Mannheim/Hamburg. An der Supermarktkasse müssen Verbraucher derzeit oft ganz schön schlucken. Weil viele Lebensmittel teurer geworden sind, kostet der Wocheneinkauf einiges mehr als noch vor ein paar Monaten. Doch zu den Preiserhöhungen, die man beim Bezahlen schwarz auf weiß auf dem Kassenzettel sieht, kommt in letzter Zeit vermehrt noch eine andere Form der Verteuerung: Nämlich dann, wenn die Tüte Chips oder der Becher Kräuterquark zwar noch genau so viel kostet wie vorher - aber dafür weniger drin ist. „Shrinkflation“ nennt man das, in Anlehnung an das englische „to shrink“ - schrumpfen.
„‘Shrinkflation’, also das faktische Verteuern von Waren über eine Reduzierung der Verpackungsmenge, ist ein bekanntes Phänomen, gerade in Zeiten hoher Inflation. In den USA sehen wir das schon seit Mitte letzten Jahres in größerem Stil“, sagt Christian Vranckx, Professor für Wirtschaftsrecht und Digital Commerce an der DHBW Mannheim.
Gerade in Deutschland sei es für Hersteller schwierig, steigende Kosten an die Verbraucher weiterzugeben, weil der Lebensmittelmarkt hier durch die Discounter sehr hart umkämpft sei. „Da ist die Angst groß, den Kunden ganz zu verlieren, wenn ein Produkt teurer wird. Und da die Menschen beim Preis sensibler sind als bei der Menge, wird eben eher letztere verändert“, erklärt Vranckx. Gerade wenn sich Preise an psychologisch wichtigen Schwellen bewegten - also zum Beispiel 2,99 Euro - würden die Hersteller darauf achten, diese nicht zu überschreiten und stattdessen eher den Inhalt verringern. „Um besonders große Preissprünge zu vermeiden und Kunden dadurch möglicherweise abzuschrecken, greifen viele auch auf eine Mischung zurück: Das heißt, sie erhöhen einerseits den Preis etwas und verringern zusätzlich die Menge.“
Besonders dieses Vorgehen hat nach Beobachtungen der Verbraucherzentrale Hamburg zuletzt deutlich zugenommen, sie spricht in diesem Fall von einer doppelten Preiserhöhung. Ein weiterer aktueller Trend sei, dass von versteckten Preiserhöhungen nicht mehr vor allem Markenartikel betroffen seien, sondern zunehmend auch Eigenmarken-Produkte von Handelsketten und Discountern. „In den letzten beiden Jahren betrafen nur rund 14 Prozent der Beschwerden, die bei uns zu dem Thema eingingen, Handelsmarken. Inzwischen sind wir bei 38 Prozent“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Beispiel: Verteuerung um 33 Prozent
Ein Beispiel, das Valet und seine Kollegen in ihrer sogenannten „Mogelpackungsliste“ aufführen: Lammsteaks der Marke Jack’s Farm von Aldi. Dort seien in der Verpackung bei einem Preis von 6,99 Euro früher 400 Gramm Fleisch gewesen - inzwischen seien es bei gleichem Preis nur noch 300 Gramm, eine Verteuerung um 33 Prozent. Besonders ärgerlich aus Sicht der Verbraucherschützer: Obwohl sich der Inhalt deutlich verringert habe, sei die Verpackungsgröße unverändert. Dadurch würden viele Kundinnen und Kunden die faktische Preiserhöhung vermutlich gar nicht mitbekommen - es sei denn, sie lesen ganz bewusst die Mengenangabe.
Auf der Seite der Verbraucherzentrale Hamburg gibt es dazu eine Stellungnahme des Discounters: Dort verweist Aldi Süd unter anderem auf stark gestiegene Rohwarenkosten bei Fleisch und weitere preissteigernde Faktoren. „Die veränderte Füllmenge ergibt sich auch aus der aktuellen Verknappung der Ware. Damit wir auch künftig die Nachfrage unserer Kundinnen und Kunden mit entsprechenden Einzelportionen bedienen können, haben wir uns entschieden, diese anzupassen“, heißt es weiter.
Mit deutlich höheren Kosten argumentiert man auch beim Süßwarenhersteller Haribo, der die Liste der Verbraucherzentrale Hamburg derzeit gleich mit mehreren Produkten anführt. So haben sich zum Beispiel die bisherigen 200 Gramm-Packungen „Goldbären“ oder „Tropifrutti“ verkleinert - und beinhalten jetzt nur noch 175 Gramm.
„Als Unternehmen sind wir bereits seit Anfang des Jahres mit außergewöhnlich steigenden Kosten für hochwertige Zutaten, aber auch für Folien, Verpackungsmaterialien, Kartonage sowie Energie und Logistik im hohen doppelstelligen Bereich konfrontiert. Dies zwingt uns dazu, unsere Verpackungsgrößen und Preise anzupassen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Um die geringere Füllmenge transparent zu machen, habe man auch den Beutel sichtbar verkleinert.
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Auch das Dr. Oetker-Produkt Original Pudding Vanillegeschmack findet sich auf der Liste. Dieses habe sich im Handel von 0,89 auf 0,99 Euro verteuert. Gleichzeitig sei der Inhalt des Mehrfachpacks von bisher vier Beuteln à 37 Gramm auf drei Beutel reduziert worden, heißt es bei der Verbraucherzentrale, die auf eine Preiserhöhung von insgesamt rund 48 Prozent verweist.
Bei Dr. Oetker weist man den Vorwurf der verdeckten Preiserhöhung unterdessen zurück. Alle Sorten des Puddingpulvers habe es bereits vorher auch im 3er Mehrfachpack gegeben, nur die Sorten Vanille und Sahne habe man zusätzlich auch im 4er-Pack verkauft. Anfang März habe man das Sortiment dann vereinheitlicht - auf ausschließlich 3er-Packs. Für die wiederum habe man im Frühjahr „transparent“ die Preise erhöht, so Dr. Oetker. Das Unternehmen verweist auf massive Preissteigerungen, die u.a. aus weltweit gestiegenen Energie- und Transportkosten, unterbrochenen Lieferketten, verteuerten Rohwaren und starken Kostensteigerungen bei Verpackungen resultierten.
Verbraucherschützer Valet geht unterdessen davon aus, dass sich Supermarktkunden auch künftig auf einen Anstieg von versteckten Preiserhöhungen einstellen müssen. "Das Ende der Fahnenstange ist sicher noch nicht erreicht“, sagt er. „Die Umstellung auf neue Verpackungsgrößen beziehungsweise neue Füllmengen braucht in der Regel rund ein halbes Jahr, deshalb gehen wir davon aus, dass bis Jahresende deutlich mehr Fälle dazukommen“, so Valet. Vor allem, wenn Produkte eine veränderte Verpackung hätten oder mit „neuer Rezeptur“ gekennzeichnet seien, sollten Verbraucher schauen, ob sich der Inhalt reduziert habe, rät er.
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