Energieforum Metropolregion

Macht uns die Energiewende alle ärmer?

Wie Experten die Chancen und Risiken der ökologischen Transformation der Wirtschaft sehen - mit dieser spannenden Frage beschäftigte sich das Energieforum der Metropolregion im Mannheimer Technologiezentrum Mafinex

Von 
Walter Serif
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Der Energiebedarf des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF wird auch in den nächsten Jahren steigen. © dpa

Mannheim. Es ist auf den ersten Blick schizophren: Die Bundesregierung setzt voll auf die Energiewende – und muss trotzdem bei den nicht gerade lupenreinen Demokraten in Katar (teures) Flüssiggas einkaufen. Deutschland zahlt deshalb auch einen hohen moralischen Preis dafür, dass es sich in der Vergangenheit abhängig gemacht hat vom damals spottbilligen Gas aus Russland.

Kurzfristige und langfristige Ziele

Weil uns dies jetzt alle teuer zu stehen kommt, ist es wichtig, dass Georg Müller, Vorstandschef des Energieversorgers MVV, eines klarstellt: Es gibt auch – oder gerade – nach dem 24. Februar 2022 keine Alternative zur Energiewende. „Wir haben uns auf den Klimaschutz verpflichtet, die Menschen wollen das auch, die langfristigen Ziele sind wichtiger denn je“, sagt er am Dienstag in Mannheim beim Energieforum der Metropolregion Rhein-Neckar.

Gerade deshalb warnt Müller die Politik mit Blick auf die Kernkraftwerke davor, von diesen langfristigen Zielen abzurücken: „Es ist ein großer Unterschied, ob die Laufzeit der drei Kernkraftwerke um drei Monate verlängert wird, um den Gasnotstand zu verhindern, oder ob die Politik den Atomkonsens aufgibt und die Kernkraftwerke einfach unbegrenzt weiterlaufen lässt.“ Müller ist natürlich Profi genug und nennt deshalb nicht die Adressaten seiner Kritik, aber jeder im Saal weiß, dass er Teile der FDP und der Unionsparteien meint, die aus der Energiekrise politisches Kapital schlagen wollten.

Dass der MVV-Chef der Ampelregierung eine passable Note ausstellt und vor „Fundamentalkritik“ an Berlin warnt, liegt nicht daran, dass neben ihm die Mannheimer Grünen-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen sitzt. Nein, Müller lobt die „kluge Entscheidung“ der Ampel, die nicht direkt in den Energiemarkt eingreift, sondern stattdessen den Gasimporteuren wie Uniper und den Kunden hilft.

Dass da im Detail immer wieder nachgebessert werden muss, versteht sich von selbst. „Die letzten Monate haben an uns gezehrt“, räumt Sekmen ein, die als Novizin im Bundestag erleben konnte, wie die Grünen einige ihrer hehren Ziele der Realpolitik opfern mussten. Und das geht immer weiter. Im Osterpaket steht ja auch, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssen.

Enormer Strombedarf

„Natürlich muss das alles schneller gehen. Bei diesem Prozess dürfen aber die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Bürgerbeteiligung nicht unter die Räder kommen. Das ist für uns Grüne eine schwierige Debatte“, sagt Sekmen und legt nach: „Wir müssen uns auch ehrlich machen: Wie und mit wem wollen wir in Zukunft Handel betreiben? Wie konsequent treten wir für unsere Werte ein?“ Damit stellt sie im Prinzip die Gretchenfrage. Und geht auch noch einen Schritt weiter: „Wir werden bei der Transformation kurzfristige Wohlstandsverluste haben, langfristig aber davon profitieren.“

Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, will dafür kämpfen, dass es gar keine Wohlstandsverluste gibt. Aber er weiß auch, wie schwierig das sein wird. Immerhin wird sich der Strombedarf in der Metropolregion nach der im Oktober veröffentlichten Studie von 17 Terawattstunden (TWh) bis 2045 verdoppeln. Der größte Stromfresser – Stichwort BASF – wird der Kreis Ludwigshafen sein. Solche Studien über einen so langen Zeitraum sind natürlich teilweise nur Zahlenspielerei, machen aber klar, wie viel von einer erfolgreichen Transformation abhängt – erst recht in einem Land, in dem es auch an Leuten fehlt, die die Solaranlagen installieren können.

Dennoch fordert nicht nur Schnabel eine drastische Erhöhung des Tempos bei der Energiewende. „Die BASF kann ihre Produkte notfalls auch woanders herstellen, aber die Bevölkerung müsste hier bleiben und leiden“, warnt er. Sein Fazit: „Die Transformation muss auch ein ökonomischer Erfolg werden, dadurch könnten wir ein Vorbild für die Welt werden.“

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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