Rhein-Neckar. Der Einzelhandel in Deutschland spart Energie. Dazu wird er seit 1. September über die neue Energiesparverordnung der Bundesregierung gezwungen. Diese verbietet zum Beispiel den Betrieb „beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetags“ oder die dauerhafte Öffnung der Ladentüren und Eingangssysteme, so dass Heizwärme verloren geht. Viele Unternehmen gehen aber noch einen Schritt weiter. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung schalten erste Kaufhäuser sogar schon die Rolltreppen ab, um Strom zu sparen.
Davon ist in Mannheim fast nichts zu sehen. Ob bei C&A, Peek & Cloppenburg, Appelrath-Cüpper, Drogerie Müller, Engelhorn oder im Quartier Q 6 Q 7, überall sind die Anlagen in Betrieb. Eine Ausnahme bildet die Galeria-Filiale. In dem siebengeschossigen Kaufhaus gibt es zwischen Erdgeschoss und zweitem Obergeschoss eigentlich zwei Rolltreppen in jede Richtung. Damit ist seit ein paar Tagen Schluss. Es führen zwar weiterhin Rolltreppen von ganz unten nach ganz oben und andersherum. Die zweite Anlage, die drei Etagen des Kaufhauses parallel versorgt, hat das Unternehmen aber abgeschaltet. Ein Hinweisschild informiert die Kundschaft: „Diese Rolltreppe ist nicht defekt. Diese Rolltreppe trägt derzeit zum Klimaschutz und zur Senkung des Energieverbrauchs bei. Bitte benutzen Sie eine andere Rolltreppe oder einen Fahrstuhl.“
Teure Warenkühlung und Beleuchtung
- Einkaufen funktioniert am Besten in Wohlfühlatmosphäre. Der deutsche Einzelhandel gibt deshalb Jahr für Jahr viel Geld aus für angenehme Temperaturen, gute Beleuchtung und Bequemlichkeit in Supermärkten und Warenhäusern. Doch angesichts explodierender Energiekosten und des drohenden Gasmangels muss die Branche jetzt auf die Bremse treten und sparen. Die Herausforderung dabei: Der Kunde soll davon nichts merken.
- Tatsache ist: Energie ist ein großer Kostenblock im Einzelhandel. Allein die Rewe-Supermärkte verbrauchen nach Angaben des Unternehmens soviel Strom wie 750 000 Haushalte – rund die Hälfte für die Kühlung von Waren, ein weiteres Viertel für die Beleuchtung. Die durchschnittlichen Energiekosten für einen 1000 Quadratmeter großen Supermarkt hätten sich durch die Energiepreiserhöhungen bereits von 80 000 Euro im Jahr auf 140 000 Euro erhöht, sagte Rewe-Chef Lionel Souque diese Woche bei der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Mit ähnlichen Kostenexplosionen dürften auch alle anderen großen Handelsketten zu kämpfen haben.
Einige Kunden reagieren darauf etwas verdutzt: „Klimaschutz - aha“, murmelt eine Frau im Vorbeigehen. „So ein Quatsch“, sagt ein Mann. Details zu der Sparmaßnahme sind von der Pressestelle des Unternehmens in Essen nicht zu bekommen. Zum wiederholten Male hat Galeria auf eine Anfrage dieser Redaktion nicht reagiert. Auch Peek & Cloppenburg, Müller und das Outlet Wertheim Village lassen die Anfragen unbeantwortet. Andere geben sich auskunftsfreudiger.
Rolltreppen intelligent gesteuert
„Schon alleine aus Kostengründen achten wir bereits seit der Eröffnung von Q 6 Q 7 darauf, wo möglich Energie einzusparen“, sagt ein Sprecher von Q 6 Q 7. Dies gelte in der jetzigen Situation umso mehr. „Unsere Rolltreppen beispielsweise laufen nicht im Dauerbetrieb, sondern sind mittels intelligenter Steuerung nur dann aktiv, wenn sie auch tatsächlich von Gästen genutzt werden.“ Man versuche, den Energieeinsatz kontinuierlich zu optimieren. Da das Quartier erst 2016 eröffnet wurde, seien die Geräte ohnehin sehr energiesparend.
Ähnlich handelt das Loop 5 in Weiterstadt, wie Centermanager Thomas Haeser erläutert. Im Zuge eines Umbaus in den vergangenen Jahren habe der Energieverbrauch reduziert werden können. Bis Jahresende soll das Center komplett auf LED-Beleuchtung umgerüstet sein. Heizkessel und Kälteanlage seien auf einem modernen und effizienteren Stand, die Innentemperatur werde von 22 auf 19 Grad reduziert. „Darüber hinaus wird es keine Maßnahmen geben, die die Mobilität der Kunden im Center und damit die Aufenthaltsqualität einschränken“, stellt Haeser klar.
„Wir können Ihnen versichern, dass alle unsere Center-Fahrtreppen innerhalb der Öffnungszeiten in Betrieb sind, somit gibt es diesbezüglich keine Beeinträchtigungen für unsere Besucher und Kundinnen“, teilen Patrick Steidl, Center-Manager der Ludwigshafener Rhein-Galerie, und Dennis Donnerstag, technischer Manager der Stadtgalerie Heilbronn, mit. In Randzeiten, wenn die Center zugängig, aber die Läden geschlossen sind, seien vereinzelte Fahrtreppen nicht in Betrieb. Um Energie zu sparen, würden die Gebäude außerdem weniger gekühlt und Beleuchtung abgeschaltet, „wo dies nicht unbedingt erforderlich ist“. Die Sicherheit von Kunden sowie Mitarbeiterinnen sei weiterhin stets gewährleistet, alle gesetzlichen Regelungen und Vorgaben wie zum Arbeitsschutz würden eingehalten.
Test über 60 Tage
Das betont auch eine Sprecherin von Ikea. Und weiter: „Je nach technischen Gegebenheiten steuern wir die Rolltreppen in unseren Einrichtungshäusern nach Frequenz. Dies bedeutet, dass sie nur bei Bedarf Energie verbrauchen. Jedoch stellen wir nicht generell den Betrieb der Rolltreppen ein.“
C&A erklärt, für alle deutschen Filialen ein einheitliches Konzept abgestimmt zu haben. „Zu den Maßnahmen zählen auch der reduzierte Betrieb der Kälte- und Wärmeanlagen während der Öffnungszeiten sowie das Abschalten der Rolltreppen und der Schaufensterbeleuchtung außerhalb der Öffnungszeiten.“
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MediaMarktSaturn hat ein Konzept entwickelt, mit dem zunächst in bundesweit rund 60 Märkten verschiedene Energiesparmaßnahmen über 60 Tage getestet werden, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Dazu gehörten eine Reduzierung der Beleuchtung sowie Anpassungen der Raumtemperatur. Die Märkte dürften weitere, individuelle Maßnahmen zur Energieeinsparung treffen. „Dazu gehört auch die Entscheidung einzelner Märkte, ihre Rolltreppen teilweise stillzulegen.“
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