Berlin. Lange Monate ging es bei der Geldanlage für die meisten Sparer hauptsächlich darum, den Schaden zu begrenzen. Doch es scheint, als könnten die Sparer aufatmen: Nach jahrelanger Durststrecke können sich auch Tagesgeldanleger endlich wieder über Zinsen oberhalb der laufenden Teuerung freuen.
„Ein positiver Realzins ist wieder möglich“, sagt Katharina Lüth von der Anlage-Plattform Weltsparen. Die positiven Aussichten beflügeln offenbar. Seit Anfang des Jahres seien in Deutschland annähernd 190 Mrd. Euro allein in Festgeldanlagen geflossen. „Nach jahrelanger Durststrecke können sich Tagesgeldanleger endlich wieder über Zinsen oberhalb der laufenden Teuerung freuen“, bestätigt der Geschäftsführer des Vergleichsportals Verivox, Oliver Maier.
Entscheidend dafür, wie viel Realzins eine Geldanlage erwirtschaftet, ist der Blick auf die zukünftige Preisentwicklung. Im Oktober lag die Preissteigerung im Vergleich zum Vorjahresmonat laut Statistischem Bundesamt bei 3,8 Prozent. Und sie soll weiter sinken: Die Bundesregierung erwartet im kommenden Jahr 2,6 Prozent und 2025 wieder gesunde 2,0 Prozent. Erstmals seit Beginn der Zinswende überstieg im September der jährliche Zinsertrag der besten Festgelder den Wertverlust durch die Inflation, erklärt Lüth.
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Immerhin 16 Banken bieten inzwischen schon Tagesgeldzinsen auf gleicher Höhe oder sogar über dem aktuellen Inflationsniveau. Das zeigt eine exklusive Auswertung des Vergleichsportals Verivox. Allerdings handelt es sich es sich oftmals um Neukundenofferten mit befristeten Sonderkonditionen, warnt Oliver Maier: „Solche Angebote lohnen sich besonders für Sparer, die bereit sind, ihr Geld gelegentlich umzuschichten und zu einer anderen Bank zu wechseln, sobald die Neukundenkonditionen auslaufen. Wer nicht regelmäßig wechseln möchte, achtet beim Zinsvergleich am besten auf attraktive Bestandskundenkonditionen.“
Mehr als vier Prozent möglich
Wer bereit ist, sein Geld für einen längeren Zeitraum fest anzulegen, erhält höhere Zinsen als beim Tagesgeld und sichert sich außerdem die aktuell sehr hohen Zinsen für einen längeren Zeitraum. „Festgelder mit zwei Jahren Laufzeit bringen in der marktweiten Spitze aktuell 4,65 Prozent Zinsen“, rechnet Verivox vor: „Bei diesem Zinssatz summieren sich die Zinseinnahmen einer Anlage von 10 000 Euro auf insgesamt 952 Euro.“
Bei Top-Anbietern seien vier Prozent sogar unbefristet möglich: „Wer 10 000 Euro zu diesen Konditionen ein Jahr lang anlegt, kassiert insgesamt 344 Euro mehr Zinsen als bei einer durchschnittlich verzinsten Tagesgeldanlage bei den Sparkassen und Volksbanken. Die zahlen im bundesweiten Durchschnitt aktuell nur 0,56 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld“, so Maier. Es sei davon auszugehen, dass die künftigen Realzinsen für Sparer bei Anlage mehrjähriger Festgelder positiv sein werden, prognostiziert auch Moritz Felde, Geschäftsführer beim Vergleichsportal Check 24.
„Die Frage, die sich Verbraucher grundsätzlich vor jeder Geldanlage stellen sollten, ist, wie viel Geld sie für einen gewissen Zeitraum wirklich zur Seite legen können“, warnt allerdings Katharina Lüth von Weltsparen. Für Geld, welches mittelfristig vielleicht gebraucht werde, sei ein Tagesgeldkonto die richtige Entscheidung.
Etwa drei Netto-Gehälter sollten auf einem Tagesgeldkonto zurückgelegt werden, um kurzfristig unerwartete Ausgaben bestreiten zu können, rät sie. „Ein Fehler wäre es sicherlich, alles verfügbare Geld auf mehrere Jahre festzulegen, um dann für die Autoreparatur einen teuren Konsumentenkredit aufnehmen zu müssen.“ Ein Fehler ist es ihrer Empfehlung nach aber auch, Rücklagen auf dem nicht-verzinsten Girokonto zu parken: „In Deutschland liegt immer noch sehr viel Geld unverzinst auf den Girokonten.“
Vor jeder Entscheidung sollten Anleger Angebote gründlich vergleichen, empfiehlt Maier. Lüth rät, nicht nur bei der Hausbank zu schauen. Ratsam sei, sich bei der Auswahl im Rahmen der jeweiligen Einlagensicherung zu bewegen, in der Einlagen bis zu 100 000 Euro je Kunde und Bank garantiert sind.
EZB könnte Zinsen senken
Festverzinsliche Wertpapiere mit längerem Anlagehorizont von zwei bis drei Jahren hält Lüth für eine gute Möglichkeit, sich Zinsvorteile zu sichern. „Vieles spricht dafür, dass die EZB die Zinsen erst einmal nicht weiter erhöhen, und mittelfristig - etwa gegen Mitte des kommenden Jahres - auch wieder senken wird.“
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