Gefährliche Berufe - Der letzte Teil unserer Serie widmet sich dem Tierpfleger / Reinigung von Schlangenterrarium besonders brisant

Herzpochen beim Kobra-Putzen

Von 
Martin Tröster
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Vorsichtig putzt Reptilium-Chef Uwe Wünstel das Terrarium der Speikobra (im Bild links). Sie hat ihn schon einmal erwischt.

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Landau. "Uwe, er kommt." Die Warnung kommt ernst und ruhig. Vorsichtig weicht Uwe Wünstel einen Schritt von der offenen Tür des Terrariums zurück. Langsam gleitet die Königskobra den Ast hinunter, auf ihn zu. Wünstel wartet und putzt behutsam weiter. Sein Assistent hat den dreieinhalb Meter langen "Kaito" ständig im Blick. "Da pocht einem schon das Herz", sagt Wünstel, 34, gelernter Maurer, der sich mit der Gründung seines Landauer Zoos "Reptilium" einen Traum erfüllt hat.

Das Gefährliche an "Kaito" ist nicht unbedingt die Stärke seines Giftes. Gefährlich ist die riesige Menge, die er Wünstel in den Leib pumpen könnte. Gefährlich macht ihn seine Schnelligkeit: "Wenn Sie ein Fass Wasser umkippen und das Wasser fließt davon, so schnell ist ,Kaito' ", sagt Wünstel. Heute nicht. "Das war ein träger Auftritt", sagt er, als er die Glastür schließt. Dahinter steckt Kalkül. Schlangen sind wechselwarm und brauchen lange, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Deshalb wird das Terrarium morgens geputzt, mehrmals in der Woche. Das gehört zum gefährlichsten Teil des Jobs. "Bei Routinearbeiten ist die Gefahr groß, dass man nachlässig wird." Deshalb achtet noch ein Zweiter darauf, was das Tier macht.

"Vor allem, wenn die Tiere neu hier sind, haben sie viele schlechte Tage", sagt Wünstel. Die neue Umgebung, das Licht - Stress. So ein "schlechter Tag" hat Wünstel vor zwei Jahren die gefährlichste Situation seines Berufslebens beschert. "Kaito" war nach Landau gebracht worden und sollte in sein neues Terrarium verfrachtet werden. Plötzlich kam er auf Wünstel zugekrochen, bis auf einen Meter: "Es sah ganz so aus, als ob er die Nase voll gehabt hätte. Ich musste ganz still stehen bleiben." Langsam wich "Kaito" zurück.

"Bei einem Biss ist man nicht sofort tot. Bis man stirbt, dürfte es schon ein paar Stunden dauern", sagt Wünstel. Muss es aber nicht: "Vor einem Jahr hat eine Königskobra einen englischen Privathalter ins Handgelenk gebissen, in eine große Ader. Er war nach drei Minuten tot."

Für alle seine Gifttiere hat Wünstel Antisera, nur für die Königskobra nicht. "Das Gegengift wird selten hergestellt, weil es teuer ist und weil es wenige Bissunfälle gibt." Das Produzierte behielten die Asiaten größtenteils für sich. Im Ernstfall liegen in der Schweiz und in England Ampullen bereit, ein Hubschrauber würde sie einfliegen. "Also besser nicht beißen lassen", sagt Wünstel, lacht und ergänzt: "Ich werde nicht gebissen." Was vermessen klingt, ist tatsächlich noch nie eingetreten - obwohl Wünstel sich schon Giftschlangen hielt, bevor er 2004 das Reptilium gründete. Seit er selbst "Nachwuchs bekam", wie er sagt, hat er zu Hause keine Gifttiere mehr.

Faktisch arbeitet Wünstel ohne Schutzausrüstung. "Als die Sache mit Kaito passiert ist, hatte ich mehrere Hosen an. Ob das hilft, kann keiner sagen. Das ist eher ein psychologischer Schutz." Zwar gebe es Kevlar-Handschuhe, aber in denen sei man nicht sehr beweglich. Bislang ist ja alles gutgegangen - nur die Speikobra hat ihn mal erwischt.

Da reinigte er den Käfig und steckte sie dafür in eine Tonne. Der Deckel war noch nicht ganz drauf, ein schmaler Spalt war noch offen. Die Kobra spuckte ihm das Gift durch den Spalt und unter sein Visier in den Mund. "Schmeckt wie Galle", sagt Wünstel. "Solange man keine Wunde im Mund hat, passiert nix."

Seiner Frau erzähle er nicht alle brenzligen Situationen. Was er tut, weiß sie trotzdem: Sie macht die Buchhaltung und das Marketing im Reptilium, sein Vater die Lohnbuchhaltung. Sie helfen Wünstel, der nicht mehr als Maurer und Immobilien-Bauträger arbeiten wollte, sondern nur noch mit seinen geliebten Exoten. Heute ist das Reptilium laut Wünstel, "der einzige deutsche Privatzoo, der sich ohne öffentliche Zuschüsse finanziert". In freier Natur würden ihn vor allem die schnellen Mambas aus Afrika beunruhigen. Nächstes Jahr will er eine nach Landau holen. "Eine Grüne Mamba, die geht noch", sagt er und grinst.

Reptilium

Das Reptilium in Landau ist ein Terrarien- und Wüstenzoo mit etwa 130 Arten und ungefähr 1100 Tieren. Dort leben unter anderem Leguane, Krokodile, Gift- und Würgeschlangen. Gründer und Besitzer ist der 34-jährige Uwe Wünstel, ein gelernter Maurer.

Am beliebtesten sind laut Wünstel "Albert", der gelb-weiße Tigerpython (11 Jahre alt, 4 Meter lang) und "Wawa", ein Bindenwaran (17 Jahre alt, 1,70 Meter lang), den Wünstel "mehr tot als lebendig" erhalten hat. Namenspate war ein Waran aus dem Kinderbuch "Urmel aus dem Eis".

28 Voll- und Teilzeitkräfte arbeiten im Reptilium. Ein Tierpfleger verdient nach der Lehre zwischen 1400 und 1800 brutto. trös

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