Mannheim/Stuttgart. Es gebe keinen Grund, Angst zu haben, sagt Martin Daum. Der Vorstandsvorsitzende von Daimler Truck richtet diese Worte an die Belegschaft der Tochterfirma Evobus. Bekanntlich soll der Rohbau aus dem Mannheimer Werk nach Tschechien verlagert werden. Laut IG Metall sind etwa 1000 Arbeitsplätze gefährdet, fast ein Drittel der Belegschaft. Daum erklärt, man wolle niemandem kündigen.
Gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung sollen bestmögliche sowie sozialverträgliche Lösungen für betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht werden. Daum bringt ins Spiel, dass es auch Wechsel in das Lkw-Montagewerk von Mercedes-Benz nach Wörth (Pfalz) geben könnte. Grundsätzlich seien derzeit viele Stellen auf dem Arbeitsmarkt im Südwesten offen, und es würden aktiv Fachkräfte gesucht, so der Konzernchef.
Für die Arbeitnehmervertretung ist die zentrale Frage, was der Stellenabbau mit dem Standort Mannheim in der Zukunft macht. Ende Juli haben Gewerkschaft und Betriebsrat dem Management einen Fragenkatalog übergeben. Mit den Antworten soll ein Gegenkonzept zur Verlagerung erarbeitet werden – gemeinsam mit der Belegschaft. „Wir lassen uns nicht unter Zeitdruck setzen, denn es geht um die Zukunft des Standortes. Das Management hat bestimmt mehrere Monate gebraucht, für das, was sie uns präsentiert haben“, erklärt Thomas Hahl, Chef der Mannheimer IG Metall. „Dann muss man uns zugestehen, dass wir auch die Zeit brauchen, um was Eigenes zu präsentieren.“ Nach der Sommerpause will sich die Gewerkschaft dann mit allen Beschäftigten austauschen, um Ideen zu sammeln – in Gruppen- und Einzelgesprächen.
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„Schlag in das Gesicht“
Der Widerstand gegen die Verlagerungspläne formiert sich freilich schon länger. Auch im politischen Stuttgart macht man sich Sorgen um die Jobs beim Bushersteller. Die Mannheimer SPD-Landtagsabgeordneten Stefan Fulst-Blei und Boris Weirauch hatten zuletzt von einem „Schlag in das Gesicht der Beschäftigten“ gesprochen und in einem Brief Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) um Hilfe gebeten.
Daum verteidigt die Einschnitte bei Evobus. Daimler Buses sei im zweiten Quartal das einzige Segment von Daimler Truck, das einen Verlust vor Zinsen und Steuern geschrieben habe, erklärt er. Der Bushersteller müsse Kosten sparen, um wieder ein „starker Player“ wie einst zu werden. Deshalb werde frühzeitig etwas unternommen. Um die Transformation hin zu elektrischen Antrieben zu bewältigen, sollen Vorteile des europäischen Produktionsnetzwerks noch stärker genutzt werden, perspektivisch würden hierzulande weniger Fahrzeuge gebaut.
Daimler Truck hat im zweiten Quartal vor allem dank Preiserhöhungen überraschend viel Geschäft gemacht. Das treibt auch den Gewinn aus dem Tagesgeschäft in von Experten unerwartete Höhen, trotz anziehender Kosten für Frachten, Material und Energie. Der Umsatz ist auf mehr als zwölf Milliarden Euro gestiegen, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf mehr als eine Milliarde. Daum will den Schwung ins zweite Halbjahr mitnehmen. Auf die steigenden Kosten muss der Konzern aber weiter achten, wie Finanzchef Jochen Goetz angesichts einer bestätigten Jahresprognose für Umsatz und Ergebnis anmahnt.
Am Mannheimer Standort von Daimler Truck – im Lkw-Motorenwerk von Mercedes-Benz und bei Evobus – arbeiten insgesamt rund 8300 Menschen. Auf Lastwagen-Seite läuft es, die Auftragslage sei „nach wie vor hervorragend“, wie Andreas Moch, der Standortverantwortliche des Mercedes-Benz-Werks, mitteilt. „Entsprechend haben wir auch volle Auftragsbücher und konnten in den letzten Monaten ein kontinuierlich hohes Produktionsniveau am Standort halten.“ Die Lieferketten abzusichern, erfordere intensive Arbeit. „Wir fahren nach wie vor auf Sicht.“
Gelassene Reaktion auf Tesla
Beim Ausblick unterstellt Daimler Truck, dass es nicht zu Produktionsausfällen wegen Gasmangels kommt. Der Krieg Russlands in der Ukraine sowie der sehr hohe Inflationsdruck könnten ebenfalls eine Rolle spielen – unsicher bleibe auch die Entwicklung rund um die Corona-Pandemie.
Neue Konkurrenz beunruhigt das Unternehmen übrigens nicht: Daum reagiert gelassen auf die Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk, bis Ende des Jahres erste Elektro-Sattelschlepper auszuliefern. Musk müsse einen riesigen Hügel erklimmen, auf dessen Spitze Daimler Truck warte, erklärt Daum. (mit dpa)
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