Essen. Diesen einfachen Test kann jeder selbst machen: Sie suchen ein Hotel, egal, ob für den nächsten Familienurlaub, die Geschäftsreise oder den Städtetrip mit Freunden. Weil Sie keinen Geheimtipp kennen, soll ein Vergleichsportal im Internet helfen. Schnell sind alle Infos eingegeben und das Onlineportal spuckt eine Rangliste aus. Und jetzt seien Sie ehrlich: Würden Sie über das zehnte, vielleicht auch das zwanzigste Hotel in der Liste hinaus suchen? Die Mehrheit vermutlich nicht. Das Problem: Solche Ergebnislisten sind immer häufiger gekauft.
Um 25 Plätze verbessert
Dem Rechercheverbund Correctiv.org liegt der Mitschnitt eines Telefonates vor, in dem ein Mitarbeiter des Hotelportals HRS bei einem Hotelier anruft und diesen überredet, HRS für einen bestimmten Zeitraum eine höhere Provision auf jede Hotelbuchung zu überweisen. Dafür verspricht das Vergleichsportal einen besseren Platz im Ranking. Erst als der Hotelier dem sogenannten Ranking Booster zustimmte und sich mit vier Prozent mehr Provision um über 25 Plätze bis in die Spitzenränge verbesserte, hörten die Anrufe auf. Wenn er die Provision aber nicht regelmäßig weiter erhöhe, so erzählt er, wirke sich das schlecht auf seine Gesamtleistung aus.
Hoteliers können den Internetauftritt ihres Hotels in einem Ampelsystem messen. Dabei gibt es Punkte für die Qualität der veröffentlichten Fotos, die Beschreibung des Hotels, die schnelle Beantwortung von Mails - und eben auch den Ranking Booster. Ist dieser nicht auf "grün", wird dem Hotelier von HRS mitgeteilt, er würde "unterdurchschnittlich performen". HRS schürt nach Meinung des Kölner Hoteliers mit dem Ranking Booster Existenzängste.
Abhängigkeit von den Portalen
"Das ist gang und gäbe" heißt es von Hotelbetreibern. Correctiv.org hat mit zehn Hotelbetreibern gesprochen, die in einem ausgewählten Zeitraum auf Platz eins im "HRS-empfiehlt"-Ranking ihrer jeweiligen Stadt lagen. Drei von ihnen nutzten den "Booster". Zwei wollten keine Auskunft darüber geben - und keiner wollte öffentlich über den Einsatz sprechen. Als Grund nannten die Hoteliers unter anderem ihre Abhängigkeit von HRS. Sie seien auf die Buchungen über das Portal angewiesen, da könnten sie es sich nicht leisten, gegen das Unternehmen auszusagen. Das sei auch der Grund, weshalb dagegen bislang niemand vorgegangen sei.
Laut HRS-Sprecherin Britta Schumacher wird der Ranking Booster von den Hoteliers insgesamt "gut angenommen". Genaue Zahlen wollte Schumacher nicht nennen, dies seien "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse". Tatsächlich spaltet der Booster die Hotellerie: die Hotelbetreiber, die den Booster viel und gerne nutzen - vor allem große Hotelketten - profitieren davon. Die Hoteliers, die ihn nicht nutzen, klagen. Der Wettbewerb würde verzerrt vor allem kleinere Hotels können sich diese "Marketingstrategie", wie HRS den Booster nennt, nicht leisten. Pro Buchung nimmt HRS nämlich einen Preisaufschlag. Correctiv.org liegen Provisionsabrechnungen vor, in denen der Booster mit einem Aufschlag von vier Prozent berechnet wird.
Den Ranking Booster gibt es bei HRS seit 2011. Und er ist für die Nutzer des Portals nicht zu erkennen. Kein Hinweis auf "Werbung" oder "Anzeige", keine Fußnote, kein Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Das Konkurrenzportal booking.com nutzt offenbar eine ähnliche Funktion, weist darauf aber zumindest in seinen AGB hin. Auf schriftliche Fragen hat das Unternehmen bis Redaktionsschluss nicht geantwortet.
Kriterien bleiben im Dunkeln
Der fehlende Hinweis macht den Ranking-Booster bei HRS und Hotel.de anscheinend illegal. Der Nutzer erkennt nicht, dass HRS das beste Preis-Leistungs-Verhältnis vielleicht erst auf Platz 18 führt. Und die Kriterien, nach denen HRS die Liste erstellt, sind für den Besucher der Seite nicht erkennbar. Das sei aber unbedingt nötig, erklären Juristen.
Laut einem Sprecher des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Bewertungsportale anwendbar, wenn diese provisionsbasiert arbeiten. Dort heißt es, dass "unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht (. . .) und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte".
Der Sprecher bestätigt, dass ein bezahltes Ranking als Werbung gekennzeichnet werden muss, um nicht gegen das UWG zu verstoßen. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale sieht das kritisch. Von dort heißt es: "Provisionen sind ausschließlich legitim für die Vermittlung, aber nicht für das ,Erkaufen' von Rankings oder Bestenplätze in der Ergebnisanzeige."
Die durchschnittliche Provision, die Hoteliers für die Vermittlung eines Zimmers an HRS zahlen, liegt nach Angaben einer Unternehmenssprecherin bei acht bis zehn Prozent - so zumindest die telefonische Aussage. Schriftlich wollte die Sprecherin die Zahlen nicht bestätigen.
[UPDATE, 22.9.16: Einen Tag nach Veröffentlichung des oben stehenden Beitrags korrigierte sich HRS-Sprecherin Britta Schumacher schriftlich:
"Die Provision richtet sich nach den Raten und liegt zwischen 0-15%. Das liegt zum Beispiel an Raten, die Hotels bestimmten Firmen anbieten und die wir kommissionsfrei über HRS vermitteln. Nicht jedes Hotel bietet jede Rate an, daher kann man keinen Durchschnitt nennen."]
Die maximale Provision liege bei 15 Prozent, zuzüglich Ranking Booster. Auf die Frage, ob der Ranking-Booster gegen das UWG verstößt, antwortet HRS ausweichend. "Selbstverständlich beachten die Produkte und Services von HRS das geltende Recht. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass HRS darüber hinaus keine rechtliche Stellungnahme abgibt." Offenlegen möchte das Vergleichsportal den Ranking Booster nicht.
Nutzer, die sich betrogen fühlen, können sich an Verbraucherverbände wenden. Hoteliers, die einen Schaden durch das "Boosten" der Konkurrenz erlitten haben, können zivilrechtlich klagen. "Denn nur mit einem konkreten Fall vor Gericht kann dagegen vorgegangen werden", sagt Hans-Frieder Schönheit von der Deutschen Wettbewerbszentrale.
"Nutzer bestimmen selbst"
HRS bewirbt den Ranking Booster" mittlerweile offensiv. Im HRS eigenen Fachmagazin "Check in" (Ausgabe 04/2016) heißt es: "Der Ranking Booster ist ein zusätzliches Tool im Hotel-Serviceportal von HRS, mit dem sich über eine frei wählbare Zusatzkommission die Sichtbarkeit in der Hotelliste auf einen Schlag erhöhen lässt." Und weiter: "Mit Hilfe eines Schiebereglers bestimmen die Nutzer selbst, um wie viele Plätze sie ihr Haus pushen möchten. Sie können ihn jederzeit an- oder ausschalten, höher oder niedriger einstellen, für bestimmte Zeiträume oder durchgehend aktivieren."
Der HRS-Sprecherin zufolge ist der Booster noch nicht flächendeckend im Einsatz. Es ist zu vermuten, dass bald noch mehr Hoteliers Angebote von HRS bekommen - und die Rankings weiter beeinflusst werden.
Die Autoren sind Redakteure des Recherchezentrums Correctiv.org. Die Correctiv-Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Sie will Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten.
Infos unter correctiv.org
EU-Richtlinie für Ranglisten
Fast ein Viertel aller Hotelbuchungen läuft mittlerweile über Onlineportale. Das geht aus einer Studie zum "Status quo der Hoteldistribution" der Organisation europäischer Hotelbetreiber (HOTREC) hervor.
Der Konkurrenzkampf ist groß. Zwei der wichtigsten Anbieter sind HRS und Hotel.de - beide Onlineportale gehören zusammen. 2011 übernahm HRS den Konkurrenten.
Mit dem Thema Ranking Booster hat sich auch die EU-Kommission schon befasst. Im Mai 2016 veröffentlichte die Kommission eine Richtlinie, um die versteckten Ranking-Booster zu bekämpfen.
Darin wird gefordert, dass es einen Hinweis auf Werbung geben soll, wenn der Verkäufer eine Bonus-Gebühr zahlt, um weiter oben im Ranking zu erscheinen.
Außerdem fordert die EU, dass die Ranking-Kriterien offengelegt werden. Die Richtlinie wurde von verschiedenen Interessengruppen entwickelt und anerkannt. Dabei sind Portale wie Yelp und Verivox aus Heidelberg, aber auch der europäische Hotel- und Gaststättenverband sowie das italienische Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. Von der deutschen Regierung hat die Richtlinie niemand unterzeichnet. cor
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