Heidelberg. Jetzt sitzt er da und hat viel vor. Christian Wiens, 34 Jahre alt, T-Shirt, Jeans und Turnschuhe, erklärt: „Wir wollen die beliebteste Versicherungsmarke für junge, noch unversicherte Kunden in ganz Europa werden.“
Wiens ist einer von zwei Gründern des digitalen Versicherers Getsafe aus Heidelberg. Sein Partner heißt Marius Blaesing, 29. Vor vier Jahren nahm in Wiens’ Studentenbude alles seinen Anfang. Das Versprechen: Mit nur wenigen Klicks sollen Kunden eine Versicherung auf dem Smartphone abschließen, Vertragsdetails ändern oder einen Schaden melden. Ohne Papierkram.
Mitarbeiterzahl steigt stark
Heute ist Getsafe mit 60 Beschäftigten in einem modernen Bürogebäude in der Heidelberger Bahnstadt untergebracht. Offene Arbeitszimmer, eine Küchenzeile, ein Esstisch, ein „Wohnzimmer“ mit Couch. Jeden Donnerstagabend bestellen die Mitarbeiter Pizza und spielen gegeneinander Tischfußball. Das durchschnittliche Alter liegt zwischen 26 und 27 Jahren. Nur zwei Beschäftigte sind älter als 50. Sprache im Büro: Englisch.
Die Zahl der Kunden steigt permanent, durch Weiterempfehlung und Werbung in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram. Im Durchschnitt sind die Kunden Ende 30 und versichern sich zum ersten Mal in ihrem Leben. Anfang 2019 hat Getsafe Muhyddin Suleiman für den Vertrieb an Bord geholt, Suleiman ist ehemaliger Spitzenmanager des Wieslocher Finanzdienstleisters MLP.
Start-ups mischen derzeit den deutschen Versicherungsmarkt auf. Die sogenannten Insurtechs - eine Wortschöpfung aus „Insurance“ (Versicherung) und „Technology“ (Technik) - gehen einen Schritt weiter: Sie verkaufen und betreuen nicht nur, sondern übernehmen selbst Risiken. Getsafe misst sich schon mit Branchengrößen wie der Allianz, HDI oder Axa.
Startkapital für Neugründungen scheint es derzeit reichlich zu geben. Das belegen viele Beispiele aus der Branche. Auch Getsafe hat gerade bei einer Finanzierungsrunde 15 Millionen Euro von Investoren geholt. „Bis 2021 wollen wir in mehreren europäischen Märkten aktiv sein“, sagt Wiens. „Dazu sammeln wir in den kommenden Monaten noch mehr Geld ein.“
Schon bis zum Jahresende sollen aus derzeit 60 Mitarbeitern knapp 100 werden. Früher oder später kann sich Getsafe einen neuen Standort vorstellen. Das Unternehmen ist noch nicht profitabel. Spätestens im nächsten Jahr soll sich das ändern.
Getsafe will zunächst nach Großbritannien und Österreich expandieren. Der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU bereitet Wiens kein Kopfzerbrechen. Der Versicherungsmarkt sei größer und die Prämienvolumina höher als in Deutschland, erklärt er. Nach seinen Angaben kann Getsafe mit einer drei Jahre gültigen Lizenz das britische Geschäft von Heidelberg aus lenken.
Eigene Plattform
Stolz ist das Heidelberger Unternehmen darauf, die komplette Versicherungs-Informationstechnik (IT) selbst zu entwickeln. Sie soll deutlich leistungsfähiger sein als die „alten“ Systeme etablierter Versicherer. Die eigene Plattform sei „sparten-, währungs- und steuerunabhängig“.
Anfangs war Getsafe als digitaler Versicherungsmakler gestartet. Dann entschieden sich Wiens und Blaesing dafür, das Maklergeschäft zu verkaufen - an das Heidelberger Portal Verivox. Seit Dezember 2017 sind eigene digitale Versicherungsprodukte von Getsafe auf dem Markt: eine Haftpflichtversicherung etwa oder eine Versicherung gegen Fahrraddiebstahl. Nächstes Jahr soll eine digitale Lebensversicherung hinzukommen. Details werden gerade ausgearbeitet.
Getsafe will Policen so unkompliziert wie möglich gestalten. Beide Gründer stammen nicht aus der Versicherungsbranche - aus ihrer Sicht ein Vorteil. Blaesing ist Physiker, Wiens Wirtschaftsingenieur.
Steckbrief
- Name: Getsafe GmbH, Heidelberg
- Branche: digitale Versicherung für Privatkunden
- Gründung: 2015
- Mitarbeiter: 60
- Anzahl der Kunden: mehr als 60 000
- Durchschnittliches Alter der Kunden: 29 Jahre
- Bisherige Kapitalbeschaffung: 25 Millionen Euro.
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