Konjunktur - Wirtschaftliche Erholung nach Corona fällt schwächer aus als erwartet

Aufschwung aufgeschoben

Von 
Friederike Marx
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Auch der Chipmangel bremst die deutsche Wirtschaft, besonders die Autohersteller. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Kiel/Berlin. Der erhoffte kräftige Konjunkturaufschwung in Deutschland nach der Corona-Krise lässt auf sich warten. Die wirtschaftliche Erholung fällt Ökonomen zufolge in diesem Jahr vor allem wegen Materialmangels in der Industrie, aber auch anhaltender Vorsichtsmaßnahmen in der Pandemie schwächer aus, als zunächst vorhergesagt. Im kommenden Jahr soll Europas größte Volkswirtschaft dann umso kräftiger an Fahrt gewinnen. Einer Studie zufolge profitieren einzelne Branchen sehr unterschiedlich vom Aufschwung.

„Der Aufholprozess bleibt intakt, bekommt aber über das Winterhalbjahr eine Delle“, sagte Stefan Kooths, Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) am Donnerstag bei der Vorstellung der aktuellen IfW-Prognose. Wie andere Wirtschaftsforschungsinstitute auch kappte das IfW seine Vorhersage für das laufende Jahr.

Nach Einschätzung der Forscher dämpfen weiter bestehende Vorsichtsmaßnahmen zum Infektionsschutz und Lieferengpässe in der Industrie die Entwicklung. Wegen Material-Knappheit beispielsweise bei Halbleitern kann die Industrie ihre gut gefüllten Auftragsbücher derzeit nur begrenzt abarbeiten und muss bei der Produktion auf die Bremse treten. Lieferverzögerungen können die Folge sein.

Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Produkten und Bauteilen sorgen beispielsweise dafür, dass Unternehmen des Elektrohandwerks Aufträge verschieben oder absagen müssen, wie aus einer Umfrage des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) hervorgeht. Nahezu jeder Betrieb (knapp 95 Prozent) ist demnach von Lieferschwierigkeiten betroffen. Hinzu kämen teils massive Preissteigerungen unter anderem für Kabel und Leitungen.

„Kaufkraft satt“

Mit der zunächst schwächeren Erholung dürfte die deutsche Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau dem IfW zufolge erst im ersten Quartal 2022 erreichen und damit ein halbes Jahr später, als zunächst erwartet. Die Kieler rechnen mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr um 2,6 Prozent, bisher waren sie von einem Plus von 3,9 Prozent ausgegangen. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaftsleistung dann kräftig um 5,1 Prozent zulegen. „Kaufkraft satt bei den Konsumenten und prall gefüllte Auftragsbücher in den Unternehmen – so sieht ein selbsttragender Aufschwung aus“, beschrieb Kooths die Aussichten. Die Corona-Krise hatte die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr in die tiefste Rezession seit der Finanzkrise 2009 gestürzt.

Nach Einschätzung des Forschungs- und Beratungsunternehmens Prognos werden nicht alle Branchen in gleichem Maß von dem Aufschwung profitieren. Der Industrie sagen die Experten in diesem Jahr ein Wachstum der Wirtschaftsleistung von 5,4 Prozent voraus, im Dienstleistungssektor insgesamt erwarten sie ein geringeres Plus von 3,0 Prozent. dpa

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