Berlin. Der Hangrutsch im Landkreis Biberach mit seinen tragischen Folgen war nicht der erste Unfall dieser Art. Auf der Strecke zwischen Köln und Overath fuhr 1981 schon ein Zug in einen Bergrutsch und kippte gegen eine Felswand. Damals gab es nur wenige Verletzte. Diesmal verloren drei Menschen ihr Leben und Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt.
Im Zehnjahresschnitt von 2014 bis 2023 war das Risiko für Reisende, mit dem Zug tödlich zu verunglücken, 52-mal geringer als für Insassen eines Autos.
Zum Glück sind derart schwerwiegende Unfälle auf den Schienenwegen selten. Nach wie vor ist die Bahn nach Angaben der Allianz pro Schiene das sicherste Verkehrsmittel. „Im Zehnjahresschnitt von 2014 bis 2023 war das Risiko für Reisende, mit dem Zug tödlich zu verunglücken, 52-mal geringer als für Insassen eines Autos“, stellt der Verband fest. Angesichts immer häufiger auftretender extremer Wetterereignisse stellt sich jedoch die Frage, ob das Bahnfahren tendenziell unsicherer wird.
Diese Annahme lässt sich in Hinblick auf Personenschäden nicht belegen. Von 2019 bis 2022 weist das Statistische Bundesamt jährlich zwischen 400 und 500 Unfälle mit Personenschäden aus. Acht Bahnbedienstete und acht Fahrgäste kamen dabei 2022 ums Leben. Das war der Höchstwert. Weit mehr als 100 andere Personen kamen allerdings auch bei Bahnunfällen zu Tode. Dabei dürfte es sich jedoch vornehmlich um Suizide auf der Strecke handeln. Um Nachahmer abzuhalten, wird darüber in der Regel Stillschweigen bewahrt. Zum Vergleich: Im Straßenverkehr kamen allein im vergangenen Jahr gut 2800 Menschen ums Leben.
Umweltschäden als Ursache für Unfälle werden noch nicht erfasst
Die Unfälle mit Zügen werden genau untersucht. Dafür gibt es die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) in Bonn. Sie gehört zum Eisenbahn-Bundesamt und hat auch im aktuellen Unglück sofort Inspekteure nach Baden-Württemberg entsandt, die die Ursachen der Katastrophe ermitteln sollen. Eines scheint inzwischen klar: Starkregen hat eine Kettenreaktion ausgelöst, an deren Ende der Hang an der Strecke abrutschte und der heranfahrende Zug keine Chance hatte, rechtzeitig zu bremsen.
Die Untersuchungsbehörde führt nicht einmal eine Statistik, die über Umweltschäden als Ursache von Unfällen Aufschluss gibt. Meist sind es andere Ursachen, angefangen von Pannen an der Zugtechnik, wie beim bisher größten Bahnunglück von Eschede 1998, bei dem 101 Fahrgäste ums Leben kamen, als ein ICE entgleiste. Andere Unfälle gehen oft auch auf Dritte zurück, etwa wenn an einer Schranke plötzlich ein Hindernis auf dem Gleis steht.
Auch menschliches Versagen hat schon zu schweren Unfällen geführt. „Eine entsprechende Datenlage zu umweltbedingten Unfällen oder entsprechenden Tendenzen liegt hier nicht vor“, teilt ein Sprecher des BEU auf Anfrage mit. Die Behörde analysiert zwar die Geschehnisse und leitet daraus mögliche Optimierungsmöglichkeiten ab. Der Klimawandel spielt dabei aber noch keine Rolle. Gleichwohl spielen Unwetter eine immer größere Rolle im Bahnverkehr. Für Kunden und Bahnangestellte bedeutet dies meist nur Verspätungen und Überstunden. Ein reibungsloser Betriebsablauf wird jedoch immer wieder gestört, wenn Sturm und Regen richtig aufdrehen.
Die bisher größte Katastrophe war die Überschwemmung des Ahrtals vor vier Jahren. Die hat auch Gleisanlagen zerstört. 29 Kilometer Gleise mussten erneuert, 15 Brücken neu gebaut und sieben Brücken saniert werden. Die Bahn spricht von „einem historischen Ausmaß“ der Schäden. Gut ein Jahr zuvor sorgte ein Hochwasser an der Elbe für Streckensperrungen, weil die Wassermassen Bahndämme unterspült hatten. Klimaexperten rechnen damit, dass derlei Ereignisse zukünftig häufiger vorkommen.
Umgestürzte Bäume auf Gleisen sind ein Risiko für die Bahn
Ein anderer Feind geregelter Betriebsabläufe sind häufiger auftretende Stürme. Darauf stellt sich die Bahn unter anderem mit einem ausgiebigen Vegetationsmanagement ein. Ärger bereiten der Bahn vor allem entwurzelte Bäume, die auf das Gleisbett fallen. Abstandsregeln und ein regelmäßiger Rückschnitt der Bäume sollen das Problem vermindern. So sehen die Regeln vor, dass links und rechts vom Gleisbett wenigstens ein sechs Meter breiter Streifen frei von Baumbewuchs sein muss. Das hört sich einfach an, ist in der Praxis jedoch eine aufwändige Angelegenheit.
Denn dazu gehört auch die Kontrolle des Zustands der Bäume am Fahrweg. Das ist allein aufgrund der Masse an Bewuchs eine Herausforderung. Zudem gehören die Bäume am Rande der Trassen überwiegend privaten Eigentümern oder dem Staat. Darüber hinaus sind beim Rückschnitt der Vegetation auch noch diverse Rechtsvorschriften zum Waldschutz zu beachten. Die Bürokratie hat sich bei diesem Regelwerk selbst übertroffen.
Doch im Notfall ist eine schnelle Abhilfe nötig. „Insbesondere umgestürzte Bäume im Gleisbereich stellen ein hohes Gefahrenpotenzial mit Kollisionsrisiko für Schienenfahrzeuge dar“, heißt es in einer Fachinformation der Bahn. Denn der Bremsweg von Zügen könne mehrere Kilometer betragen. „Im Gegensatz zum Straßenverkehr ist daher ein ‚Fahren auf Sicht‘ nicht möglich.“ Diese Gefahr ist wohl auch dem Regionalzug in Baden-Württemberg zum Verhängnis geworden. Selbst wenn der Lokführer den Hangsturz noch wahrgenommen hat, konnte er nicht mehr rechtzeitig anhalten.
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