Mannheim. "Super flexible Gleitzeitregelung mit Rücksicht auf Familie!!!" - "Auf Familie wird wenig Rücksicht genommen (z.B. auch keine Lohnfortzahlung bei Krankheit der Kinder [nur gesetzliche Regelung]), morgens muss man bis 9 Uhr anwesend sein, "früheres Gehen" wegen der Kinder wird "belächelt"." Unterschiedlicher können zwei Bewertungen nicht sein. Beide stehen im Internetportal www.kununu.com, beide beziehen sich auf die Qualitäten des Mannheimer Arbeitgebers Südzucker.
Mittlerweile kann jeder Arbeitnehmer via Internet seinen Chef und seine Firma bewerten. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen können sich Kollegen (anonym) darüber austauschen, wie sie sich in der Firma fühlen. Auch, wenn sie nicht in der gleichen Abteilung arbeiten, sich eventuell gar nicht kennen. Zum anderen erhalten Außenstehende, die sich überlegen, bei der Firma anzufangen, einen Eindruck.
Die Arbeitgeber selbst beobachten, was man im Internet über sie schreibt, geben sich aber unaufgeregt. So reagiert ein Sprecher von Südzucker auf die beiden erwähnten Bewertungen mit den Worten: "Es werden ja offensichtlich verschiedene Meinungen veröffentlicht. Das wollen wir und das verbieten wir auch nicht." Solche Einträge befruchteten Südzucker, so dass sich das Unternehmen stark zurückhalte. "Nur falls die Diskussion unter die Gürtellinie gehen würde, würde wir eingreifen." Honorata Doba von der BASF reagiert ähnlich: "Wir sehen Social Media als Dialogplattform und wir wollen einen offenen Dialog. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Kritik entgegenzunehmen. Meinungsäußerungen auf unseren Social Media-Profilen werden nicht gelöscht."
Konzerne verfolgen Diskussionen
"Ein Patentrezept", wie eine Firma mit Bewertungen im Internet umgehen könne, "gibt es nicht", sagt ein Sprecher des Pharmakonzerns Roche. Roche, BASF oder Südzucker halten "Augen und Ohren offen", beobachten, was in den Kanälen über die Unternehmen verbreitet wird, kommunizieren ihrerseits auf den Plattformen. Regelmäßig "werden die zuständigen Personen über aktuell diskutierte Themen informiert", sagt Doba. Das bezieht sich nicht nur auf positive oder negative Kritik am Chef oder an einer Abteilung. Auch, wenn sich Internetnutzer über ein Produkt der BASF äußern, werde der entsprechende Bereich informiert.
Netzwerke, die sich die Firmen anschauen, sind unter anderem Facebook, Xing und Twitter. Die meisten Unternehmen haben dort selbst ein Profil angelegt. Daneben gibt es Portale, auf denen Angestellte gezielt Arbeitgeber bewerten können. Zu nennen wären www.kununu.com, meinchef.de, jobvote.com, evaluba.com, www.arbeitgebertest.de.
Ein heikles Thema. Endlich kann ein Angestellter seinem Chef die Meinung sagen, ohne dass er seinen Name verraten muss. Doch so simpel funktioniert es nicht. Liest man sich Bewertungen durch, sind sie durchaus differenziert. Nutzer, die beim gleichen Arbeitgeber sind, widersprechen sich mitunter, wie das Beispiel Südzucker und Familienfreundlichkeit zeigt.
Die Portale rufen dazu auf, sich fair gegenüber den Firmen zu verhalten. So steht auf meinchef.de: "Bewerten Sie stets ehrlich und objektiv. Beschönigen Sie nichts, aber machen Sie die Dinge nicht schlechter als sie sind. Halten Sie sich an die Fakten." Ein Mangel der Webseite ist, dass Nutzer für vorformulierte Eigenschaften einen bis fünf Punkte vergeben können. Wer die Regeln nicht anschaut, versteht zunächst nicht, ob ein grüner Punkt der Note eins oder der schlechtesten Note entspricht. Zudem kann man nicht in eigenen Worten formulieren, was man gut oder schlecht findet.
"Keine verlässliche Grundlage"
Dementsprechend kommt Roche bei meinchef.de schlecht weg, während es bei kununu.com eher gut abschneidet. Das liegt auch daran, dass bei kununu Aussagen nicht immer werten, sondern auch mal nur informieren. Etwa wieder im Falle Roche: "Perspektiven: ja, viele Möglichkeiten zur professionellen und persönlichen Entwicklung. Weiterbildung: Unterscheidung zwischen: a) Stellenrelevanz/-qualifizierung und b) persönliche Entwicklung."
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagt über die Plattformen: "Ein verlässliche Grundlage sind die Aussagen der Bewertungsportale nicht. Erfahrene Internetnutzer lesen die Kommentare kritisch und nehmen sie nicht automatisch für bare Münze." Die BDA betont, das gerade die unzufriedenen Nutzer, die etwas zu kritisieren hätten, Bewertungen abgäben. Daher gelte: "Je zahlreicher Unternehmen bewertet werden, desto differenzierter ist das Bild."
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