Mannheim. Herr Schick, Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Deutschen nach den Turbulenzen in den USA und in der Schweiz versprochen, dass ihre Bank-Einlagen sicher sind. Warum hat er das getan?
Gerhard Schick: Offensichtlich sah der Kanzler die Notwendigkeit, das zu betonen. Schon das zeigt, dass die Verunsicherung mit Händen zu greifen war.
Aber in Deutschland droht doch gar keine Gefahr.
Schick: Ich sehe keinen konkreten Anlass, warum sich aktuell Sparer in Deutschland Sorgen machen müssten. Wir müssen uns jetzt tatsächlich nicht um einzelne Institute Sorgen machen. Aber das Grundproblem, das drei US-Geldinstitute in die Pleite gestürzt hat, lässt natürlich auch die Banken, Sparkassen und Versicherungsunternehmen in Deutschland nicht kalt: Ihre Wertpapierbestände in den Depots haben massiv an Wert verloren. Die Sicherheitspuffer der Banken werden also kleiner. Auch deshalb sollten wir die jüngste Krise nicht unterschätzen und die Fehler schleunigst abstellen.
Gerhard Schick
- Gerhard Schick (geboren 1972 in Hechingen) studierte Volkswirtschaftslehre und promovierte 2002 an der Universität Freiburg in Finanzwissenschaft.
- Er war von 2005 bis Ende 2018 Grünen-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Mannheim.
- Im Sommer 2018 gründete Schick die Bürgerbewegung Finanzwende und gab sein Mandat zurück.
Welche denn?
Schick: Vielleicht wären die US-Banken gar nicht pleite gegangen, wenn die Regierung Trump die nach der Finanzkrise 2008/2009 eingeführten Stresstests nicht wieder abgeschafft hätte. Aber nicht nur in den USA wurde die Regulierungsleine wieder kürzer. Die Fast-Pleite der Credit Suisse zeigt ein anderes fatales Versäumnis auf: Ursprünglich sollten ja die Banken als Lehre aus der Finanzkrise wieder kleiner werden. Deshalb war eine Abtrennung des besonders riskanten Investmentbankings vom Kredit- und Einlagengeschäft geplant. In diesem Bereich produzierte die Credit Suisse bekanntlich die meisten Skandale. Aber die Großbanken haben ein solches Gesetz verhindert.
Entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Schweizer UBS, die in der Finanzkrise selber gerettet werden musste, jetzt die Credit Suisse zu einem Schnäppchenpreis geschluckt hat?
Schick: Da ist eine gewisse Ironie dabei. Es zeigt aber auch, wie prekär die Lage inzwischen für die Schweiz ist. Es ist nicht sicher, ob die Schweiz es beim nächsten Mal noch packt. Die neue UBS ist jetzt dreimal so groß wie die Credit Suisse. Ich hoffe deshalb, dass die Wettbewerbsbehörde sie zwingt, sich von großen Teilen wieder zu trennen. Nur zum Vergleich: Die Bilanzsumme der fusionierten UBS ist mehr als doppelt so groß wie die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz.
Stabilere Banken sichern langfristig die Kreditvergabe.
Hat sich die Schweizer Regierung bei diesem Deal übernommen?
Schick: Gute Frage. Die Schweizer Regierung hat jetzt ein Risiko von neun Milliarden Franken abgedeckt. Und die Nationalbank hat 200 Milliarden Franken an Liquidität bereitgestellt. Die Schweizer Bevölkerung ist aber etwa neun Mal kleiner als Deutschland. Auf Deutschland übertragen wäre das so, als hätte die Ampel-Koalition 81 Milliarden Euro an Risiken der Deutschen Bank übernommen. Da sind also für Schweizer Verhältnisse gewaltige Summen im Spiel.
Die Schweizer Regierung handelte aber unter großer Zeitnot. Nach Angaben ihres Finanzministers wäre die Credit Suisse einen Tag später pleite gegangen.
Schick: Das ist ja das Schlimme. Eigentlich war man ja vorbereitet. Es gab Tausende Seiten große Abwicklungs- und Rettungspläne, die nach der Finanzkrise 2008 beschlossen und in den USA, in Europa und in der Schweiz umgesetzt wurden. Das sind die sogenannten Bankentestamente. Im Fall der Credit Suisse hat sich jetzt gezeigt, dass diese Papiere nur für den Papierkorb geschrieben wurden. Die vorbereiteten Pläne wurden nicht umgesetzt, weil diese Banken zu groß und zu vernetzt sind.
Systemrelevant halt.
Schick: Genau. Deshalb gibt es als Alternativen dann eben nur die Verstaatlichung oder wie jetzt in der Schweiz die Fusion, allerdings nur mit staatlichen Garantien. Deshalb müsste jedem klar sein: Banken dürfen nicht so groß sein, sie müssen kleiner werden, weil sie sonst zu gefährlich sind. Die größten Banken der Welt sind nämlich seit 2008 noch größer statt kleiner geworden.
Auf die Silicon Valley Bank trifft das aber doch nicht zu.
Schick: Das ist richtig. Deshalb dürfte die Tatsache, dass eine mittelgroße US-Bank umkippt, Ihrer Zeitung normalerweise nicht einmal eine Meldung wert sein. Dass sie es doch ist, zeigt, wie labil das ganze internationale Finanzsystem ist.
Dazu beigetragen hat auch die spezielle Klientel der Silicon Valley Bank. Diese stammt aus der Start-up-Branche und hat praktisch per Twitter den ersten digitalen Bank Run überhaupt ausgelöst.
Schick: In der Tat läuft so etwas heute schneller ab als früher. Dennoch, diese Pleite ist vor allem ein Beleg dafür, dass der gesamte Bankensektor so wackelig aufgestellt ist, dass immer eine gewisse Ansteckungsgefahr besteht.
Der Verlustpuffer der Banken ist einfach nicht groß genug.
Wie kann man aus dieser Ansteckungsgefahr herauskommen?
Schick: Der Verlustpuffer der Banken ist einfach nicht groß genug. Jedes normale Unternehmen hat eine Eigenkapitalquote von durchschnittlich 30 Prozent, bei Banken sind es oft nur rund fünf Prozent. Es gibt keinen anderen Sektor, der mit einem solch niedrigen Eigenkapital ausgestattet ist, wie ausgerechnet die Banken, ohne die in der Wirtschaft nichts geht. Aus dieser Schieflage müssen wir heraus.
Wie müsste denn die Eigenkapitalquote ausfallen?
Schick: Das Eigenkapital müsste mindestens bei zehn Prozent liegen. Die Credit Suisse hatte nur 5,4 Prozent. Und alle haben gesagt, sie sei ausreichend finanziert gewesen. Die meisten Menschen, die einen Kredit wollen, würden mit 5,4 Prozent Eigenkapital von ihrer Bank wieder nach Hause geschickt. Zu recht. Aber die Banken selber meinen, dass das für sie ausreichend sei. Der Grund ist klar: Sie wollen keine Abstriche von ihren Gewinnen machen.
Die Manager könnten ja auf einen Teil ihrer Boni verzichten.
Schick: Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Mit Blick auf die Credit Suisse zieht es einem ja die Schuhe aus. Die Bank hat in den vergangenen zehn Jahren einen Verlust von 3,2 Milliarden Franken gemacht. In derselben Zeit kassierten die Manager Boni in Höhe von unglaublichen 32 Milliarden Franken.
Wie bitte?
Schick: Sie haben richtig gehört. 32 Milliarden. Praktisch als Belohnung für die hohen Verluste. Dabei handelt es sich bei der Credit Suisse ja um eine Bank, die ständig Skandale und ein schlechtes Risikomanagement hatte. Aber bei den Bonuszahlungen haben die Manager geklotzt statt gekleckert. Nach meiner Meinung darf eine Bank, die ihr Geschäft nicht im Griff hat, überhaupt keine Boni mehr auszahlen. Offensichtlich sind diese Banken ein Selbstbedienungsladen. Das müssen wir stoppen. Denn in der Schweiz müssen jetzt wohl die Steuerzahler für die möglichen Strafzahlungen aufkommen, nichts anderes bedeutet ja die Übernahme von Rechtsrisiken.
Welche Auswirkungen hat das denn alles auf die Realwirtschaft?
Schick: Ich habe jetzt auch keine Glaskugel parat. Klar ist aber: Das Argument der Banken-Lobby, je weniger Regulierung für die Banken, desto besser für die Wirtschaft, das stimmt nicht. Unsicherheit im Bankensektor schadet denen, die investieren wollen. Stabilere Banken sichern langfristig die Kreditvergabe.
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