Wirtschaftskrise - Rafael Chirbes verleiht Verlierern eine Stimme

Am Ende aller Hoffnungen

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Es ist die Stunde des Heulens und Zähneklapperns. Spanien im Jahr 2012. Die Immobilienblase ist geplatzt. In Misent, einem fiktiven Ort an der Küste, ragen Betonskelette und Baukräne wie Scherenschnitte in den Himmel, wo kurz zuvor noch emsig gebaut wurde. Die Profiteure des Baubooms haben sich und ihre Gewinne in Sicherheit gebracht. Geblieben sind die Verlierer. Wie Esteban. Er hat das Kapital der Familienschreinerei verspekuliert und alle Angestellten entlassen.

In dieser Zeit nun tauchen Leichen auf. Doch was beginnt wie ein gewöhnlicher Krimi, ist weit mehr als das. Wer wem das Leben nahm, ist nebensächlich. Hier geht es um die Frage, wie es dazu kommen konnte - und was die Katastrophe mit den Menschen macht. Der Autor Rafael Chirbes entwirft ein düsteres Bild dieser Zeit, in der viele ihrer Perspektiven beraubt wurden. Und er zeichnet die Geschichte einer Familie nach - mit all ihren Verletzungen und enttäuschten Hoffnungen.

Esteban etwa, der davon geträumt hatte, der Provinz zu entfliehen - und dennoch ein Leben lang die verhasste Schreinerei führte. Er lebt unter einem Dach mit seinem kranken Vater, den Krieg und Faschismus verbittert zurückgelassen haben. Ihnen und anderen Verlierern gibt Chirbes eine Stimme: der Kolumbianerin etwa, die nicht glauben kann, dass es ihr nun in Spanien schlechter geht als in der Heimat.

Wie in einem Karussell kreisen all ihre Gedanken und Erinnerungen. Die Vergangenheit, sagt Esteban, die Gesichter und Stimmen blähen sich auf, füllen ihn immer mehr aus. Ein Druck, an dem er irgendwann platzen wird. Früh ist klar, worauf diese Geschichte hinauslaufen muss. Der Spannung aber schadet das nicht. Ein berührendes und bedrückendes Buch. kla

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