Öffentlicher Dienst

Alison Schultz: „Ich investiere in Kohle, weil ich das muss“

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Walter Serif
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Mannheim. Auf den ersten Blick hat es Alison Schultz glänzend getroffen. Ihr Arbeitgeber beteiligt sich jeden Monat mit einem Betrag von 197 Euro zusätzlich an ihrer Altersversorgung, sie selbst zahlt 55 Euro ein. Macht zusammen 252 Euro. Dennoch ist die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mannheim mit ihrer Pflichtversicherung unglücklich. Das klingt seltsam, denn im Prinzip müsste es die 31-Jährige gut finden, dass der Staat für die Angestellten im öffentlichen Dienst eine finanzkräftige Zusatzversorgungskasse eingerichtet hat.

Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat immerhin fast fünf Millionen Versicherte und ist damit die größte Zusatzversicherung im öffentlichen Dienst. Der Buchwert beträgt 29 Milliarden Euro, der Zeitwert 47 Milliarden. So steht es jedenfalls im Geschäftsbericht, den die Wissenschaftlerin zitiert. Sie forscht an der Universität im Bereich Finance, kennt sich also mit Zahlen aus.

Klimafeindliche Anlagen?

Schultz ist unzufrieden, weil sie nicht genau weiß, was der VBL mit dem vielen Geld macht. „Ich gehe wahrscheinlich 2060 in Rente. Ich will aber nicht, dass meine Altersversorgung auf der Zerstörung des Planeten aufgebaut ist“, sagt die Wissenschaftlerin. Wie kommt sie darauf? „Die VBL legt Milliarden Euro an und hat damit auch eine gewisse Macht. Sie sagt aber nicht, in welche Bereiche sie investiert“, lautet ihr Vorwurf. Und Schultz legt nach: „Das ist völlig intransparent. Offensichtlich spielen soziale und ökologische Kriterien für die Investments keine Rolle, die VBL ist anlagemäßig noch in der fossilen Welt unterwegs“, kritisiert Schultz, die als Pflichtversicherte verhindern will, dass die VBL ihre Betriebsrentenbeiträge klimafeindlich anlegt.

Als schlechtes Beispiel nennt sie den Aktienfonds MI-Fonds 271, in den die VBL rund 40 Millionen Euro investiert hat. Dieser Fonds - so Schultz - orientiere sich am MSCI World Index, investiere also in die größten Unternehmen der Welt. Dazu gehören nicht nur Waffenproduzenten wie BAE-Systems, sondern auch die Öl-Multis Shell und Exxon Mobile und die beiden größten Kohleunternehmen der Welt, BHP und Rio Tinto. „Die VBL erwirtschaftet meine Rente also mithilfe der größten Klimasünder“, sagt Schultz. Sie ärgert sich darüber, dass die VBL über die anderen Investments keine Angaben macht.

Zusatzversorgungskasse VBL

  • Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist eine vom Bund und den meisten Bundesländern – außer Hamburg und Saarland – getragene Zusatzversorgungskasse für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und hat ihren Sitz in Karlsruhe.
  • Die VBL wurde 1929 gegründet, sie hat rund 4,8 Millionen Versicherte, 1,4 Millionen Rentner und 5300 beteiligte Arbeitgeber. Damit ist sie die größte Zusatzversorgungskasse Deutschlands.
  • Aufgabe der VBL ist es, den Beschäftigten der beteiligten Arbeitgeber eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs und Hinterbliebenenversorgung zu leisten. Ermöglicht wird dies im Rahmen einer privatrechtlichen Versicherung.
  • Das Kerngeschäft der VBL ist die auf dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung (ATV) basierende Pflichtversicherung VBLklassik.
  • Die Aufsicht über die VBL und ihre Pflichtversicherung hat das Bundesfinanzministerium. was

Strenge Kriterien gefordert

Die Wissenschaftlerin ist keine Spinnerin. Das weiß auch die Versorgungsanstalt, sie muss deshalb die Kritik ernst nehmen, denn Schulz steht mit ihren Attacken nicht allein da. Sie ist Mitbegründerin der Initiative Sustain VBL, die eine öffentliche Kampagne gestartet hat. Unterstützt wird diese auch von der Bürgerbewegung Finanzwende - Schultz ist dort ebenfalls Mitglied -, die vom ehemaligen Mannheimer Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründet wurde. Die Kritiker fordern, dass die VBL die Gelder transparent und nachhaltig anlegt.

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Die Versorgungsanstalt hat das Ansinnen der Kritiker am Anfang eher auf die leichte Schulter genommen. Das war ein Fehler, denn inzwischen hat sich der Wind gedreht. Nachhaltige „grüne“ Anlagen sind zu einem Renner geworden. Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, gutes Unternehmertum heißen die Schlagworte. Auch eine eher verschlafene Behörde wie die VBL kann sich dem nicht mehr entziehen und muss ihre Investments überprüfen. „Wir versuchen, als großer Investor mit gutem Beispiel voranzugehen, der Prozess ist aber ein langfristiger, der kontinuierlich gemonitort und gegebenenfalls angepasst werden muss“, sagt VBL-Pressesprecher Percy Bischoff.

Aufruf zum Kurswechsel

Bisher hat es die Behörde einem mandatierten Dienstleister überlassen, Einfluss auf die Unternehmen auszuüben, in die die Versorgungsanstalt investiert. Weil dieser Dienstleister - laut SustainVBL handelt es sich um die Deka-Bank der Sparkassen - eine Vielzahl von Investoren vertrete, werde ihm ein höheres Gewicht bei Abstimmungen beigemessen, teilte das Bundesinnenministerium im September als Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen mit. Der Dienstleister soll sich jetzt „aktiv für die Weiterentwicklung der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Unternehmenspolitik“ einsetzen. Bischoff erklärt dies so: Die VBL nutzt ihren Einfluss als Aktionär, um die Unternehmen gegebenenfalls zu einem Kurswechsel aufzufordern, falls diese die Nachhaltigkeitskriterien verletzen.

Das ist Schultz zu wenig, sie will, dass die VBL von sich aus strenge Kriterien bei der Auswahl der Investments anlegt. Die VBL hat darauf reagiert. Bischoff: „Aktuell ist eine Erweiterung der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Kapitalanlage geplant, die noch in diesem Herbst in den Gremien der VBL erörtert und beschlossen werden soll.“

Strategiewechsel geplant

Demnach beschäftigt sich im November der Vorstand mit dem Thema, im Dezember ist der Verwaltungsrat an der Reihe. Vielleicht kann der sich dann dazu durchringen, die bisherigen Investments kritisch zu durchforsten. Aus der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen geht auch hervor, dass die VBL mehr als 368 Millionen Euro in Unternehmen investiert hat, die auf der Global Coal Exit List stehen - einer digitalen Datenbank, die über fast 1000 Unternehmen informiert, die die globale Kohle-Lieferkette bilden. „Ich investiere in Kohle, weil ich das muss“, fasst Schultz ihr Dilemma zusammen: Die VBL schließe weder problematische Sektoren konsequent aus, noch investiere sie gezielt in zukunftsträchtige Unternehmen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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