Mannheim. Zwei Drittel aller Sparkassen schütten keine Gewinne an ihre Eigentümer, die Städte und Landkreise aus. Sie behalten das Geld lieber für sich und stocken ihre Eigenkapitalquote auf - teilweise weit höher als gesetzlich vorgeschrieben. Das zeigt eine bundesweite Auswertung des Recherche-netzwerks Correctiv.
Demnach erzielten die deutschen Sparkassen 2014 einen Jahresüberschuss von mehr als 1,9 Milliarden Euro. Davon wurden allerdings weniger als 14 Prozent an die Kommunen abgeführt. Zwei Drittel aller Sparkassen zahlten gar nichts aus an ihre Träger. 2013 war es ähnlich.
Komplett in die Rücklagen
Ein ähnliches Bild ergibt sich in der Region: Auch hier hat in den Jahren 2013 und 2014 nur jede dritte Sparkasse einen Teil ihres Überschusses an die kommunalen Träger ausgeschüttet. Dazu zählt die Sparkasse Vorderpfalz. Deren Träger - die Städte Ludwigshafen, Speyer, Schifferstadt und der Rhein-Pfalz-Kreis - durften sich in den letzten drei Jahren über eine Ausschüttung von insgesamt 11,3 Millionen Euro freuen.
Bei den meisten anderen Instituten floss der Gewinn stattdessen komplett in die eigenen Rücklagen. Die Begründung ist nahezu überall identisch: Man wolle das Eigenkapital stärken, heißt es auf Anfrage dieser Zeitung. "Wir sind da zwar schon gut aufgestellt", sagt Axel Noé, Pressesprecher der Sparkasse Bensheim.
"Ahnungslose Kommunen"
Man wolle aber weitere Rücklagen bilden, zum einen, da die entsprechenden Vorgaben für Banken immer strenger würden. Zum anderen, um die regionale Wirtschaft ausreichend mit Krediten versorgen zu können. "Und da gilt: Je mehr Eigenkapital wir haben, desto mehr Kredite dürfen wir vergeben." "Eine finanzstarke Sparkasse mit ausreichend Möglichkeiten zur Kreditvergabe nützt den Kommunen und Kreisen auf lange Sicht viel mehr, als eine kurzfristige Ausschüttung", heißt es auch bei der Sparkasse Neckartal-Odenwald.
Volker Rathay, Pressesprecher der Sparkasse Worms-Alzey-Ried, verweist zudem auf die Spenden- und Sponsoringaktivitäten der Sparkassen. "Bei uns sind das 1,6 Millionen Euro im Jahr. Das kommt ja auch gemeinnützigen Einrichtungen zugute." Insgesamt müssten sich die Institute mit Blick auf die Zinsentwicklung auf sinkende Erträge einstellen und Puffer aufbauen.
Der Landesrechnungshof Hessen hat die Praxis unterdessen schon vor Jahren kritisiert. Es gehe nicht darum, die Sparkassen zu mästen, sondern darum, die klammen Städte und Gemeinden zu entlasten. Im Jahr 2010 etwa hätten sich die hessischen Kommunen "bis zu 97 Millionen Euro" auszahlen lassen können. Und bekamen nur 20,2 Millionen Euro. "Die Handlungsspielräume der Kommunen werden beschnitten", sagt Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs.
Die häufig ahnungslosen Kommunen sollten sich endlich schlau machen, "ob und in welcher Höhe die wirtschaftliche Gesamtsituation ihrer Sparkassen Abführungen zulässt", heißt es auch in einem Bericht des niedersächsischen Rechnungshofs. In Baden-Württemberg wiederum ist der Landesrechnungshof nach eigenen Angaben gar nicht befugt, die Sparkassen zu überprüfen.
Nach einer Auswertung von correctiv sind viele Sparkassen mit viel Eigenkapital ausgestattet. 2014 lag die Gesamtkapitalquote der Institute demnach bei durchschnittlich 16,6 Prozent - das ist doppelt so hoch als die vorgeschriebenen acht Prozent. Der Wert gibt an, welcher Anteil der Risiken in einer Bankbilanz durch Eigenmittel abgedeckt ist.
Kredite in Krisenzeiten
Bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord lag die Quote 2015 bei 15,83 Prozent. Eine Ausschüttung gab es nicht. Dort sieht man auch keine Notwendigkeit, auf eine Beteiligung am Gewinn zu pochen. "Sparkassen sind Anstalten des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgabe ist es nicht, Gewinnmaximierung zu betreiben und Ausschüttungen für kommunale Träger zu erwirtschaften", sagt Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Rhein Neckar Nord. Weinheim ist neben Mannheim und weiteren Kommunen Träger der Bank. Vielmehr müssten die Sparkassen die Wirtschaft auch in Krisenzeiten mit Krediten versorgen. Dafür bräuchten sie entsprechende Rücklagen. "Eine vollständige Einstellung des Jahresüberschusses in die Sicherheitsrücklage ist deshalb unerlässlich."
"Aus den Erfahrungen der Vergangenheit legen wir großen Wert auf ein stabiles Institut mit guter Eigenkapitalausstattung. Wir sind heute sehr froh, dass die Sparkasse Rhein Neckar Nord Jahr für Jahr Reserven bilden kann. Das wird möglicherweise in naher Zukunft gar nicht mehr so selbstverständlich sein", sagt auch Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, der als stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat des Instituts sitzt.
Die frühere Sparkasse Mannheim war vor Jahren in Schieflage geraten und durch die Fusion mit der Sparkasse Weinheim zum Institut Rhein Neckar Nord gerettet worden. Ein Sprecher der Bank verwies gestern darauf, dass sie aus der Sanierung der ehemaligen Sparkasse immer noch Verbindlichkeiten bei der Stadt und dem Sparkassenstützungsfonds habe. Wie hoch diese sind, sagte er nicht. Neben den steigenden Kapitalanforderungen sei dies aber auch ein Grund, warum man nichts an die Träger ausschüttete.
Jonathan Sachse ist Reporter des Recherchezentrums Correctiv.org. Die Correctiv-Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Sie will Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie deren Arbeit unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen unter http://correctiv.org/unterstuetzen.
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