Insolvenz - Arbeitnehmervertreter und insolvente Baumarktkette Praktiker einigen sich auf Transfergesellschaft für 4000 Beschäftigte

"Drohende Arbeitslosigkeit abgemildert"

Von 
Barbara Klauß
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Seit vergangenem Wochenende werden Praktiker-Märkte "leerverkauft".

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Rhein-Neckar. Atempause für die Mitarbeiter der insolventen Baumarktkette Praktiker: Arbeitnehmervertreter und Insolvenzverwalter haben sich auf die Einrichtung einer Transfergesellschaft geeinigt, wie die Gewerkschaft ver.di mitteilte. Diese Auffanglösung soll für die rund 4000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gelten, die in jenen Filialen angestellt sind, die derzeit leerverkauft werden - darunter auch Märkte in Heidelberg, Heppenheim und Mutterstadt. Ausgeschlossen sind den Angaben zufolge rund 3000 geringfügig Beschäftigte. Praktiker bestätigte die Einigung, wollte sich zu Details jedoch nicht äußern. In trockenen Tüchern ist die Auffanglösung ohnehin nicht: Die Gläubiger müssen noch zustimmen. Sie tagen am 28. September.

Zeit, um sich vorzubereiten

Die Einigung sieht ver.di zufolge vor, dass die Mitarbeiter 75 Prozent ihres letzten Gehalts erhalten - mit individuell gestaffelter Laufzeit. Für langjährig Beschäftigte mit einer Kündigungsfrist von sieben Monaten sei etwa eine Laufzeit von sechs Monaten ausgehandelt worden, für Beschäftigte mit einer Kündigungsfrist von ein bis zwei Monaten eine Laufzeit von drei Monaten. Diese Zeit sollten sie zur Qualifizierung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt nutzen, teilte die Gewerkschaft mit. Zu den Kosten wollte sich ein Sprecher von Insolvenzverwalter Christopher Seagon nicht äußern.

"Mit der Einrichtung dieser Transfergesellschaft kann verhindert werden, dass Tausende Menschen ab 1. Oktober in die Arbeitslosigkeit abgeschoben werden", sagte ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Das Ergebnis verschaffe den Kollegen Klarheit über ihre Beschäftigungsdauer und mildere die eventuell drohende Arbeitslosigkeit ab, erklärte Hans Trimborn, Gesamtbetriebsratsvorsitzender.

Noch steht die Hoffnung im Raum, dass Mitarbeiter von neuen Besitzern der Märkte übernommen werden könnten. Doch wer diese neuen Besitzer sein werden, ist bislang nicht klar. Der Verkauf der Baumarktkette Praktiker als Ganzes ist gescheitert. Verhandelt wird noch über den Verkauf der ebenfalls insolventen Praktiker-Tochter Max Bahr mit rund 130 Märkten, darunter einem in Frankenthal, sowie über einzelne Praktiker-Standorte. Als Interessenten werden unter anderem Hornbach aus Neustadt sowie Hagebau und Obi gehandelt. Bis zum 1. Oktober soll eine Lösung stehen.

"Wir gehen davon aus, dass es zwei bis drei Interessenten gibt, die mitbieten", erklärt Joachim Bengelsdorf, der für den Dähne-Fachverlag die Branche beobachtet. Schließlich habe es bei Praktiker auch Standorte gegeben, die gut gelaufen seien. Dazu zählt der Experte auch den Markt in Heppenheim: erst zwölf Jahre alt, mit 10 000 Quadratmetern "eine ordentliche Größe". Problematischer werde es bei den Märkten in Heidelberg und Mutterstadt: beide in den 1990er Jahren gebaut und wesentlich kleiner. Größtes Manko aus Sicht des Experten: lediglich ein kleines Gartencenter im Markt in Heidelberg, gar keines in Mutterstadt. Dabei würde inzwischen fast ein Viertel der Baumarkt-Umsätze "im grünen Bereich" gemacht. Für die Übernahme durch eine andere Baumarktkette, findet Bengelsdorf, hätten diese beiden Standorte "ganz schlechte Karten".

Pleite der Baumarktkette

Im Juli dieses Jahres hat die Baumarktkette Praktiker einen Insolvenzantrag gestellt, zwei Wochen später die Tochter Max Bahr.

Im August verkündet die Insolvenzverwaltung das Ende von 51 Praktiker-Märkten, darunter Heidelberg. Der Ausverkauf begann.

Im September folgte das Aus für die restlichen Märkte: An 130 Standorten startete am vergangenen Wochenende der "Leerverkauf", darunter Heppenheim und Mutterstadt.

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