Rhein-Neckar. Im Fach Zinsberechnungen „ungenügend“, in Fairness „mangelhaft“. So sieht das Zeugnis der Sächsischen Verbraucherzentrale, des Verbraucherportals Finanztip und der Organisation Finanzwende für die Sparkassen aus. Symbolisch übergaben sie dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband nun die schlechten Noten. Grund ist ein Streit zwischen den Instituten und Kunden über die Zinsberechnung bei Prämiensparverträgen. „Etliche Sparkassen haben versucht, ihre Kunden über den Tisch zu ziehen“, wirft Finanztip-Chefredakteur Hermann Tenhagen den Instituten vor.
Laut der Verbraucherschützer haben die Sparkassen bei hunderttausenden Prämiensparverträgen über Jahre zu wenig Zinsen berechnet. In vielen Fällen geht es um Beträge im vierstelligen Bereich. In einem Extremfall erstritt eine Kundin laut sächsischer Verbraucherzentrale 96 000 Euro. Die Sparkassen säßen trotz Urteils des Bundesgerichtshofes zugunsten der Sparer das Problem einfach aus. „Sie setzen darauf, dass die Kunden mit ihren Ansprüchen wegsterben“, sagt Tenhagen.
Wie viele Betroffene es gibt, ist nicht bekannt. Die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) ging von einer Million Kunden aus. Eine Verfügung der Bafin an die Sparkassen, die Betroffenen über die Sachlage zu informieren, wird nach Angaben der Verbraucherschützer nicht befolgt.
Darüber müssen Gerichte entscheiden. Allein die Verbraucherzentrale Sachsen hat acht Musterfeststellungsklagen mit 5000 Klägern eingereicht. Weitere sechs Massenklagen liegen in anderen Regionen an. Im Kern geht es um die Frage, ob die Berechnung der Verzinsung angemessen ist. Eine wichtige Entscheidung könnte im Mai fallen, wenn über die Klage gegen die Sparkasse in Leipzig verhandelt wird.
Mit ihrer Kampagne wollen die Verbraucherschützer betroffene Kunden besser über ihre Rechte informieren. Die Zeit drängt. Nach drei Jahren verjähren etwaige Ansprüche. Wurden Verträge zum Beispiel Ende 2018 gekündigt, gehen Ansprüche daraus Endes 2022 verloren. Finanzwende-Sprecher Julian Merzbacher fordert von den Sparkassen, auf eine Verjährung zu verzichten.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband verweist auf noch ausstehende Urteile über den Zinssatz, an dem sich die Berechnung der Zinsen für die Kunden orientieren soll. Der Verband sieht keine finanziellen Nachteile für die Sparer: „Die Gesamtverzinsung einschließlich Prämie lag beim Prämiensparen erheblich über dem Marktniveau.“
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