Frankfurt. Die Woche begann mit einem Allzeithoch von 4.078 US-Dollar je Unze. Am Dienstag folgte mit 4.177 Dollar gleich das nächste. Geschichtsträchtig findet Alexander Zumpfe, Analyst beim Edelmetallhändler Heraeus, die Entwicklung. Getrieben werde die Rally von einer seltenen Kombination aus geopolitischen Risiken, wachsender Sorge über die Weltkonjunktur und der Erwartung weiterer Zinssenkungen in den USA, registrieren Analysten von Union Investment: „Ein Umfeld, das für einen starken Goldpreis wie gemacht ist.“ Wegen der anschwellenden US-Schulden scheiden US-Staatsanleihen überdies als sicherer Hafen bei vielen Investoren zunehmend aus.
Die Spannungen zwischen den USA und China begünstigen die Flucht in sichere Anlagen
Besonders bemerkenswert an der aktuellen Preisrally sei, dass einige traditionelle Nachfragefaktoren eine Art Renaissance erleben, von denen sich der Goldpreis in den vergangenen Jahren ein Stück weit entkoppelt hatte, betont DZ-Bank-Analyst Thomas Kulp und meint damit – neben der US-Geldpolitik – auch die Performance des US-Dollars.
Silber und Platin
- Nicht nur Gold glänzt in diesen Tagen: Kaum schlechter schlägt sich im laufenden Jahr der Silberpreis – mit einem Plus von 59 Prozent. Die kleine Schwester des Goldes übersprang aktuell das bisherige Allzeithoch aus 2011 von knapp 50 Dollar.
- Anleger, die Wertsteigerungspotenzial bei Edelmetall suchen, sollten Platin im Blick behalten , empfiehlt Union Investment. Platin verbinde zahlreiche Eigenschaften von Gold wie begrenztes Vorkommen und hohe Werterhaltungskraft mit dem Umstand, dass es auch in der Industrie verwendet wird. So wird Platin häufig in Katalysatoren für Verbrennungsmotoren verbaut. Außerdem ist es auch für Brennstoffzellen und für die Wasserstoffproduktion nötig. Diese beiden Felder dürften in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger werden.
Der unmittelbare Auslöser für die aktuellen Preissprünge sind für viele Analysten aber offenbar die von US-Präsident Trump angekündigten neuen Strafzölle von 100 Prozent auf Importe aus China und die erneuten Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Diese Entwicklung habe die Flucht in sichere Anlagen ebenso verstärkt wie die anhaltende Unsicherheit durch den US-Regierungsstillstand, der inzwischen mehrere Wochen andauert und die Veröffentlichung wichtiger Wirtschaftsdaten verzögert, erklärt Zumpfe.
Experte Posthoff: Geschwindigkeit der aktuellen Rally bedenklich
Ein weiterer, sehr realer Vorteil: Gold, etwa in Münz- oder Barrenform, gehört dem Käufer. Der ist also weder Gläubiger noch Anteilseigner eines Emittenten. Das motiviert offenbar auch die Zentralbanken rund um den Globus. Allein die chinesische Notenbank habe seit dem Jahr 2023 über 350 Tonnen Gold erworben, analysiert Union Investment: „Insgesamt kommen die Zentralbanken in den vergangenen drei Jahren per annum auf etwa 1.000 Tonnen zugekauftes Gold – signifikant mehr als in den Jahren davor.“ Vor allem Zentralbanken aus den Schwellenländern, die das Ziel haben, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren, kaufen eifrig.
Was Anleger freuen dürfte: Viele Faktoren, die den Goldpreis bislang nach oben getrieben haben, bleiben bestehen, erwarten Analysten. „Die Rückkehr traditioneller Nachfragetreiber dürfte für anhaltend hohe Niveaus sorgen“, prognostiziert Kulp. Kurzfristig könnten allerdings Gewinnmitnahmen oder ein vorübergehend festerer Dollar für Korrekturen sorgen. Längerfristig profitiere der Goldpreis auch von der zunehmenden Sorge über die steigende Verschuldungsdynamik in den Industriestaaten. Neben den USA gerät dabei auch die Euro-Zone in den Fokus der Investoren.
Der beschleunigte Preisanstieg der letzten Wochen deute aber auch auf einen zunehmenden Einfluss von Spekulanten hin, warnt Alexander Posthoff vom Vermögensverwalter Bantleon in einem aktuellen Ausblick. Bedenklich erscheint ihm vor allem die Geschwindigkeit der aktuellen Rallye. Außerdem nähmen die aktuellen Rekordnotierungen bereits einige der erwarteten Entwicklungen vorweg. Die Risikoaversion, die Anleger in Gold getrieben hat, werde sich vermutlich nicht weiter verstärken, prognostiziert Union Investment. „Außerdem kommen jedes Jahr rund 3.500 Tonnen Gold neu auf den Markt, die erst abgenommen werden wollen.“
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