Gleichstellung

Frauen müssen weiter mit der Lücke beim Lohn und bei der Rente leben

Frauen ist es in den vergangenen Jahren kaum gelungen, die Lohnlücke zu Männern zu schließen. Deshalb müssen sie besser für ihr Alter vorsorgen

Von 
Sabine Rößing
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Frauen sind weitaus häufiger in Minijobs tätig als Männer – ein Grund dafür, dass sie im Durchschnitt schlechter bezahlt werden. Allerdings besteht die Lohnlücke auch dann, wenn Männer und Frauen die gleiche Tätigkeit verrichten. © Marijan Murat/dpa

Frankfurt. Frauen haben eine höhere Lebenserwartung, verdienen in Deutschland aber im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer - das ungleiche Einkommen wirkt sich massiv auf ihre Rentenansprüche aus. Die Raisin-Finanzplattform WeltSparen hat ausgerechnet, dass Frauen mit einem durchschnittlichen Einkommen hierzulande mit 40 Jahren 185 000 Euro gespart haben sollten, um ihren Lebensstandard im Alter halten zu können. Männern würden 150 000 Euro genügen.

Raisin legt für das Beispiel einen Verdienst von 47 758 Euro pro Jahr zugrunde. Das entspreche einem monatlichen Nettogehalt von 2592 Euro. Für ihre Analyse haben die Autoren nach eigenen Angaben Durchschnittsgehälter in verschiedenen Altersklassen herangezogen. Darüber hinaus haben sie angenommen, dass zehn Prozent des Nettogehaltes ab sofort bis zum Renteneintritt gespart werden können. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern seien eklatant, betont Raisin-Finanzexpertin Katharina Lüth.

„Von Gleichberechtigung keine Spur“

Zahle eine 40-Jährige ohne Kinder in die Rentenversicherung ein, seit sie 25 ist, ergebe sich nach heutigem Stand eine gesetzliche Nettorente von durchschnittlich 1409 Euro. „Unter Berücksichtigung von Rentensteigerungen und Inflation, fehlen ihr im Schnitt damit monatlich 1240 Euro, um im Alter ihren Lebensstandard halten zu können“, so die Analyse: „Die schlechtere Bezahlung von Frauen gegenüber den Männern während ihres gesamten Arbeitslebens kann im Alter zur großen Herausforderung werden“, sagt Lüth.

Dabei seien Auszeiten für Familiengründung und Kindererziehung oder Teilzeitarbeit noch nicht einmal berücksichtigt. Sozialwissenschaftler und Gewerkschaften warnen seit Jahren, das Frauen durch ihren zumeist immer noch höheren Zeiteinsatz für Kindererziehung oder Pflege nicht nur Gehaltsabstriche hinnehmen, sondern auch weniger in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.

„Von Gleichberechtigung keine Spur“, kritisiert deshalb der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): Zumal die Lohnlücke in Deutschland sogar noch größer ist als im Durchschnitt der EU-Länder mit 13 Prozent. Mit dem Equal Pay Day Mitte November weist die EU regelmäßig auf die schlechtere Vergütung weiblicher Arbeitskräfte hin. Ab diesem Zeitpunkt arbeiteten Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen quasi umsonst.

Zum Teil sind die Frauen an ihrer schlechteren Entlohnung selbst Schuld. Sie arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Berufen und häufiger in Teilzeit. Deshalb steigen sie auch seltener beruflich auf. Auch ihr Anteil unter den geringfügig Beschäftigten ist nach wie vor höher. „Minijobs sind überwiegend Frauensache“, kritisiert der DGB.

Doch auch wenn Frauen und Männer die gleiche Tätigkeit ausüben, verdienen Frauen im Schnitt weniger. Als bereinigter Gender Pay Gap wird die Lücke bezeichnet, die bleibt, wenn alle erklärbaren Faktoren herausgerechnet sind. „Seit der Gender Pay Gap für Deutschland erstmals im Jahr 2006 berechnet wurde, ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen um magere fünf Prozentpunkte geschmolzen“, kritisiert der DGB: „Wenn es in dem Tempo weitergeht, dauert es noch 61 Jahre bis zur gleichen Bezahlung“.

Bedrohlicher noch nimmt sich der Lohn-Unterschied aus, wenn man ihn auf die Lebensarbeitsleistung bezieht: Die Bertelsmann-Stiftung errechnete vor vier Jahren, dass Frauen im Leben insgesamt nur halb so viel verdienen wie Männer. „Die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sind über das gesamte Erwerbsleben hinweg größer als bisher angenommen“, analysierte die Studie.

Vor allem die Kindererziehung schmälert das Lebenserwerbseinkommen von Müttern. Auf das Einkommen der Väter wirke sich Kinder hingegen so gut wie nicht aus, betont der DGB. Mütter, die heute Mitte 30 sind, können demnach mit einem Lebenserwerbseinkommen von rund 580 000 Euro (Westdeutschland) bzw. 570 000 Euro (Ostdeutschland) rechnen: „Damit verdienen sie voraussichtlich rund 62 bzw. 48 Prozent weniger als Männer“.

Bruttostundenverdienst legt bei Frauen stärker zu

Immerhin nimmt die Verdienstungleichheit auch laut Statistischem Bundesamt (Destatis) langsam ab. Das liegt nach Analyse der Hans-Böckler-Stiftung vor allem daran, dass die Bruttostundenverdienste der Frauen stärker stiegen als die der Männer. Der „Gender Hours Gap“, der sich auf die bezahlten Arbeitsstunden bezieht, verringerte sich gegenüber 2014 um drei Prozentpunkte, von 21 Prozent auf 18 Prozent. Auch die von Männern geleisteten Arbeitsstunden nahmen von 154 Stunden im Jahr 2014 auf 148 im Jahr 2023 ab. Bei den Frauen blieben sie nahezu konstant.

Insgesamt nahm die Erwerbsbeteiligung von Frauen stärker zu als die der Männer. Im Jahr 2014 waren laut Böckler-Stiftung 69,3 Prozent aller Frauen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig, neun Jahre später waren es 73,0 Prozent. Der Gender Employment Gap sank damit von elf Prozent auf neun Prozent.

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