Frankfurt. Privatanleger, die ihre Online-Broker für einen möglichen Verlust in Anspruch nehmen wollen, weil sie während der Börsenturbulenzen Anfang des Monats nicht an ihre Depots gekommen waren, haben offenbar eher schlechte Karten. „Schadensersatz ist leider nicht sehr realistisch“, befürchtet Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Geld-Ratgebers Finanztip. Meist hätten sich die Finanzdienstleister in ihren Geschäftsbedingungen abgesichert.
Viele Privatanleger hatten während der heftigen Kursbewegungen in Folge der Zollankündigungen aus den USA Anfang des Monats zeitweise nicht auf ihre Depots zugreifen können, weil die Technik der Anbieter dem Ansturm nicht gewachsen war. Nutzer beschwerten sich über sehr lange Ladezeiten und darüber, dass Depotwerte und Kurse nicht abrufbar waren. Teilweise seien Order sehr verzögert ausgeführt worden. Betroffen waren schwerpunktmäßig Online-Broker wie Trade Republic oder Scalable Capital. Beschwerden gab es aber auch über Banken wie Comdirect, Deutsche Bank oder ING.
„Online-Broker werben ausdrücklich mit sekundenschneller Orderausführung“
Eine Bank sei lediglich verpflichtet, einen Regelbetrieb sicherzustellen, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Bei unvorhersehbaren Ereignissen werde es schwierig sein, dem Anbieter eine Pflichtverletzung nachzuweisen. „Allerdings werben diverse Online-Broker ausdrücklich mit sekundenschneller Orderausführung“, kritisiert Nauhauser.
Die Finanzaufsicht Bafin hat die Institute, bei denen technische Störungen aufgetreten sind, inzwischen zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darin sollen sie dem Vernehmen nach auch erklären, welche organisatorischen Vorkehrungen sie getroffen haben, um sicherzustellen, dass ihre Internetseiten und Anwendungen „auch in Stresssituationen“ erreichbar sind.
Trade Republic begründet die zeitweisen Systemausfälle damit, dass die Zugriffszahlen der App in Folge der Turbulenzen rund um die angekündigten Trump-Zölle nahezu explodiert seien. Dadurch sei es zu Ladeverzögerungen in der App gekommen. Nach den sich bereits in den Vortagen abzeichnenden Turbulenzen dürfe es den Brokern allerdings schwerfallen, die Marktreaktionen an jenem Montag als unvorhersehbar abzutun, betont Nauhauser. Die Bafin erwarte aufsichtsrechtlich die Bereitstellung technisch einwandfreier Handels- und Ordersysteme, heißt es.
Betroffene sollten ihre Bank um eine Stellungnahme bitten
Dennoch spielt die deutsche Finanzaufsicht in diesem Punkt nach Auffassung Tenhagens eine zu zaghafte Rolle. „Wenn Strukturen systematisch nicht für denkbare Kundenanstürme ausgelegt sind, muss das schnell Konsequenzen im Management der jeweiligen Firmen haben“, fordert er. „Schon, damit sich solches Versagen nicht wiederholt.“ Insgesamt seien Kunden von Direktbanken und Online-Brokern gegen das technische Versagen von Handelsplattformen nicht besonders gut geschützt, bemängelt Tenhagen.
Die Bafin fordere zwar, Online-Broker und Direktbanken müssten schnell wieder arbeitsfähig werden. „Aber erst einmal sind Systeme in die Knie gegangen.“ Der beste Schutz, so Tenhagen, sei mittelfristig, dass Firmen und Systeme, die nicht funktionieren, Kunden verlieren.
Betroffene sollten zunächst ihre Bank um eine Stellungnahme bitten, warum der Zugang zum Brokerage nicht möglich war, rät Niels Nauhauser. Von der Begründung der technischen Störung hänge ab, ob die Bank schadensersatzpflichtig ist. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz müsse die Bank „angemessene Vorkehrungen“ treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu gewährleisten. Soweit den Nutzern ein Schaden entstanden ist, müssten sie diesen konkret beziffern und darlegen. „Ob Schadensersatzansprüche bestehen, muss im Einzelfall durch einen spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden.“
In gravierenden Fällen könnten Ombudsleute der Banken kostenlos eingeschaltet werden, erklärt Tenhagen. Viele Banken in Deutschland haben solche Ombudsleute, die als Schlichter bei Streitigkeiten zwischen Kunden und Banken fungieren. Sie bieten eine außergerichtliche Möglichkeit, Konflikte zu lösen. Betroffene sollten unbedingt auch eine Beschwerde bei der Bafin einreichen, empfiehlt Nauhauser. Immerhin seien Nicht-Ausführungen von Wertpapieraufträgen besonders am „Crash Montag“ nicht unbedingt nachteilig für die Kunden gewesen, sagt Tenhagen: „Am Nachmittag des Tages waren die Kurse deutlich besser als zu Handelsbeginn.“
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