Mannheim. Der Krieg in der Ukraine wirkt sich zunehmend negativ auf die Bauindustrie aus. Wichtige Baumaterialien sind schwer zu bekommen, die Preise schießen durch die Decke – auch der Bau von Eigenheimen wird teurer.
Stahl, Kupfer, Erdölprodukte wie der für den Straßenbau wichtige Bitumen, Folien, Dichtungsmaterialien, Zement, Holz oder gusseiserne Rohre: Die meisten Zulieferer für Baumaterialien gäben ihre Produkte allenfalls noch zu Tagespreisen ab, klagt der Branchenverband Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Extreme Kostensteigerungen sollten künftig zu gleichen Teilen von den Baustoffhändlern, den Bauunternehmen und den Bauherren getragen werden, fordert der Verband deshalb.
Während etwa Baustahl oder Holz in großen Mengen aus Russland und der Ukraine kommen, verteuert die Energieknappheit die Herstellung anderer Baustoffe wie Zement.
Unternehmen fürchten Kurzarbeit
Zum Problem wird auch das ungeheure Tempo: „Die Preise sind sehr schnell gestiegen“, sagt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. „Zunehmende Materialknappheit und extreme Preissprünge machen eine seriöse Kostenkalkulation mittlerweile nahezu unmöglich“. Darüber hinaus liegen oft viele Monate zwischen der Abgabe eines Angebots im Rahmen einer Ausschreibung und dem Baubeginn. „Die Preise lassen sich nicht annähernd sicher abbilden“, bestätigt Andreas Burger, Gesellschafter und Geschäftsführer des Mannheimer Bauunternehmens Sax + Klee. Besonders schwierig sei die Lage bei erdölbasierten Baustoffen.
„Wenn das Material weiterhin nicht oder nur nach langer Wartezeit geliefert werden kann, werden wohl einige Baustellen nicht mehr bearbeitet werden können“, warnt eine Sprecherin des hessischen Verbands baugewerblicher Unternehmer. Obwohl die Auftragsbücher voll sind, könnten viele Unternehmen nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten: „Viele werde gezwungen sein, in Kurzarbeit zu gehen.“ Vor diesem Hintergrund fordert der Verband unter anderem eine Verlängerung bei den Erleichterungen zur Beantragung von Kurzarbeitergeld und zur Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aktualisierten inzwischen einen Erlass, der es erlaubt, die Auswirkungen von Materialpreissteigerungen bei öffentlichen Bauvorhaben einzupreisen. Der Erlass ermöglicht die Anwendung sogenannter Stoffpreisgleitklauseln (SGK). Allerdings betrifft die Verordnung nur öffentliche Bauprojekte. Darüber hinaus muss sie von Ländern und Kommunen übernommen werden.
Die Hilfe sei willkommen, reiche aber nicht aus, argumentieren die Bauunternehmer: „Die Stoffpreisgleitklausel nimmt die aktuell zu lösenden Herausforderungen nicht vollständig auf“, kritisiert Andreas Burger. Längst nicht alle Baustoffe würden von ihr abgedeckt.
Zunehmend schlägt die Krise darüber hinaus offenbar auch auf den Bau von Eigenheimen durch. „Projektentwickler reagieren auf die höheren Baukosten mit höheren Verkaufspreisen. Das ist jetzt schon zu beobachten“, sagt Jens Münstermann, Bauanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Darlehenszinsen ziehen an
Außerdem ziehen die Zinsen für Baudarlehen an. Ein Großteil der Immobilientransaktionen betreffe Bestandsgebäude, relativiert LBBW-Analyst Martin Güth. Wird ein neues Objekt teurer, braucht der Kreditnehmer aber mehr Fremdkapital. „Perspektivisch gehe ich von einem Bremseffekt auf die Nachfrage nach Baufinanzierungen durch den jüngsten Anstieg der Hypothekenzinsen aus“, sagt Güth.
„Die Bauunternehmen im Land sind in der Zwickmühle“, warnt der baden-württembergische Branchenverband: „Einerseits erwarten private Häuslebauer, dass ihr Bauprojekt in den kommenden Wochen oder Monaten fristgerecht und vor allem zu den angebotenen Preisen fertiggestellt wird. Anderseits wissen die meisten Baufirmen einfach nicht mehr, wie sie die enorme Kostenlast, die ihnen ihre Baustoffhändler jeden Tag neu durch exorbitante Preissprünge aufbürden, überhaupt noch stemmen können, ohne selbst in die Knie zu gehen.“
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