Berlin. Wer mit dem Flugzeug verreist, braucht vor Ort meist einen Leihwagen. Die Kosten dafür unterscheiden sich enorm, weshalb viele Urlauber vorher nach günstigen Angeboten suchen. Meist läuft alles unproblematisch. Doch jedes Jahr wenden sich tausende Reisende an das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl am Rhein, weil der Leihwagen tatsächlich deutlich teurer wurde als versprochen. Wer sicher gehen will, sollte ein paar Regeln beachten.
Das Online-Angebot klingt verlockend. Der Leihwagen am Flughafen Palma de Mallorca kostet 67 Euro, mit Vollkasko ohne Selbstbeteiligung im Schadensfall. Gebucht! Doch als die Urlauberin aus Schleswig-Holstein den Wagen abholen will, kommt es dicke: Am Schalter werden ihr Zusatzversicherungen aufgedrängt. Sonst gibt es kein Fahrzeug. Der Wagen kostet am Ende tatsächlich 291 Euro. Der Fall stammt von 2017. Es ist einer der wenigen, die öffentlich bekannt wurden. Denn Gerichte verhängten 680.000 Euro Bußgeld wegen unlauterer Wettbewerbspraktiken gegen die Firma Goldcar, über die die Urlauberin gebucht hatte.
Vergleichsportale, Vermittler und Fluggesellschaften mischen mit
Das Unternehmen galt lange als das Aggressivste in seinem Geschäftsumgang. Inzwischen verhalten sich nach Angaben der Verbraucherschützer vom Rhein praktisch alle Anbieter mehr oder weniger ähnlich. Das hat mit dem besonderen Wettbewerb zu tun. Bis vor etwa 20 Jahren war das Leihwagengeschäft klar. Man informierte sich bei Vermietern, verglich die Angebote und buchte. Der Vermieter, etwa Avis, Europcar, Hertz oder Sixt, stellte das Fahrzeug. Die Geschäftsbeziehung war klar, der Ansprechpartner auch. Heutzutage ist es komplizierter.
Sehr viele Urlauber informieren sich zunächst bei Vergleichsportalen wie Check24 oder billiger-mietwagen.de. Die Angebote dort haben meist Vermittler wie Auto Europe, Holidaycars oder Rentalcars eingestellt, denen die Vermieter die Fahrzeuge anbieten – oft zu günstigeren Preisen als auf der eigenen Internetseite. Auch große Fluggesellschaften wie Easyjet oder Ryanair arbeiten mit Vermittlern, wenn sie denen, die ein Flugticket buchen, auch einen günstigen Leihwagen anbieten. Bucht jemand über die Seite des Vergleichsportals, reserviert er lediglich beim Vermittler ein Fahrzeug.
Am Schalter versuchen einige Autovermieter, zusätzlich Geld zu verdienen
Dafür erhält Kunde oder Kundin eine Bestätigung, auch Voucher genannt. Meist muss per Vorkasse gezahlt werden, das Geld landet beim Vermittler, der es später an den Vermieter weiterleitet. Erst wenn der Kunde mit der Reservierung am Schalter des Autovermieters ankommt, schließt er mit dem Vermieter einen Mietvertrag. Die Vermittler bieten meist auch günstige Versicherungen an, die etwa die Selbstbeteiligung im Fall eines Unfalls auf 0 Euro senken. Am Schalter versuchen einige Autovermieter dann, zusätzlich Geld zu verdienen.
Wer zum Beispiel später kommt, als vereinbart, hat angeblich plötzlich keinen Anspruch mehr auf das Fahrzeug. Der Vermieter erklärt sich aber bereit, den Wagen zum normalen, deutlich höheren Preis bereitzustellen. Tatsächlich gilt die Reservierung meist nur für die genaue Zeit, die man angegeben hat. Zu finden ist das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vermittler. Besonders ärgerlich: Was bereits per Vorkasse gezahlt wurde, geht verloren.
Oder die Vermieter versuchen, Zusatzversicherungen zu verkaufen. Dabei können sie sehr robust auftreten. Wer bereits über einen Automobilklub versichert ist oder vorher eine Versicherung gebucht hat, braucht aber keine weitere. Der Vermieter sieht sich am längeren Hebel, schließlich hat der Kunde bereits vorab alles bezahlt, wenn auch beim Vermittler, und fürchtet, das Geld sei verloren. Nun sind nicht alle Vermieter gierig und wollen den Kunden das Geld aus der Tasche ziehen. In den meisten Fällen läuft die Miete korrekt ab.
Am besten direkt bei einem Vermieter buchen – gerne auch vor Ort
Die Verbraucherschützer berichten von Abzocke-Fällen vor allem in den beliebten Urlaubsländern Spanien und Portugal. Manche Urlauber haben in Bulgarien, Griechenland, Italien und sogar Skandinavien schlechte Erfahrungen gemacht. Auch verhalten sich Anmietstation unterschiedlich, wie die Juristen beim EVZ bemerkt haben – sogar desselben Vermieters. Die Verbraucherschützer haben einige Tipps zusammengestellt, die Reisende berücksichtigen sollten.
Reisende sollten zunächst bei mehreren Bewertungsportalen wie Trustpilot oder Google Anbieter und Anmietstation eingeben und sich die Bewertungen ansehen. Viele schlechte in letzter Zeit sind ein Hinweis darauf, dass man lieber woanders buchen sollte. Die Verbraucherschützer empfehlen außerdem, direkt bei einem Autovermieter zu buchen, gerne auch einem vor Ort – auch wenn das vielleicht etwas teurer ist als über ein Vergleichsportal. Sie bieten oft eine Buchung ohne Vorauszahlung an. Bezahlt wird dann direkt bei Abholung.
Für die Kaution ist zwingend eine Kreditkarte erforderlich
Wer den Wagen am Flughafen abholen möchte, sollte schon beim Buchen die Flugnummer mit eintragen. So kann der Autovermieter nachvollziehen, warum man verspätet kommt. Zudem empfiehlt es sich, ausreichend Pufferzeit zwischen Landung und Mietbeginn einzuplanen. Das EVZ nennt zwei Stunden als gute Zeit – das hängt aber auch von der Größe des Flughafens ab. In Paris Charles de Gaulle sind die Wege deutlich länger als in Helsinki.
Für die Kaution ist zwingend erforderlich, am Schalter eine Kreditkarte vorzulegen. Sonst kann der Vermieter das Geschäft ablehnen. Doch nicht jede Karte, die aussieht wie eine Kreditkarte, ist auch eine. Zum Beispiel bieten die großen US-Kreditkartenhäuser Mastercard und Visa auch sogenannte Debitkarten an, die der deutschen Girocard (EC-Karte) entsprechen. Sie sind am kleinen Aufdruck „debit" zu erkennen. Manch Vermieter akzeptiert sie nicht. Deshalb sollten Reisende vorher prüfen, welche Karten angenommen werden.
Tankpauschalen sind in der Regel teurer
Vermieter bieten verschiedene Tankregelungen an. Gängig ist full/full – das Fahrzeug ist bei Abholung vollgetankt und sollte auch so wieder zurückgegeben werden. Die Verbraucherschützer empfehlen diese Variante. Tankpauschalen des Vermieters seien in der Regel teurer. Dafür kann man den Wagen abgeben, ohne sich um den Tankstand zu kümmern. Die Verbraucherschützer warnen, Unterlagen zu unterschreiben, die unverständlich sind. Ist das Papier in fremder Sprache verfasst, helfen Übersetzungs-Apps wie Google Lens oder Apple Übersetzen, die den Text per Kamera erkennen und übersetzen.
Wer unter Druck gesetzt wird und keine Wahl hat, sollte alles dokumentieren und sofort per Mail beim Vermittler und beim Vermieter reklamieren. Solche Beweise helfen, später Geld zurückzufordern. Fotos und Videos des Fahrzeugs bei Übernahme und Rückgabe dokumentieren den Zustand, sollte es Probleme geben. Die Verbraucherschützer empfehlen, den Wagen immer einem Mitarbeiter des Vermieters zu übergeben und sich ein Protokoll geben zu lassen.
Umfangreiche Informationen gibt es beim EVZ unter www.evz.de. Die Verbraucherschützer helfen zudem kostenlos bei Problemen mit Firmen im EU-Ausland, den assoziierten Ländern Island und Norwegen sowie dem ehemaligen EU-Staat Großbritannien.
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