Mannheim/Madrid. Wenn Lidl einfach nur Klarheit haben wollte, dann hat der Lebensmittelhändler sie jetzt. Das Unternehmen darf bestimmte „Vorrichtungen zur Getränkeherstellung“, die es einst unter dem Namen „Ernesto Veggie Drink Maker“ verkaufte, in Deutschland vorerst nicht mehr anbieten oder in Verkehr bringen. Das hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim entschieden. „Der inländische Vertrieb des angegriffenen Produkts durch die Klägerin verletzt in Ermangelung eines Benutzungsrechts das Klagepatent“, stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest. Übersetzt in die Umgangssprache heißt das: Lidl hat abgekupfert, ohne sich um ein bestehendes Patent zu kümmern.
Topf, Filter, Stößel und Deckel
Das Gerät, um das es geht, ist eine Erfindung des Spaniers Andoni Monforte. Keine große Sache: Ein Topf, ein Filtereinsatz, ein Stößel und ein Deckel. Da hätte jeder drauf kommen können, aber es war Monforte, der darauf kam. Mit dem Topf-Filter-Stößel-Set lässt sich unter Einsatz eines Pürierstabs zuhause aus Erdmandeln Erdmandelmilch machen: die in Spanien berühmte und sehr erfrischende Horchata. Aber man kann damit auch aus jeder anderen Trockenfrucht einen milchigen Saft gewinnen. Und solche hausgemachten Säfte sind besonders bei Veganern als Kuhmilchersatz beliebt. Der Erfinder Monforte nennt sein Produkt deswegen heute „Vegan Milker“.
Als Monforte mit seiner Erfindung 2013 auf den Markt ging, hieß sie noch „Chufamix Veggie Drinks Maker“. Chufamix ist der Name seiner Firma in Valencia, und aus dem „Veggie Drinks Maker“ machte Lidl – das sich beim Kopieren nicht viel Mühe gab – vier Jahre später den „Veggie Drink Maker“. Bei einigen Veganern ist der „Chufamix von Lidl“ noch in guter Erinnerung, weil er so schön billig war. Zwischen 5,99 und 9,99 Euro wurden für das Gerät fällig. Das Original kostet heute 35,90 Euro, damals etwas mehr.
Andoni Monforte erinnert sich nicht so gerne an den Einbruch von Lidl in sein Revier. Im Sommer 2017 machte er gerade seinen ersten 15-tägigen Urlaub seit zwei Jahren, als er einen Anruf von einem seiner französischen Zwischenhändler bekam. „Der war sehr sauer, weil er glaubte, dass ich eine Vereinbarung mit Lidl abgeschlossen hätte, um mein Produkt dort viel billiger zu verkaufen“, erzählt Monforte. Auf einmal war der „Veggie Drink Maker“ für wenig Geld beim französischen Lidl zu haben. Dass es sich dabei um ein eigenes Produkt der Lebensmittelkette handeln könnte, darauf war der Händler nicht gekommen: Zu sehr ähnelte das Lidl- dem Chufamix-Set.
Monforte hatte sein Verkaufsnetz ganz langsam aufgebaut. „Anfangs bin ich wie ein Staubsaugervertreter mit meinem VW-Bus California drei Monate durch Europa gefahren, bis nach Stockholm, um Kunden in der Öko- und Veganerwelt zu finden“, erzählt er. Von Jahr zu Jahr zogen die Verkäufe an, jedes Jahr machte er etwas mehr Gewinn. Bis 2017. Etliche Kunden sprangen ab, weil sie durch die Lidl-Konkurrenz auf ihren Original-Chufamix sitzen blieben. Für Monforte begann eine harte Zeit, die ihn an den Rand des Ruins brachte. Er klagte gegen Lidl in Spanien. Und Lidl klagte gegen ihn. Gleich dreimal.
„Ein wenig Angst“
Zum Glück hatte Monforte europäisches (und auch chinesisches, US-amerikanisches, mexikanisches und türkisches) Patent auf seine Erfindung angemeldet. Lidl wollte vom Mannheimer Landgericht feststellen lassen, dass es mit seinem in China hergestellten „Ernesto Veggie Drink Maker“ kein Patent verletzt habe. In einem 23 Seiten langen Urteil voller technischer Details stellt das Gericht nun aber das Gegenteil fest. Außer den Gerichts- und Monfortes Anwaltskosten muss Lidl auch Schadenersatz zahlen, wofür das Unternehmen zunächst einmal „darüber Rechnung legen“ soll, wie viel Geschäft es mit dem nachgeahmten Produkt in Deutschland – für den Rest der Welt ist das Gericht nicht zuständig – gemacht hat.
Lidl hat gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht in Karlsruhe eingelegt, bisher aber noch nicht begründet. Eine Stellungnahme gibt das Unternehmen wegen des laufenden Verfahrens nicht ab. Monforte, der „ein wenig Angst“ bekam, als Lidl gegen ihn klagte, ist wieder entspannter. Sein Unternehmen hat überlebt – und die Verkäufe laufen gut.
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