Konjunktur

Konjunkturbericht der IHK: Das macht Betrieben der Region die meisten Sorgen

Von 
Tatjana Junker
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Der Export – hier ein Bild vom Hamburger Hafen – ist für die Industriebetriebe der Region ein wichtiges Standbein. Die Erwartungen an das Auslandsgeschäft sind aber stark gesunken. © Daniel Reinhardt/dpa

Es war ein vorsichtiges Hoffnung schöpfen: Nach zwei Jahren Pandemie sollte es endlich wieder richtig aufwärtsgehen für die Unternehmen der Region. Selbst in den Branchen, die die Corona-Krise besonders stark gebeutelt hatte - Handel, Gastronomie - wurde die Stimmung langsam besser. Dann griff der russische Präsident Putin die Ukraine an - und setzte der Zuversicht ein Ende. Der Überfall auf die Ukraine und seine Folgen hätten „die Konjunktur ausgebremst“, sagte Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, als er am Montag die jüngste Konjunkturumfrage der Kammer vorstellte.

Der erhoffte Schub durch das Ende der Corona-Auflagen sei deshalb ausgeblieben. Zwar hätten viele Betriebe ihre aktuelle Lage in der Umfrage nach guten Quartalszahlen noch positiv eingeschätzt - doch der Blick in die Zukunft habe sich deutlich verschlechtert, so Nitschke.

Auf der anderen Rheinseite, bei der IHK Pfalz, spricht man gar davon, dass sich die Hoffnung auf einen Aufschwung „pulverisiert“ habe. Und die IHK Darmstadt, die ihren Konjunkturbericht erst in der kommenden Woche ausführlich vorstellen will, berichtet vorab von „enttäuschten Erwartungen“ bei ihren Mitgliedsbetrieben. Was belastet die Unternehmen derzeit am meisten und wie sieht es in den einzelnen Wirtschaftszweigen aus? Ein Überblick:

Industrie

Für die Industriebetriebe der Region ist das Exportgeschäft extrem wichtig: Sechs von zehn Euro Umsatz haben die Unternehmen im Bezirk der IHK Rhein-Neckar im vergangenen Jahr im Ausland erzielt. Nun kommen vor allem von dort deutlich weniger Aufträge. Entsprechend rechnen die Betriebe mit einem schlechteren Exportgeschäft, gerade auf dem europäischen Markt, der durch den Ukraine-Krieg belastet ist. Aber auch in Asien läuft es nicht rund: Strenge Corona-Maßnahmen wie die Schließung des weltweit größten Handelshafens in Shanghai werfen dort die Lieferketten über den Haufen. Ein Lichtblick scheint unterdessen der US-Markt zu sein, auf dem sich viele Unternehmen aus der Region durch die dortigen staatlichen Konjunkturprogramme bessere Geschäfte versprechen.

Neben den sinkenden Exporterwartungen drücken weitere Faktoren auf die Stimmung: „Die ungewisse Energieversorgung und die volatilen Energiepreise stellen die gesamte Industrie vor große Probleme“, sagt IHK-Rhein-Neckar-Hauptgeschäftsführer Nitschke. „Lieferkettenprobleme, Preisexplosionen bei Energie und der erneute Lockdown in Teilen Chinas setzen der Industrie zu“, sagt auch Peter Kühnl, Konjunkturexperte bei der IHK Darmstadt. Einige Industrieunternehmen leiden außerdem unter fehlenden Rohstoffen und Vorprodukten aus Russland und der Ukraine, wie beispielsweise bestimmte Edelgase oder Metalle.

Handel

Große Teile des Einzelhandels haben schon in der Pandemie heftig gelitten. Jetzt steht die Branche wieder unter Druck, Nitschke zufolge sogar von zwei Seiten: zum einen seien die Einkaufspreise für die Händler massiv gestiegen. Zum anderen müssen die privaten Haushalte derzeit für Lebensmittel, Sprit und Energie deutlich tiefer in die Tasche greifen. Entsprechend knapper wird das Budget für andere Anschaffungen. Ergebnis: Mehr als jeder dritte Einzelhändler im Bezirk der IHK Rhein-Neckar rechnet in den nächsten zwölf Monaten mit schlechteren Geschäften. In der Pfalz ist die Stimmung im Handel sogar noch mieser. Dort erwarten mehr als die Hälfte der Händler, dass sich ihr Geschäft negativ entwickelt.

Dienstleistungen

Anders als im Handel oder in der Industrie entwickelt sich die Konjunktur hier laut IHK Rhein-Neckar „vergleichsweise stabil.“ So haben Gaststätten oder personenbezogene Dienstleister - beispielsweise Friseure - davon profitiert, dass viele Corona-Auflagen weggefallen sind. Bei Transportunternehmen und anderen Dienstleistern, die vor allem für Firmen arbeiteten, nähmen die Sorgen unterdessen zu.

Die größten Risiken

Auf Platz 1 steht hier ganz klar das Thema Preisexplosion, das durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befeuert wird. In der Umfrage der IHK Rhein-Neckar geben 70 Prozent der Firmen an, dass sie ihre wirtschaftliche Entwicklung dadurch gefährdet sehen. In der Pfalz sind es sogar 83 Prozent. Auch der Fachkräftemangel bereitet den Betrieben in der Region Zukunftssorgen. Schon jetzt können sie viele Positionen nicht besetzen. So sei die Zahl der offenen Stellen im Kammerbezirk Rhein-Neckar seit April 2021 um fast 1700 gestiegen - auf insgesamt 7444. Auf Platz 3 der größten Geschäftsrisiken folgt für die Betriebe der Region die Pandemie: Das liegt nicht nur daran, dass ihnen nach wie vor Mitarbeitende ausfallen, die sich mit Corona angesteckt haben. Die Unternehmen schauen auch mit Bangen auf den Herbst und die Frage, ob die Pandemie dann wieder aufflammt.

Die Folgen

Sowohl in der Pfalz als auch im Bezirk Rhein-Neckar zeigen die Umfragen der Kammern, dass die Betriebe teilweise ihre Investitionspläne zurückfahren wollen. Immerhin 20 Prozent der Unternehmen (Pfalz: 26 Prozent) geben an, ihre Ausgaben in diesem Bereich zu kürzen.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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