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Digitaler Euro: Erste Ideen für neue Dienste

Vertreter der Europäischen Zentralbank sehen den digitalen Euro als wesentlich für die Euro-Zone und die EU, um eigenständiger zu sein. Was er bringen soll.

Von 
Björn Hartmann
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Industrie und Europäische Zentralbank (EZB) denken bereits über Anwendungen des digitalen Euro nach, die das Leben der Verbraucher vereinfachen sollen. © picture alliance / dpa

Berlin. Seit 2021 beschäftigt sich Europa mit eigenem digitalen Bargeld. Jetzt wird es langsam konkret. Industrie und Europäische Zentralbank (EZB) denken bereits über Anwendungen nach, die das Leben der Verbraucher vereinfachen sollen. Erste Ideen liefert ein Innovationsbericht, an dem knapp 70 Unternehmen mitgewirkt haben – von Banken über Berater, Forschungsinstitute und Händler bis zu Technologiefirmen. Die Chancen wären demnach riesig.

Der digitale Euro soll Bargeld sein, nur eben virtuell. Die meisten werden ihn, wenn er kommt, wahrscheinlich in einer digitalen Geldbörse im Mobiltelefon dabeihaben. Er soll Münzen und Scheine nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ein großer Vorteil: Der digitale Euro wäre offizielles Geld und muss damit im gesamten Euro-Raum akzeptiert werden. Das bedeutet auch, dass alles, was für das virtuelle Bargeld entwickelt wird, sofort in der gesamten Euro-Zone verfügbar wäre. Die EZB hofft, dass das Unternehmen zu Innovationen bewegt.

Besonders in Deutschland sperren sich viele gegen digitale Lösungen

So könnte zum Beispiel die Rechnung für Schuhe, die bei einem Onlinehändler bestellt wurden, erst beglichen werden, wenn das Paket erfolgreich zugestellt ist. Auch ließe sich die Quittung digital mit der Bezahlung verbinden. Verbraucher bekämen einen besseren Überblick über die Ausgaben. Retouren und Garantiefälle ließen sich einfacher abwickeln. Mehr Tempo und Effizienz versprechen sich die Experten auch etwa an Mautstellen auf der Autobahn. Und im öffentlichen Nahverkehr könnte der digitale Euro mit einem System verbunden werden, das automatisch alle Fahrten an einem Tag ermittelt und dann den günstigsten Tarif abrechnet. Ein ähnliches System nutzt die Londoner U-Bahn bereits. Die Kaution für Mietwagen könnte ebenfalls digital hinterlegt werden, hier wäre keine Kreditkarte mehr nötig.

Vieles ließe sich mit bestehenden Zahlmethoden umsetzen, aber der digitale Euro könnte größere Geschäftsmöglichkeiten bieten, heißt es im Innovationsbericht. Bisher gibt es neben dem Bargeld kein Bezahlsystem, das überall in der Euro-Zone akzeptiert wird. Besonders in Deutschland sperren sich viele gegen digitale Lösungen. Andere Länder sind deutlich bargeldloser, in manchen braucht man praktisch keine Münzen und Scheine mehr – Karten oder Mobiltelefone mit entsprechenden Programmen reichen. Hier sind allerdings alle abhängig von Technologie aus den USA. Der Dienstleister Paypal ist ebenso eine amerikanische Firma wie Apple und Google, die beide mobile Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Wer Kreditkarten nutzt, kommt um die US-Firmen Mastercard und Visa nicht herum. Der digitale Euro könnte Europa hier weniger abhängig machen.

Ein Vorteil aus Sicht der Verbraucher und Händler: Ähnlich wie bei Münzen und Scheinen fällt auch beim digitalen Bargeld keine Gebühr an, wenn jemand damit bezahlt. Ein wichtiger Punkt, wie eine Umfrage der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC in zehn EU-Ländern, darunter Deutschland und Frankreich, ergab. Danach sagen 49 Prozent, ein neues digitales Zahlungsmittel solle wenig oder nichts kosten.

Nach aktuellem Stand könnte der digitale Euro von den Banken und Sparkassen ausgegeben werden

Bisher ist noch unklar, ob der digitale Euro eingeführt wird. Es liegt ein Entwurf der Kommission vor. Das EU-Parlament hat noch nicht entschieden. Die Länder der EU haben noch Abstimmungsbedarf. Vertreter der EZB sehen den digitalen Euro als wesentlich für die Euro-Zone und die EU, um eigenständiger zu sein. Nach aktuellem Stand könnte der digitale Euro von den Banken und Sparkassen ausgegeben werden. Jeder kann dann zum Beispiel ein entsprechendes Konto bei der Bank eröffnen. Vorgesehen ist auch, dass Finanzdienstleister ohne Vollbanklizenz Konten anbieten können. Solche Firmen dürfen keine Kredite vergeben und werden nicht so eng beaufsichtigt wie Banken und Sparkassen. Das Konto für digitale Euro muss dann per Überweisung oder Dauerauftrag gefüllt werden.

Die Pläne sehen auch vor, dass im Moment des Bezahlens automatisch der nötige Betrag vom normalen Bankkonto eingezogen wird. Das läuft im Hintergrund, der Kunde soll nichts davon bemerken. Verfügbar sein soll der digitale Euro zum Beispiel in den jeweiligen mobilen Banking-Apps der Banken und Sparkassen. Auch eine EZB-App soll es geben, die dann mit den jeweiligen Bankkonten verknüpft werden muss. Nachgedacht wird auch darüber, den digitalen Euro über eine klassische Bankkarte mit Chip nutzbar zu machen.

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Klingt alles sehr technisch? In der Praxis wird es vermutlich genauso schnell und einfach funktionieren wie Bezahlen mit einer Bankkarte oder dem Smartphone. Der digitale Euro soll wie klassisches Bargeld allen zur Verfügung stehen. Viele Menschen in der EU können aber wenig mit Digitalisierung anfangen, sind überfordert, besitzen kein Mobiltelefon oder Bankkonto. Deshalb könnte es auch eine Lösung geben, bei der jemand zum Beispiel bei einer Postfiliale mit Bargeld digitale Euro eintauscht und sie auf einer Karte speichert.

Bei allem Aufwand, innovativen Ideen und technischen Herausforderungen: Unklar ist immer noch, ob die Menschen den digitalen Euro überhaupt nutzen wollen. Patriotische Gefühle spielen eher eine untergeordnete Rolle, sonst würden schon heute viele die Angebote der US-Firmen ausschlagen. Was zählt, das zeigt auch die BEUC-Umfrage, ist, wie praktikabel das digitale Bargeld ist. 53 Prozent wünschen, dass es einfach nutzbar ist. Für 55 Prozent soll es sicher und vor allem zuverlässig sein.

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