berlin. Ihre Nutzer schwören auf sie. Schließlich macht sie allen das Leben leichter. Alexa erklärt die beste Fahrroute, um den Freund am anderen Ende der Stadt zu besuchen. Die digitale Sprachassistentin dimmt das Licht, spielt die Wunschmusik ab, sucht nach den besten Angeboten für den Sommerurlaub. Amazons Alexa pariert auf Befehl, soll reagieren, wenn der Besitzer es will. Doch offenbar führt die Sprachassistentin auch ein Eigenleben.
Wie aus einer Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hervorgeht, kann sich Alexa auch dann einschalten, wenn sie gar nicht gefragt ist. Zum Beispiel, wenn in ihrer Nähe über einen Alexander gesprochen wird oder einen gewissen Peter. In Kombination mit dem Verb „kommen“ klingt der Satz „Komm, Peter“ fast wie „Computer“. Alexander klingt ja ohnehin wie Alexa. Auf dieses Wort reagiert die digitale Sprachassistentin. Für Alexa hören sich die Begriffe und Phrasen wie eine Aufforderung an, sich einzuschalten, obwohl die Nutzer das nicht möchten.
Amazonas klingt wie Amazon
Die Verbraucherschützer halten die Ergebnisse ihres Reaktionstests für höchst problematisch. Denn: Schaltet sich Alexa ein, werden die Stimmen und Aufträge aufgezeichnet. „Die Verbraucher sollten sich darüber bewusst sein, dass diese Gesprächsinhalte an Amazon übertragen werden, auch wenn die Nutzer dies nicht beabsichtigen“, sagt Ayten Öksüz aus dem Team der Marktwächter. „Im Zweifel bekommen sie es nicht einmal mit.“
Ein Beispiel: Für ihren Reaktions-Check haben die Verbraucherschützer Alexa den Satz ,,Ich möchte unbedingt Urlaub am Amazonas machen“ vorgelesen. Die digitale Sprachassistentin wurde auffallend häufig aktiviert – obwohl es gar keinen Befehl seitens des Verbrauchers gab. Der Schlüssel ist der Begriff „Amazonas“. Alexa vermutet offenbar einen Befehl in Zusammenhang mit dem Wort „Amazon“ – und macht sich bereit.
Alexa-Anbieter Amazon gibt in den Nutzungsbedingungen an, die aufgezeichneten Informationen auszuwerten, um unter anderem die eigenen Dienste zu verbessern. „Was dahinter steckt, wird allerdings nicht genau benannt“, sagt Öksüz. „Unter Umständen könnten diese Informationen auch für die Erstellung von Nutzerprofilen genutzt werden.“
Hersteller verteidigt sich
Auf Anfrage teilt Amazon mit, dass alle Echo-Geräte eine sogenannte Keyword-Spotting-Technologie verwenden. Damit kann das vom Nutzer gewählte Aktivierungswort und nur das Aktivierungswort erkannt werden. Sobald dieses Wort registriert wurde, leuchtet der Lichtring am Gerät blau auf. „Er signalisiert dem Kunden, dass das Gerät nun Audioaufnahmen sendet“, heißt es weiter. „Der Nutzer hat also einen klaren visuellen Indikator, wann aufgezeichnet wird.“ Zudem könnten Nutzer per Programm für das Smartphone ein zusätzliches akustisches Signal einstellen, wenn eine Aufnahme gestartet wird. Das Unternehmen versichert, dass alle Daten – einschließlich der Sprachaufzeichnungen – verschlüsselt werden. „Die Sicherheit der Kundendaten ist uns außerordentlich wichtig“, teilt ein Sprecher mit. Deshalb hätte jeder Kunde die volle Kontrolle über seine Sprachaufzeichnungen. Jede einzelne Sprachaufzeichnung sei in der App oder auf Amazon.de über die Verwaltung der Inhalte und Geräte einsehbar und löschbar – ebenso wie die gesamte Chronik aller Sprachaufzeichnungen.
Verbraucher haben sich bei den Marktwächtern über Alexas Umtriebe beschwert. Daraufhin starteten die Experten den Test. Aber der mutmaßlichen Eigenwilligkeit Alexas sind die Nutzer nicht ausgeliefert. Wer unbeabsichtigte Aufnahmen verhindern will, der kann die Mikrofontaste stumm stellen. Zudem sollten Nutzer vorsichtig bei der Auswahl der Signalwörter sein. Dann muss auch keiner das Gefühl haben, bei Gesprächen mit Freunden oder der Familie auf die Wortwahl achten zu müssen.
Skepsis überwiegt
- Verbraucherschützer mahnen mehr Transparenz bei automatisierten Entscheidungen an und fordern eine Kontrolle seitens der Politik.
- Ob bei smarten Geräten im Haushalt, Navigationsdiensten oder bei intelligenten Sprachassistenten wie Alexa – Algorithmen spielten in immer mehr Lebensbereichen eine wichtige Rolle und könnten das Leben erleichtern, so der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Sie können aber auch zu falschen Entscheidungen führen und Verbraucher diskriminieren“, warnte Klaus Müller, Vorstand des vzbv, zuletzt.
- Eine repräsentative, vom vzbv in Auftrag gegebene Studie habe gezeigt, dass Verbraucher algorithmischen Entscheidungen nicht per se vertrauten. So sprachen sich 80 Prozent der Befragten dafür aus, dass Firmen Daten und Kriterien offenlegen sollten, die den Entscheidungsprozessen zugrunde liegen. (dpa)
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