Rhein-Neckar. Das Geld ist vorhanden, aber es kommt nicht in den Kassen des Einzelhandels an. Auf diese stark verkürzte Formel lässt sich die Kaufkraftanalyse zusammenfassen, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) am Donnerstag vorgestellt hat. Die darin enthaltenen Zahlen sind eine Prognose auf das laufende Jahr.
„Der erhoffte Sektkorkeneffekt nach Ende der allermeisten Corona-Auflagen ist ausgeblieben. Durch den Russland-Ukraine-Krieg ist das Konsumklima eingebrochen, und Preissteigerungen können nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden“, ordnet IHK-Präsident Manfred Schnabel die Zahlen ein.
Im Bezirk der IHK Rhein-Neckar ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft um 2,5 Prozent gegenüber 2019 gestiegen, die allgemeine Kaufkraft sogar um 7,3 Prozent. Davon profitiert der Einzelhandel aber nur begrenzt: Der Umsatz ging um 5,9 Prozent zurück, die Kaufkraftbindungsquote um 7,6 Prozent. Sie liegt nun bei 85 Prozent und damit über dem Landes- (79) und Bundesschnitt (82). Das bedeutet, dass im Rhein-Neckar-Kreis 15 Prozent der Kaufkraft anderswo als vor Ort ausgegeben werden.
„Dramatische Auswirkungen“
Das Zugpferd der Region ist weiterhin Mannheim. Allerdings bereitet der IHK die Innenstadt mit dem Postleitzahlbezirk 68161, der innerhalb der Stadt noch einmal einzeln betrachtet wird, Sorge. Zwar liegt der Bezirk mit der Einkaufsmeile Planken beim Umsatz bundesweit immer noch auf Platz 11 der umsatzstärksten Postleitzahlbezirke (von 8170). Allerdings ist dort der Einzelhandelsumsatz um 24,5 Prozent und die Kaufkraftbindungsquote um 28 Prozent gesunken. „Es ist ein Rückgang auf hohem Niveau“, erklärt Schnabel, die Kaufkraftbindung sei immer noch deutlich höher als im Durchschnitt. „Trotzdem sind die Auswirkungen hier besonders dramatisch.“
Für Schnabel ist das ein Zeichen dafür, dass Umsätze aus dem Umland fehlen. Mannheim zieht mehr als 90 Prozent der in der City gemachten Umsätze von auswärts an. Die Auswirkungen des Onlinehandels - sein Marktanteil liegt bundesweit unter 15 Prozent - seien vergleichsweise gering, und auch mit Corona habe der Rückgang relativ wenig zu tun. Der IHK-Präsident führt das Minus auf die Verkehrssituation in Mannheim und Ludwigshafen zurück.
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Für Südhessen fehlen aktuelle Zahlen
In Heidelberg, wo beinahe traditionell mehr Kaufkraft der eigenen Bevölkerung abfließt, als Kaufkraft von außerhalb am Standort gebunden wird, fällt der Rückgang ebenfalls hoch aus. Der Einzelhandelsumsatz sank um acht, die Kaufkraftbindungsquote um 7,7 Prozent. Dagegen zeigt in Schwetzingen die Entwicklung in eine andere Richtung: Der Einzelhandelsumsatz ist um 6,1 Prozent, die Kaufkraftbindungsquote um 2,6 Prozent gestiegen. Dort gibt es mehrere Fachmärkte (Höffner, Hornbach, Decathlon) am Stadtrand mit kostenlosen Parkplätzen. „Das zeigt, wie wichtig eine gute Erreichbarkeit ist, um Kaufkraft zu halten“, sagt Schnabel.
Im Neckar-Odenwald-Kreis legt die Kaufkraft ebenfalls zu, doch auch dort profitiert der lokale Einzelhandel nicht davon, weil die Umsätze deutlich dahinter zurückbleiben. Nur Buchen und Mosbach kommen auf Kaufkraftbindungsquoten über 100 Prozent und generieren damit mehr Umsätze aus dem Umland.
Bei der IHK Darmstadt-Südhessen liegen laut eines Sprechers noch keine aktualisierten Zahlen vor. „Die Inflation hemmt die Kaufkraft, Investitionen werden auf die lange Bank geschoben.“ Die IHK Heilbronn-Franken konnte am Donnerstag keine näheren Angaben zur Kaufkraft machen. Wegen des Ausfalls ihrer IT-Systeme sei kein Zugriff auf die Daten möglich, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage.
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