Porträt: Der 25-jährige Konstantin Weber spezialisiert sich auf Fotografien, die Emotionalität in kühle Sachlichkeit übertragen  

„Kunst ist für mich eine Erinnerung“

Von 
Lisa Gabauer
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Durch die schmalen Ritzen der Jalousie schimmern die grünen Blätter der Bäume, fällt Licht in den sonst völlig schwarzen Raum. Ist das Bild, Teil der dreiteiligen Serie ohne Titel, gemalt oder doch eine Fotografie? Konstantin Weber lacht. „Das werde ich oft gefragt“, sagt der 25-Jährige, der im vierten Semester an der Freien Kunstakademie Mannheim studiert.

Verwundert tritt man einen Schritt nach vorne, will noch näher ran. Denn Webers Fotografien sind geprägt von einer großen Lichtundurchlässigkeit, das Schwarz wirkt wie mit Ölfarbe aufgetragen, die abgebildeten Motive der Serie – die Hände der Freundin, die Jalousie im Schlafzimmer, das luxuriöses Auto – zeigen sich dem Betrachter in einer düsteren Sachlichkeit, die zugleich Opulenz ausstrahlt. Dabei sucht sich Weber seine Motive nicht aus, setzt nichts in Szene, sondern wartet, bis er diesen einen Moment findet, in dem sich das Abdrücken auf die Digitalkamera lohnt. Ein Moment, der für Weber schwer in Worte zu fassen ist. Und das nicht etwa, weil der 25-Jährige um Worte verlegen ist, ganz im Gegenteil.

Weber ist ein angenehmer Gesprächspartner, ein Intellektueller, der nach ein paar Semestern Soziologie und Geografie gemerkt hat: „Das war nicht meine Art, die Welt zu sehen – und auch nicht mit ihr zu kommunizieren.“

Also nimmt er einen trostlosen Bürojob an, spart Geld und kauft sich eine Spiegelreflexkamera. Wenn der 25-Jährige fortan auf den Auslöser drückt, geht es ihm darum, etwas festzuhalten: „Man sieht ein Bild und denkt sich plötzlich: Das möchte man behalten.“ Das sei ein sehr emotionaler Moment, vermischt mit einem nostalgischen Gedanken: „Kunst ist für mich eine Erinnerung, die man vorher nicht hatte. Und ich will diese Erinnerung erschaffen.“

Dabei bestimmt der Zufall, was Webers Kamera für die Ewigkeit festhält. Am liebsten fotografiert er bei Nacht – eine Zeit, die sich der Mensch durch Straßenlaternen nutzbar gemacht hat, die für Weber wie „Studioleuchten“ funktionieren. Gegen 22 Uhr steigt er dann in seinem Heimatort Riedstadt, in der Nähe von Darmstadt, in sein Auto und sucht nach dem perfekten Bild. Vor allem die Schnittstellen zwischen Landschaft und Industrie faszinieren ihn. Plötzlich im Nirgendwo eine angestrahlte Lagerhalle zu entdecken – für Weber ein „magischer Moment“.

Inspirationen holt sich der selbstständige Fotograf auch bei anderen. Die US-Amerikaner Robert Adams und William Eggleston oder auch den Fotojournalisten Nikita Teryoshin nennt er als Vorbilder. In Zukunft möchte er seine Bilder auf Fototapete drucken lassen und direkt an die Wand kleben. Nach Ausstellungsende werden sie abgerissen auf dem Boden liegen – als verblasste Segmente einer Erinnerung, die es nie gab.

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