Lkw-Batterien könnten hier künftig ebenfalls wiederaufbereitet werden.
Aktuell werden am Standort außerdem Batteriepakete für den vollelektrischen Lkw „eActros“ gebaut, der seit Oktober serienmäßig in Wörth produziert wird. Ob die Batteriepakete für künftige Generationen des Modells auch aus Mannheim kommen werden, ist laut Moch unterdessen noch nicht entschieden.
Was steht hinter der Neuauf-stellung des Mannheimer Werks?
Der Verbrennungsmotor wird mehr und mehr an Bedeutung verlieren - und damit auch die Lkw-Dieselaggregate, die bisher schwerpunktmäßig am Standort gebaut werden. Betriebsrat und Gewerkschaft drängen deshalb schon lange auf Zusagen, was in den Motorenwerken künftig stattdessen produziert werden soll. Daran hängen schließlich tausende Arbeitsplätze. In den letzten Monaten haben Management und Arbeitnehmervertreter nun gemeinsam sogenannte „Zielbilder“ für die jeweiligen Standorte ausgearbeitet.
Das Werk Mannheim soll sich innerhalb eines Produktions- und Technologieverbunds mit den Standorten Kassel und Gaggenau auf Batterietechnologien und Hochvoltsysteme fokussieren. „Das passt sehr gut zu uns“, sagt Standortleiter Moch und verweist auf das Kompetenzzentrum für Emissionsfreie Mobilität, das es schon seit mehr als 25 Jahren im Werk gebe. Auch Bruno Buschbacher, Betriebsratsvorsitzender in Mannheim, spricht von einer zukunftsweisenden Lösung für alle drei Standorte.
Viele Aufträge, fehlende Teile
Das Mannheimer Mercedes-Benz-Werk blickt nach Angaben von Standortleiter Andreas Moch bisher auf ein gutes Geschäftsjahr 2021 zurück. „Im Jahr 2020 hatte die Pandemie noch deutliche Bremsspuren hinterlassen, aber in 2021 sind wir extrem vielversprechend gestartet“, sagt er. Die positive Entwicklung habe sich bis in den Sommer fortgesetzt, auch jetzt sei die Auftragslage sehr gut.
Wie viele andere Industrieunternehmen ist allerdings auch das Mannheimer Lkw-Motorenwerk von Lieferengpässen betroffen, es fehlen vor allem Halbleiter, schildert Moch. „Deshalb fahren wir im Moment etwas auf Sicht.“ Man habe allerdings viele Möglichkeiten, um in der Produktion flexibel auf den Teilemangel zu reagieren. Neben vielen anderen Instrumenten zähle dazu auch Kurzarbeit, die es an vereinzelten Tagen gebe.
Der Standortleiter spricht der Belegschaft ein großes Lob aus: Dass das Werk mit Blick auf die Teile-Verfügbarkeit so flexibel reagieren und die Produktionsprogramme trotz allem fahren könne, sei dem Einsatz der Beschäftigten zu verdanken.
Wann läuft der letzte Verbrennungsmotor in Mannheim vom Band?
„Es gibt nicht den Tag X, an dem es keinen Verbrenner mehr gibt, und dann fängt etwas Neues an“, sagt Buschbacher. Das Zurückfahren der Diesel-Motoren und der schrittweise Aufbau neuer Standbeine werde parallel laufen. Standortleiter Moch spricht von einem „Ablöseprozess“, der über ein bis zwei Jahrzehnte dauern könne. Vorerst investiert Daimler auch noch in neue Generationen von schweren Lkw-Verbrennungsmotoren - bisher das Kerngeschäft des Mannheimer Werks.
Was bedeutet die Transformation für die Beschäftigten?
Unstrittig ist, dass es für die Produktion alternativer Antriebe weniger Beschäftigte braucht als im klassischen Motorenbau. So wird perspektivisch beispielsweise die Gießerei überflüssig. Wie sich der Personalbedarf am Standort entwickle, hänge davon ab, wie schnell die Transformation insgesamt voranschreite, so Moch. Das könne im Moment niemand sagen. Gleichzeitig sei es durchaus möglich, dass in ein paar Jahren weitere neue Produkte nach Mannheim kämen.
Klar sei, dass die Belegschaft auf den Wandel vorbereitet werden müsse, so Betriebsratschef Buschbacher: „Wir werden uns in den nächsten Monaten anschauen, welche Ausbildungsinhalte noch modifiziert oder neu aufgenommen werden müssen“, sagt er. Auch die Stammbelegschaft müsse die Möglichkeit haben, sich für die künftigen Aufgaben weiterzuqualifizieren.
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