Mannheim. Man kann nicht sagen, er hätte das Urteil gefasst aufgenommen. Die Augen gerötet, die zitternden Hände spielen am Kabel seines Kopfhörers, in den der Dolmetscher das Urteil übersetzt. Mohammed Jamil A. muss zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis, weil er sich mit dem Betreiben des illegalen Hawala-Bankings strafbar gemacht hat. Schon beim Plädoyer seines Anwalts Ashraf Abouzeid kann A. die Tränen nicht zurückhalten. „Ich bereue alles, was ich getan habe“, sagt er im Anschluss an seinen Verteidiger.
Der 39-Jährige aus Karlsruhe hat im Rahmen des Hawala-Bankings in 124 Fällen Gelder in Höhe von insgesamt 8,4 Millionen Euro eingesammelt und übermittelt. Dafür soll er eine Provision von zusammengerechnet 20 000 Euro verdient haben.
Herzzerreißende Vorgeschichte
Es ist die herzzerreißende Vorgeschichte des 39-Jährigen, die Anwalt Abouzeid in seinem Plädoyer besonders betont. Seine Worte treiben nicht nur dem Angeklagten die Tränen in die Augen. Auch seine Familie, die A. wegen Corona während der sechsmonatigen Untersuchungshaft kein einziges Mal zu Gesicht bekam, ist sichtlich getroffen. Wie erstarrt sitzt seine Frau in der hinteren Reihe des Gerichtssaals. Diese Vergangenheit, alles, was A. erleben musste, gelte es in dem Urteil zu berücksichtigen, sagt Abouzeid. „Deswegen hat er sich zu den Taten überhaupt hinreißen lassen.“
A. ist aus Syrien geflohen. Zuvor arbeitete er zusammen mit seinem Bruder im Lebensmittelgeschäft seines Vaters. 2003 heiratete er seine Frau. Mit ihr hat er heute vier Kinder. Dann kam der Krieg. Der Islamische Staat nahm seine Heimatstadt ein, wollte A. rekrutieren. Doch er wehrte sich und kam in ein Gefängnis. Wurde gefoltert. Er habe sich befreien können, ist seither auf der Flucht.
„Hinzu kommt, dass mein Mandant vom IS erpresst wurde“, erklärt der Verteidiger. Der IS habe gedroht, seine Familie zu töten, wenn A. nicht nach Syrien zurückkehre. „Und das haben sie getan, sie haben seinen Bruder exekutiert“, sagt Abouzeid. A. habe schreckliche Schuldgefühle und habe mit dem Geld, das er verdiente, neben seinen Eltern auch die Waisen seines Bruders unterstützt.
Hawala-Banking ist ein komplexes Transfersystem, bei dem der Händler Geld von seinen Kunden erhält und Kontakt zu einem weiteren Händler aufnimmt, der dieselbe Summe aus einem gesonderten Topf an den Empfänger gibt. So sind anonyme Transaktionen in kürzester Zeit über die ganze Welt verteilt möglich. Weil damit etwa Geldwäsche oder Terror-Finanzierung nahezu unentdeckt stattfinden könnte, ist Hawala in dieser Form in Deutschland verboten.
In der Anklage hieß es zunächst, der 39-Jährige habe als Rädelsführer der Hawala-Vereinigung gehandelt. Es stellte sich jedoch heraus, dass er zwar nicht auf niedrigster Ebene, aber dennoch als Angestellter agierte. Er war erst als Buchhalter in dem System tätig und später als Kurier. Zudem ging man anfangs noch von 184 Fällen aus und einer Gesamtsumme von 13,9 Millionen Euro.
Das Urteil geht weitgehend mit den Forderungen der Staatsanwaltschaft einher. Staatsanwalt Manuel Graulich forderte eine Haft von drei Jahren. Die Verteidigung hatte zwei Jahre auf Bewährung vorgesehen.
Der Vorsitzende Richter Andreas Lindenthal macht während der Urteilsverkündung immer wieder deutlich, dass sich das frühe Geständnis und die Kooperation des Angeklagten strafmildernd ausgewirkt hätten. Nur durch seine Mithilfe habe man einen im System über A. stehenden Tatverdächtigen in Köln ermitteln können. Bekannt war dieser zuvor nur als „Der Türke“. Gegen A. hätten aber die große Geldsumme und „eine gewisse kriminelle Energie“ gesprochen. „Nach unserer Auffassung ist das aber ein mildes Urteil“, so Lindenthal. Die Höchststrafe hätte bei fünf Jahren Haft gelegen.
Der Verteidigung bleibt nun eine Woche, um Revision gegen das Urteil einzulegen. Ob sie das tun wird, ist noch ungewiss. „Wir müssen das Urteil erst einmal sacken lassen“, sagt der Karlsruher Anwalt Abouzeid auf Nachfrage.
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