Finanzen - Bei zahlreichen Banken müssen Sparerinnen und Sparer inzwischen ein Verwahrentgelt zahlen / Sparkasse schreibt Kunden an

Immer mehr Banken verlangen Negativzinsen - auch in Mannheim und Umgebung

Von 
Tatjana Junker
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Mannheim. Negativzinsen treffen Sparerinnen und Sparer immer häufiger: Allein im Jahr 2021 haben laut einer Erhebung des Verbraucherportals Biallo.de fast 300 Banken ein sogenanntes Verwahrentgelt für Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten eingeführt. Fällig wird bei den meisten Instituten eine Gebühr von 0,5 Prozent pro Jahr.

Auch die Sparkasse Rhein Neckar Nord hat gerade erst rund 3000 Kundinnen und Kunden angeschrieben, um mit ihnen ein Verwahrentgelt zu vereinbaren. Zwar gilt das Entgelt für Tagesgeld- und Girokonto-Guthaben ab 100 000 Euro bei dem Institut schon seit Anfang 2020. Allerdings hätten bisher nicht alle Betroffenen auf die Bemühungen der Bank reagiert, dazu eine individuelle Vereinbarung zu schließen. Sie seien deshalb nun noch einmal kontaktiert worden. Bei anderen habe das Guthaben erst jetzt die Grenze von 100 000 Euro erreicht. Die Sparkasse verweist darauf, dass das Thema nur einen kleineren Kreis betreffe. „Die meisten unserer Kundinnen und Kunden werden vom Verwahrentgelt nicht berührt“, heißt es. Mit vielen Betroffenen habe man bereits eine „einvernehmliche Lösung“ gefunden. Je nach persönlicher Situation habe man individuelle, befristete Sonderfreibeträge vereinbart - beispielsweise, wenn eine Kundin plane, bald eine Immobilie zu erwerben und daher kurzfristig viel Geld auf dem Girokonto habe.

Kritik von Verbraucherschützern

Trotzdem kommt der Vorstoß des Instituts nicht bei jedem gut an: „Dass die Sparkasse selbst langjährigen Kunden gleich mit der Kündigung droht, ist schon starker Tobak“, ärgert sich ein Leser, der den Brief bekommen hat. In dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, heißt es: „Selbstverständlich ist es Ihr gutes Recht, dem Verwahrentgelt nicht zuzustimmen.“ In dem Fall müsse die Bank aber prüfen, ob sie „die Geschäftsbeziehung fortführen“ könne oder beenden müsse.

Bei der VR Bank Rhein-Neckar wird für größere Guthaben seit 2020 ebenfalls ein Verwahrentgelt fällig - Sparerinnen und Sparer müssen im Jahr 0,5 Prozent bezahlen. Je nach Kontomodell seien bis zu 100 000 Euro frei. „Unser Beraterteam prüft auf Wunsch mit den Kunden, welches die beste Lösung für sie ist“, sagt ein Sprecher der Bank.

Verbraucherschützer fürchten unterdessen, dass Banken Gespräche über das Verwahrentgelt nutzen, um Kundinnen und Kundinnen Produkte zu verkaufen, die für die Bank lukrativer sind. „Diese Produkte sind möglicherweise mit Kosten verbunden, die höher sind als das Verwahrentgelt - und im Zweifel sind sie auch noch riskanter“, warnt Niels Nauhauser. Er leitet die Abteilung Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dort schlagen im Moment viele Anfragen und Beschwerden zum Thema Negativzinsen auf.

"Argument ist Augenwischerei"

„Natürlich kann man das Angebot zu einem Beratungsgespräch annehmen. Die Frage ist nur, ob man danach besser dasteht als vorher“, sagt Nauhauser. Betroffene könnten sich stattdessen selbst auf die Suche nach Alternativen machen und zum Beispiel zu einer Direktbank wechseln: „Es gibt durchaus noch gebührenfreie Girokonten“, sagt Nauhauser. Auch Festgeld oder Sparbriefe könnten eine Option sein.

Bei Biallo.de hat man ebenfalls den Eindruck, dass Geldinstitute das Verwahrentgelt nutzen, um Kundinnen und Kunden zu Produkten zu bringen, mit denen die Bank gute Geschäfte macht. „Nach unseren Informationen bekommen Betroffene eben keine kostengünstigen ETF angeboten, sondern oft hauseigene Produkte mit hohen Provisionen“, sagt Sebastian Schick, Chefredakteur bei dem Verbraucherportal.

Die Banken begründen die Verwahrentgelte unterdessen in der Regel damit, dass sie selbst dafür bezahlen müssen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) „parken“. „Dieses Argument ist aus unserer Sicht ein Stück weit Augenwischerei“, sagt Schick. Die Geldinstitute würden dabei verschweigen, dass ihnen die EZB seit Oktober 2019 umfangreiche Freibeträge einräume.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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