Einzelhandel

Einzelhandel in Mannheim und Umgebung: Das Konsumklima ist schlecht

Der Einzelhandel hatte auf eine Trendwende in Frühjahr und Sommer gehofft. Doch jetzt gibt es viele lange Gesichter. Die Kunden bleiben fern oder geben weniger Geld aus - und in Zukunft könnte es noch härter kommen

Von 
Christian Schall
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Passanten und Kundinnen kommen derzeit seltener in die Innenstädte und die Geschäfte. Das spüren auch die Händler in den Kassen. © dpa

Rhein-Neckar. Nach zwei schwierigen, von der Corona-Krise und Lockdowns geprägten Jahren hatte der Einzelhandel auf eine Trendwende in diesem Frühjahr gehofft. Wenn die Maskenpflicht in Geschäften fällt und die Corona-Einschränkungen gelockert werden, so die Erwartung, würden die Kunden wieder in die Läden kommen und die Kassen füllen.

Bekanntlich kam es anders. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen trieben die Preise und drückten die Kauflaune. Und so ist der Konsumklimaindex deutlich nach unten gerauscht. „Die Konsumstimmung ist im Keller. Händlerinnen und Händler spüren eine zuvor nie dagewesene Verunsicherung ihrer Kundschaft - und das branchenübergreifend“, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE).

Das bemerken auch Einzelhändler in der Region. „Es ist insgesamt eine schwierige Situation, und wir kommen nicht aus rosigen Zeiten“, bestätigt Tatjana Steinbrenner, die das Kaufhaus Ganz in Bensheim führt. Erst der Ukraine-Krieg, in der Folge Preiserhöhungen, hohe Lebensmittelpreise, Urlaubspläne - dafür werde das Geld ausgegeben. „Wir merken das ganz klar“, erklärt Steinbrenner. Das Vor-Corona-Niveau sei noch nicht erreicht.

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Lieber drei statt zwei Unterhosen

Bei einigen Warengruppen gebe es zwar Nachholeffekte, zum Beispiel bei Koffern, erzählt die Geschäftsführerin. Doch bei Schuhen, Lederwaren oder Haushaltswaren sei ein Rückgang spürbar. Für Letzteres hat Steinbrenner eine Erklärung, weil während der Corona-Zeit viel für Küche und Haushalt angeschafft worden sei. „So etwas kauft man nicht jedes Jahr.“ Sportartikel und Kindersachen liefen dagegen weiterhin gut.

Die Preissensibilität der Kunden macht sich auch dahingehend bemerkbar, dass Käufer zu günstigerer Kleidung greifen: „Wurde früher ein Pullover für 70 bis 80 Euro gekauft, darf er heute nur noch 50 bis 60 Euro kosten. Und statt drei Unterhosen werden nur noch zwei gekauft.“

Steinbrenner ist überzeugt: „Wir werden auch diese Krise schaffen, aber es werden noch harte Zeiten auf uns zukommen.“ Dabei denkt sie besonders an das kommende Frühjahr: „Das erste Quartal 2023 wird echt hart, die privaten Haushalte werden dann ihre Nachzahlungen für Energie leisten müssen.“

Das Mannheimer Modehaus Engelhorn hat ebenfalls noch nicht wieder das Niveau von 2019 erreicht. Geschäftsführer Fabian Engelhorn führt das auch auf die hohe Inflation zurück: „Wir wissen, dass die Preise steigen, vor allem für Energie, aber wir haben kein Gefühl, ob es am Ende 200, 400 oder 800 Euro mehr werden. Ich denke, viele Kunden begegnen dieser Unsicherheit, indem sie mehr sparen“, hatte er kürzlich in einem Interview mit dieser Redaktion gesagt. Das Unternehmen mit Verkaufshäusern in Mannheim und dem Viernheimer Rhein-Neckar-Zentrum spürt aber Nachholeffekte: „Viele holen die Hochzeit nach oder den Geburtstag. Das bringt uns im Modegeschäft Nachfrage: Jeder will ein schönes Kleid oder einen Anzug haben.“

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Diese Nachholeffekte sind im Modehaus Kuhn in Bad Mergentheim schon wieder verpufft. „Das haben wir im Mai und Juni gespürt, aber im Moment sind wir in einem ziemlichen Loch“, sagt Johannes Kuhn, einer von drei Geschäftsführern. Die Besucherfrequenz in der Stadt sei zurückgegangen. Warum, das ließe sich nicht genau differenzieren. Ein Grund könne sein, dass wieder mehr Menschen Urlaub im Ausland machten.

„Wir hoffen, dass sich das bis zum Herbst und Winter wieder beruhigt“, sagt Kuhn und setzt für die bevorstehende Saison auf weitere Nachholeffekte. „Seit Corona gab es noch keine vollständige Herbst-Winter-Saison. Vielleicht brauchen einige Kunden einen neuen Mantel oder etwas Anderes.“

„Die Geschäfte laufen nicht gut“, erklärt Alexander Seppel, der mehrere „Gero“- und „Gero Mure“-Schuhgeschäfte in Mannheim, Heidelberg und Baden-Baden führt. In allen drei Städten seien weniger Passanten unterwegs. Ein Grund sei sicher das gute Sommerwetter: „Bei 32 Grad in die Stadt zu gehen, macht nicht so viel Spaß.“ Das alleine ist aber nicht die Ursache: „Man kann den Rückgang nicht mehr auf irgendetwas schieben oder allein einem Grund zuordnen.“

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Seppel erzählt von seinem Austausch mit Schuhhandelskollegen aus ganz Deutschland, die über die gleichen Erfahrungen berichten. Er selbst hat eine Beobachtung gemacht, die er noch aus vergangenen Krisenzeiten mit zurückhaltenden Käufern kennt: „Wenn das Geld knapper wird, geht vor allem das Herrenschuhgeschäft zurück.“ Den Rückgang erklärt der Händler folgendermaßen: „Erst bekommen die Kinder neue Schuhe, weil sie aus den alten herausgewachsen sind. Dann sind die Frauen an der Reihe. Aber die Männer sparen an sich und tragen eben noch eine Saison die Sneaker aus dem letzten Jahr.“

Nur ein Bereich läuft fast so weiter wie bisher: der Markt für hochpreisige Schuhe. Handelsketten berichten Ähnliches und spüren kaum eine Zurückhaltung bei gut situierten Kunden, etwa Ceconomy, der Mutterkonzern von MediaMarkt und Saturn: „Die Kaufzurückhaltung betrifft eher das untere und mittlere Segment“, sagte Finanzvorstand Florian Wieser vergangene Woche der dpa. Der Premiumbereich entwickele sich dagegen weiter positiv.

Laut HDE bringen die Kaufzurückhaltung und die schwache Konsumstimmung insbesondere den Non-Food-Handel in eine außerordentlich schwierige Situation. „Bis heute hat der Einzelhandel mit den Folgen von inzwischen über zweieinhalb Jahren Pandemie zu kämpfen. Der Konsumeinbruch und die hohen Energiekosten fordern die Branche nun zusätzlich heraus“, erklärte Genth.

Deshalb fordert der HDE gezielte Entlastungen. Viele Händlerinnen und Händler könnten Pandemie-bedingt nicht mehr auf Eigenkapital zurückgreifen und daher die steigenden Energiekosten nicht ohne Weiteres allein abfangen. Als staatliche Unterstützung für mittelständische Unternehmen denkt der HDE etwa an eine Absenkung der Stromsteuer oder einen Gaspreisdeckel.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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