Frankfurt. Mitte September meldete sich die DKB per Mail bei ihren Kundinnen und Kunden: Zum 1. Januar des neuen Jahres würden die Dienstleistungsverträge geändert werden, teilte die Direktbank darin mit. Unter anderem sollen Zusatzkonten künftig Geld kosten: „Da wir gerne weiterhin und auch langfristig mit Ihnen zusammenarbeiten wollen, benötigen wir hierfür Ihre aktive Zustimmung“, fügt die DKB hinzu und droht: „Wir möchten Sie schon jetzt darauf hinweisen, dass wir uns vorbehalten, die Geschäftsbeziehung (…) zu kündigen, wenn wir Ihre Zustimmung nicht erhalten.“
Kein ungewöhnliches Verhalten, betont die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Banken – durchaus nicht nur die DKB – reagieren damit auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem April 2021, welches eigentlich die Verbraucherrechte stärken sollte. Konkret hatte der BGH darin einer Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Recht gegeben. Die Verbraucherschützer wollten klarstellen, dass Änderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank nicht einfach stillschweigend dadurch wirksam werden können, dass die Kontonutzer nicht aktiv widersprechen. Die beklagte Postbank hatte eine fehlende Ablehnung als Zustimmung gewertet.
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Solche Klauseln seien flächendeckend verwendet worden, betont die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, unter anderem im Zusammenhang mit Kontoführungsgebühren oder Entgelten für Ein- und Auszahlungen. Deshalb habe die Entscheidung des BGH Auswirkungen auf die Praxis nahezu aller Banken. Betroffene Verbraucher könnten Geld von ihrer Bank zurückfordern.
Obwohl die Verbraucherzentralen hierfür sogar Musterbriefe im Internet zur Verfügung gestellt hatten, machten und machen offenbar viele Kreditinstitute ihren Kunden den Versuch, zu Unrecht gezahlte Gebühren zurück zu bekommen, nicht leicht: „Tatsächlich läuft die Rückerstattung nicht immer reibungslos“, kritisiert die Verbraucherorganisation: „Viele meldeten sich in den letzten Monaten bei uns und berichteten von unterschiedlichen Versuchen der Banken, sie von der Durchsetzung berechtigter Rückzahlungsansprüche abzuhalten.“
Hinhaltetaktik ist beliebt
Dabei werden die Geldinstitute nach Beobachtung der VZBW durchaus kreativ. Die häufigsten Strategien, die ihnen gemeldet worden seien, haben die Verbraucherschützer auf ihrer Website zusammengefasst: So seien wie selbstverständlich nur Entgelte aus den letzten drei Jahren erstattet worden, obwohl die Ansprüche möglicherweise weiter zurückreichen. Die Kunden seien im Unklaren darüber gelassen worden, wie sich die Erstattung berechnet. Andere Banken drohten mit einer Kündigung des Girokontos für den Fall, dass Verbraucher die ihnen nach dem Urteil zustehenden Rückzahlungsansprüche durchsetzen wollen.
Beliebt ist offenbar auch eine Hinhaltetaktik: Die Institute reagierten nicht auf die Erstattungsforderung oder teilten mit, sie würden die Rückzahlung in Kürze leisten, „was dann aber nicht passiert.“ Oder sie reagierten erst, wenn Verbraucher die Schlichtungsstelle einschalten.
Manche Banken wollen, wie die DKB, die Geschäftsbeziehung nur fortsetzen, wenn die Kunden die aktuellen Bedingungen akzeptieren.
Wieder andere Banken behaupteten, dass eine einfache Ein- oder Auszahlung oder eine Überweisung als Zustimmung zu den neuen Vertragsbedingungen gewertet werden könne: „Wer also nach einer zweimonatigen Bedenkzeit sein Konto nutzt, soll damit eine Zustimmung erteilt haben“, so die VZBW. Einige Geldinstitute verschickten umfangreiche Vertragsunterlagen und forderten ihre Kunden auf, die neuen Bedingungen per Unterschrift zu akzeptieren: „Aus den Unterlagen geht aber nicht transparent hervor, was genau sich überhaupt in Zukunft ändern soll.“ Andernorts werde die Erstattung eines pauschalen Betrages angeboten: „Wer die Zahlung annimmt, muss auf alle weiteren Ansprüche verzichten.“
Der Bundesverband Deutscher Banken betont, das BGH-Urteil lasse weitgehend nur noch den Weg der ausdrücklichen Zustimmung zu. Kreditinstitute müssten jedoch bei Dauerverträgen (wie zum Beispiel Giroverträgen) ihre AGB immer wieder anpassen, da sich Produkte und auch Preise am Markt ändern. „Wenn sie dabei jedes Mal auf eine ausdrückliche Kundenzustimmung angewiesen sind und diese mangels Reaktion der Kunden ausbleibt, kann die Geschäftsbeziehung letztlich nicht auf einer belastbaren Grundlage fortgesetzt werden“, droht der Verband. Darüber hinaus laufe die Abwicklung zwischen Kunden und betroffenen Kreditinstituten ganz überwiegend einvernehmlich.
Nicht akzeptabel
Dagegen kommt die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin eindreiviertel Jahre nach dem Richterspruch zu einem ernüchternden Urteil: Im Anschluss an das BGH-Urteil seien verschiedene Rechtsfragen aufgekommen, deren zivilrechtliche Klärung unter anderem durch Musterfeststellungsklagen noch ausstehe, so die Behörde auf Anfrage: „Vor diesem Hintergrund erstattet eine Vielzahl von Kreditinstituten die Gebühren nicht oder nicht in dem von Kunden erhofften Umfang“.
Dann wird die Bankenaufsicht deutlich: „Die BaFin akzeptiert nicht, dass die von ihr beaufsichtigten Kreditinstitute das BGH-Urteil zur unwirksamen Gebührenanpassung nicht beachten“, schreibt sie. Dazu habe sie Gespräche mit Kreditinstituten und Verbänden geführt. „Wir gehen entschieden gegen Institute vor, die zum Beispiel ihren Kunden suggerieren, sie seien von dem BGH-Urteil nicht betroffen“, so die BaFin weiter. „Derartige Hinweise können betroffene Bankkunden über ihre Ansprüche in die Irre führen und sind inakzeptabel.“
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