Justiz - Ehemaliger Auszubildender der Commerzbank muss für mehrere Jahre hinter Gitter / 340 000 Euro von Konten abgezweigt

"Hohe kriminelle Energie"

Von 
Justin Pietsch
Lesedauer: 

217.000 Euro sollen der Angeklagte und sein Komplize in einer Nacht von Automaten abgehoben haben.

© dpa

Mannheim. Eines Tages riefen seine Vorgesetzten bei der Commerzbank in Mannheim ihn zu einem Gespräch. Es war der 3. Februar 2010, ein Mittwoch, und der damalige Bank-Auszubildende, ein gebürtiger Heidelberger, sollte sich rechtfertigen. Wie er denn erklären könne, dass er auf Konten zugegriffen habe, von denen später unberechtigterweise Geld abgehoben wurde, wollten sie wissen.

Da hätte der heute 24-Jährige alles einräumen können: Dass er Zugangsdaten von anderen Commerzbank-Mitarbeitern ausgespäht hatte. Dass er damit Online-Banking für Kundenkonten beantragt hatte sowie EC-Karten. Dass er diese an Postfächer schicken ließ - und später mit Komplizen immer wieder Beträge von mehreren Tausend Euro abhob, unter anderem in Darmstadt und Mannheim.

Doch er räumte nichts ein, er gab nichts zu, er schauspielerte, wie er später im Internet prahlte, "mit ein bisschen Heulen" habe er die Vorgesetzten von seiner Unschuld überzeugen können. Erst als er vor Gericht stand, räumte er die Taten ein und beteuerte, diese zu bereuen.

Gewerbsmäßiger Computerbetrug

"Hätten Sie den Absprung damals gefunden, wir säßen heute nicht hier", sagt die Vorsitzende Richterin Claudia Kreis-Stephan gestern am Landgericht Mannheim. Doch nun sitzen sie im Gerichtssaal, der Angeklagte in weißem Hemd, darüber zunächst eine dicke Strickjacke, als wolle er sich vor dem Urteil schützen, das ihn erwartet. Die Richterin spricht von "hoher krimineller Energie" - und verurteilt den 24-Jährigen zu drei Jahre und drei Monaten Haft, unter anderem wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs sowie des Ausspähens von Daten. Der Staatsanwalt hatte vier Jahre Haft gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe. Ein Mitangeklagter Freund bekommt eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Es hatte so gut geklappt mit der Masche, da dachte niemand ans Aufhören, nicht der Hauptangeklagte, nicht die Mittäter aus dem Internet, von denen nur einer gefasst wurde. Sie hoben rund 340 000 Euro ab, aber das reichte ihnen nicht: Im Internet kündigte der Verurteilte eine "filmreife Aktion" an: "Die werden nicht verstehen, was da passiert." So kam es, dass er und sein bester Freund, als Computertechniker verkleidet, mit Schnauzbart und T-Shirt der Computerfirma HP, in eine Commerzbank-Filiale in Düsseldorf marschierten und trotz des Misstrauens der Filialleiterin sogenannte "Keylogger" an Computern anbringen konnten, um Daten der Mitarbeiter auszuspähen. Damit ließen sie sich erneut EC-Karten zusenden - doch ehe sie diese einsetzen konnten, wurden sie gefasst.

Als Bank-Auszubildender war der heute 24-Jährige nach Ansicht des Gerichts die Schlüsselfigur bei den Taten. "Er war die maßgeblich wichtige Person, er hatte Zugriff auf die Daten", sagt Richterin Kreis-Stephan. "Die anderen waren austauschbar. Er nicht."

Und dabei war er bei seinen Mitarbeitern wohlgelitten: Als engagiert und interessiert beschrieben ihn seine Vorgesetzten. Mit dem Vertrauensbruch habe er auch die Mitarbeiter belastet, sagt die Richterin. "Das ist doppelt traurig, weil Sie sich damit ein Stück weit Ihre Zukunft verbaut haben." Und auf ihn dürften hohe Forderungen der Commerzbank zukommen, die ihren Kunden den Schaden ersetzt hatte. Ob die Verteidigung Revision einlegt, ließ sie zunächst offen.

Wie es weitergeht

Der ehemalige Auszubildende der Bank muss für gut drei Jahre ins Gefängnis, zwei Monate wurden ihm wegen der Untersuchungshaft angerechnet - seine Verteidigung kann aber noch innerhalb einer Woche Revision einlegen.

"Wir werden uns das gründlich überlegen", sagte seine Rechtsanwältin nach dem Urteil.

Die Staatsanwaltschaft deutete an, keine Revision einlegen zu wollen.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen