Die Brauereien kämpfen in diesen Tagen um ihre Lieferfähigkeit. Vor allem der zunehmende Mangel an Kohlensäure macht den Bierproduzenten zu schaffen. „Das ist definitiv ein Problem in der Branche“, sagt der Marketingchef der Mannheimer Privatbrauerei Eichbaum, Holger Vatter Schönthal. „Noch bekommen wir die bestellten Mengen“, bestätigt der Geschäftsführer der Distelhäuser Brauerei in Tauberbischofsheim, Christoph Ebers. Man baue auf laufende Verträge und ein gutes Verhältnis zu den Lieferanten: „Aber wir bezahlen jetzt schon deutlich mehr“.
Von einer Entwicklung, die die Mitgliedsunternehmen so noch nicht erlebt hätten, spricht der Deutsche Brauerbund. Bereits die Pandemie habe tiefe Spuren in den Bilanzen der Unternehmen hinterlassen. Die Kapitaldecke sei vielfach dünn. Jetzt explodieren die Preise für Malz, Hopfen, Glas, Kronkorken und Dosen. Und der Nachschub stockt.
Die fehlende Kohlensäure sei nur ein Problem von vielen, sagt Vatter- Schöntal: „Verfügbarkeiten und Lieferfähigkeit nehmen bei vielen Rohstoffen und Emballagen ab, die Lieferzeiten werden sehr lang, die Kosten explodieren“. Allein für Kronkorken müssen die Betriebe nach Angaben des Brauer-Bunds aktuell 70 Prozent mehr bezahlen. Ein Ende sei nicht in Sicht: „Die eigentlichen Kostensprünge kommen erst noch“, befürchtet Sprecherin Nina Göllinger. „Wenn im Herbst bestehende Energie-Lieferverträge auslaufen.“
Die aktuell fehlende Kohlensäure wird in der gesamten Ernährungsindustrie für Produktions- und Verpackungsprozesse dringend gebraucht. Die Brauer benötigen sie vor allem bei der Abfüllung in Fässer und Flaschen, um das Bier vor Lufteinflüssen zu schützen oder um es im Betrieb vom Gär- in den Lagertank zu transportieren: „Unser Bier ist ein empfindliches Naturprodukt und darf bei Abfüllung nicht mit Sauerstoff in Verbindung kommen, weil es sonst oxidiert und dann seinen frischen, spritzigen Geschmack verliert“, sagt Welde-Sprecherin Susanne Schacht. Deshalb werde beim Befüllen der Flaschen Luft mit Hilfe von Kohlensäure aus der Flasche gedrückt. Außerdem funktionieren die Schankanlagen in der Gastronomie hauptsächlich mit CO2. Und in den Kneipen ist sie schon seit Monaten knapp.
Stark reduzierte Liefermengen
Nach Schätzungen der Getränkewirtschaft sind aktuell nur noch 30 bis 40 Prozent der üblichen CO2-Liefermengen verfügbar. Immer mehr Unternehmen müssten ihre Produktion erheblich einschränken. „Viele mittelständische Brauereien und Abfüller von Erfrischungsgetränken wie auch Mineralbrunnen werden aktuell gar nicht mehr mit Kohlensäure beliefert“, schreiben die Verbände der deutschen Getränkewirtschaft an die Politik.
Düngemittelproduktion gedrosselt
Auslöser der aktuellen Nachschubschwierigkeiten sind Probleme bei der europäischen Düngemittelproduktion. Kohlensäure entsteht in einer chemischen Reaktion von CO2 (Kohlenstoffdioxid) mit Wasser. Einer der größten Lieferanten ist die Düngemittelindustrie: Das CO2 entsteht bei der Herstellung von Ammoniak, aus dem dann Dünger gemacht wird. Wegen der extrem gestiegenen Energiepreise wurde aber die Dünger-Produktion stark gedrosselt.
Auch die Herstellung von Mixgetränken oder Fassbrausen wird so zum Problem, weil dabei - anders als beim Bier im Zusammenspiel von Hefe und Malz - kein CO2 entsteht. Vor allem bei Erfrischungsgetränken und Wasser sei zu befürchten, dass durch den zunehmenden Mangel an Kohlensäure Produktion und Abfüllung immer häufiger unterbrochen werden müssten, warnt der Brauer-Bund. „Um trotz dieser Engpässe möglichst mit allen Mineralwasser-Produkten und den in der Verbrauchergunst besonders hoch angesehenen Schorle-Produkten lieferfähig zu bleiben, haben wir beschlossen, bei einigen Nischen-Produkten im Süßgetränke-Bereich einstweilen die Produktion auszusetzen“, bestätigt ein Sprecher der Odenwald-Quelle. Auch die Brauereien, von denen heute die Mehrzahl auch Limonaden und andre Mixgetränke im Angebot hat, bekämen einen Ausfall zu spüren: „Unsere Mischgetränke wie Radler oder Apfelschorle könnten wir im Ernstfall nicht mehr produzieren“, befürchtet Distelhäuser-Geschäftsführer Ebers.
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Vergleichsweise gut dran sind Brauereien, die wie Eichbaum oder Distelhäuser über eine Kohlensäure-Rückgewinnungsanlage verfügen. Hier wird die beim Brauen entstehende überschüssige Kohlensäure abgefangen. „Das CO2 aus unserer Anlage reicht für die Kern-Biersorten“, betont Distelhäuser-Manager Ebers. Eine solche Anlage lohne sich eigentlich nur bei großen Brauereien, relativiert Vatter-Schönthal. Besonders schwierig wird die Lage nach Einschätzung des Brauerbundes deshalb für kleine Betriebe.
Für die Verbraucher werden wohl auch die Getränke in absehbarer Zeit teurer: „Trotz der angespannten Situation am Beschaffungsmarkt haben wir die Preise für unsere Produkte bisher konstant halten können“, betont der Sprecher der Odenwald-Quelle. „Ob und inwieweit eine Preiserhöhung im Jahre 2023 vorgenommen werden muss, wird sich aus den Entwicklungen in den nächsten Wochen ergeben“.
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