Arbeitsmarkt - Zahl der Auszubildenden im Bezirk Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald sinkt / Kammer plant „Digital-Offensive“

Handwerkskammer Mannheim setzt bei Ausbildung auf TikTok

Von 
Tatjana Junker
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Die Berufspalette im Handwerk ist breit: Hier ein angehender Kaminkehrer und seine Ausbilderin. © dpa

Mannheim. Rund eine Viertel Million Fachkräfte fehlen derzeit im deutschen Handwerk, 20 000 Ausbildungsplätze sind unbesetzt, weil sich keine passenden Kandidatinnen und Kandidaten gefunden haben: Mit diesem Problem will sich auch die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald stärker beschäftigen. Denn auch in ihrem Bezirk gab es zuletzt weniger Lehrlinge: 4290 waren es insgesamt Ende des Jahres 2021, vor Ausbruch der Pandemie, im Jahr 2019, waren es noch gut fünf Prozent mehr.

„Jeder Lehrling, der heute fehlt, ist eine Fachkraft weniger in drei, vier Jahren und auch möglicherweise ein Unternehmer weniger, der sein Handwerk als Selbstständiger weiterführt“, warnt Klaus Hofmann, Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald. Nachwuchssorgen hätten unter anderem Betriebe in der Nahrungsmittelbranche wie Bäcker, Konditoren oder Metzger. Aber auch in der Elektrotechnik und im Anlagenbau fehlten Azubis.

Ein Aspekt des Problems: Durch die Corona-Krise sind die Betriebe und auch die Berufsberater und -beraterinnen der Kammer „kaum an die jungen Leute herangekommen“, sagt Hauptgeschäftsführer Jens Brandt. So mussten zum Beispiel die Werkstatt-Tage in der Bildungsakademie, an denen Schülerinnen und Schüler einige Handwerke kennenlernen können, ausfallen.

Ein weiteres Problem: Das Bild, das Schülerinnen und Schüler, aber auch deren Eltern vom Handwerk hätten, sei teilweise veraltet, glaubt Brandt. „Es herrscht zum Beispiel oft noch der Irrglaube, im Handwerk könne man nichts verdienen.“

Steigender Umsatz

  • Die 13 545 Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald haben im Jahr 2021 insgesamt 6,73 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Das waren knapp zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
  • Auch die Zahl der Betriebe insgesamt legte zu, um 1,9 Prozent.
  • Für 2022 erwartet die Kammer ein Umsatzplus zwischen drei und vier Prozent – „abhängig von Corona-bedingten Engpässen bei Material und dem allgemeinen Preisauftrieb“, so Kammerpräsident Klaus Hofmann.
  • Insgesamt arbeiten bei den Mitgliedsbetrieben in der Region rund 86 600 Menschen.

Betriebe zur Übernahme bereit

Um mit solchen Klischees aufzuräumen und junge Menschen besser zu erreichen, startet die Handwerkskammer in der Region in den nächsten Wochen eine Digital-Offensive. Das Konzept werde derzeit erarbeitet. „Die Berufsorientierung und Berufsberatung muss neu gedacht und dann zukunftsfähig aufgestellt werden“, sagt Brandt. „Wir möchten dafür Social Media und vor allem mit TikTok einen Kanal nutzen, der für die junge Zielgruppe wirklich relevant ist.“

Um die potenziellen Nachwuchskräfte wirklich abzuholen, setzt die Handwerkskammer auf „Ausbildungsbotschafter“, also Lehrlinge aus dem zweiten und dritten Lehrjahr, die mit den Schülerinnen und Schülern virtuell und in Präsenz kommunizieren sollen. „Sie können den Gleichaltrigen in der Sprache der Net Influencer, mit ihren eigenen Worten aus ihrem Alltag berichten.“ Insgesamt gehe es darum, den jungen Menschen und ihren Eltern zu vermitteln, dass das Handwerk große berufliche Chancen biete, sagt Brandt und verweist darauf, dass in den nächsten Jahren zehn bis 15 Prozent der Betriebe in der Region zur Übernahme anstehen. „Übernehme einen gut aufgestellten Betrieb, werde Dein eigener Chef und nicht nur eine Personalstelle in einer Unit“, laute das Angebot.

Neben der Sorge um Nachwuchskräfte leidet das regionale Handwerk unter den Folgen der Pandemie und gestörten Lieferketten. Kammerpräsident Hofmann vergleicht die Situation deshalb mit einer Fahrt über die Alpen: „Tunnel, Lichtblick, Tunnel, Lichtblick.“ Das spiegelt eine Umfrage unter den mehr als 13 500 Mitgliedsbetrieben wider: Im letzten Quartal 2021 waren demnach fast 70 Prozent mit ihrer aktuellen Geschäftslage „sehr zufrieden“. Immerhin rund 30 Prozent hatten wieder mehr Aufträge. Entsprechend waren viele Unternehmen gut ausgelastet, fast ein Viertel arbeitete sogar über die eigenen Kapazitätsgrenzen hinaus.

Trotzdem bleibt der Blick in die Zukunft verhalten, zu groß sind die Unsicherheiten durch Corona, Materialmangel und steigende Preise, die wiederum zum Teil die Kundschaft abschreckten - und jetzt auch noch den Krieg in der Ukraine. „Die Betriebe trauen den zwischenzeitlichen Hochs nicht“, sagt Hofmann. So erwarte rund jeder vierte Betrieb, dass sich seine Geschäfte wieder verschlechtern.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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