Rhein-Neckar. Petra Althapp hat vorgesorgt. Schon vor einigen Monaten hat sie den Keller des familieneigenen Schreibwarenladens Papyrus in Bensheim „vollgepackt“ - mit Drucker- und Kopierpapier. „Meine Zulieferer hatten angekündigt, dass es zum Jahreswechsel teurer wird. Da habe ich vorher nochmal ordentlich bestellt“, sagt Althapp. Zwar würden die Preise jedes Jahr steigen. Aber mit Blick auf die aktuelle Lage auf dem Papiermarkt ist die Schreibwaren-Expertin doppelt froh, dass sie vorgesorgt hat.
Explodierende Preise, knappe Mengen - damit muss sich Sven Schwörer derzeit täglich auseinandersetzen. Er führt die Druckerei Schwörer in Mannheim. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Akzidenzdruck, also Drucksachen wie Broschüren oder Flyer, manchmal sind auch Bücher dabei.
Der Familienbetrieb mit elf Mitarbeitern ist seit Generationen im Geschäft, hat langjährige Lieferbeziehungen - aber bevor Schwörer im Moment einen neuen Auftrag zusagt, klemmt er sich erst einmal an den Hörer und telefoniert Großhändler ab: „Seit September muss ich bei jedem Auftrag schauen, wie ich das Papier dafür zusammenbekomme“, sagt er. Häufig gehe das nur durch Kompromisse, in dem er zum Beispiel auf ein anderes Format oder eine andere Papierstärke ausweiche. „Bei größeren Aufträgen bleibt mir oft nichts anderes, als die Menge bei mehreren Händlern zusammenzukaufen.“
Beim Preis muss Schwörer akzeptieren, was der Handel vorgibt - und der hat kräftig aufgeschlagen: „Im Sommer habe ich für 100 Kilo Papier noch 86 Euro bezahlt, inzwischen sind es bis zu 120 Euro.“ Die unberechenbare Entwicklung berücksichtigt er inzwischen in seinem Geschäft: „Bisher galt ein angebotener Preis für unsere Kunden drei Monate lang, jetzt sage ich ihn nur noch drei Wochen zu.“
Nicht nur Werbedruckereien, auch Zeitungsverlagen macht die schwer kalkulierbare Preisentwicklung beim Papier zu schaffen. „Anders als bisher konnten wir für 2022 keinen Jahresvertrag mit unserem Lieferanten abschließen. Die Preise werden jetzt quartalsweise verhandelt“, sagt Guido Moch, Produktionsleiter bei der HAAS Mediengruppe, in der auch der „Mannheimer Morgen“ erscheint. Zuletzt seien die Kosten durch die Decke gegangen, im ersten Quartal 2022 müsse der Verlag für Papier fast das Doppelte bezahlen als noch vor einem Jahr. Das bedeute Mehrkosten von mehreren Millionen Euro pro Jahr.
Doch was steht hinter der Papierkrise, die vielen Unternehmen das Leben schwer macht? Für eine Antwort muss man sich den Herstellermarkt anschauen. Der hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Weil die Nachfrage nach gedruckter Werbung, also Briefkastenflyern oder Anzeigenblättern, aber auch nach Zeitungspapier über längere Zeit zurückgegangen sei, hätten viele Papierfabriken Kapazitäten abgebaut, erklärt Gregor Andreas Geiger, Sprecher des Branchenverbands „Die Papierindustrie“.
Andere hätten umgerüstet und produzierten nun Pappe für den boomenden Versandhandel, der nicht nur mit steigender Nachfrage, sondern auch mit besseren Margen lockt. „Diese Kapazitäten fehlen jetzt, wo die Nachfrage nach grafischen Papieren wieder steigt, und können nicht so schnell wieder aufgebaut werden“, so Geiger.
Betroffen von der Knappheit ist nicht nur der Markt für grafische Papiere, die für Bücher gebraucht werden, sondern auch der für Zeitungspapier. Auch hier haben viele Hersteller Anlagen abgebaut oder umgestellt. „Dabei hat man vermutlich etwas zuviel gemacht“, sagt Wolfgang Palm, Geschäftsführer der Papierfabrik Palm in Aalen. Das Unternehmen gehört seinen Angaben nach zu den vier verbliebenen großen Herstellern von Zeitungspapier in Europa. „Ich bin schon viele Jahre im Geschäft, aber eine Papierknappheit wie diese habe ich in den letzten 40 Jahren nicht erlebt“, sagt Palm. Darauf kurzfristig zu reagieren, sei für die Hersteller kaum möglich: „Eine Papierfabrik produziert in der Regel schon rund um die Uhr, mehr geht einfach nicht.“
„Kosten galoppieren uns davon“
Eine schnelle Entspannung ist Palms Einschätzung nach nicht in Sicht: „Allein 2022 und 2023 gehen in Westeuropa noch einmal drei Maschinen für Zeitungspapier aus dem Markt, die für rund 20 Prozent des Verbrauchs stehen“, sagt Palm. Zwar werde auch der Bedarf weiter sinken. „Aber die nächsten zwei Jahre bleibt der Markt angespannt“, glaubt er.
Überdies ist der strukturelle Wandel der Papierindustrie nicht der einzige Faktor, der die aktuelle Situation herbeigeführt hat. Verschärft wird die Lage laut Branchensprecher Geiger durch steigende Preise für die Hersteller, die diese an die Kunden weitergeben: „Die Energie- und Rohstoffkosten galoppieren uns davon“, sagt Geiger.
So hat sich beispielsweise der Preis für Altpapier, aus dem unter anderem Zeitungspapier hergestellt wird, laut Papierfabrikant Palm im Jahr 2021 mehr oder weniger verdoppelt - nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie, die zu einer vorübergehenden Altpapierknappheit geführt habe. „Die Papierproduktion ist außerdem sehr energieintensiv, und viele Fabriken haben Gasturbinen, hängen also am Erdgaspreis, der stark gestiegen ist“, sagt Palm. Und auch der Rohstoff Zellstoff, der wiederum die Basis für Schreib- oder auch Bilderbuchpapier ist, habe sich enorm verteuert, so Verbandssprecher Geiger. Hierfür sei etwa eine stark gestiegene Nachfrage aus China verantwortlich.
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich deshalb auch auf höhere Preise für Toiletten- und Küchenpapier einstellen. „Die Rohstoffkosten sind insgesamt in den vergangenen Monaten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß angestiegen“, heißt es unter anderem beim Hygienepapierhersteller Essity, der einen großen Standort in Mannheim hat. Neben Zellstoff und Recyclingfasern hätten sich auch Energie und Transport verteuert. „Deshalb sind Preiserhöhungen unvermeidbar, und wir führen aktuell Gespräche mit unseren Handelspartnern, um die Preise anzupassen“, teilt eine Essity-Sprecherin auf Anfrage mit.
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