Energie

Afrika ist Hoffnungsträger bei grünem Wasserstoff

Gas ist knapp, die Energiwende stockt - die Lösung könnte grüner Wasserstoff sein. Als Erzeuger bietet ausgerechnet Afrika den Industriestaaten Hilfe an

Von 
Kristin Palitza
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Das Umspannwerk am Hafen Barra do Dande in Angola, an dem der grüne Strom vom Kraftwerk Lauce ankommt. © dpa

Kapstadt. Grüner Wasserstoff gilt als Lichtblick. Als begehrte, umweltfreundliche Lösung, den wachsenden Energiebedarf der Welt zu decken und dennoch den Klimawandel zu mildern. Afrika hat dafür alles, was notwendig ist: große Flächen an unbebautem Land, Sonne, Wind und Wasserkraft.

Wenn es um Innovation geht, steht Afrika normalerweise hinten an. Doch beim Thema „grüner“ Wasserstoff, der klimaneutral mit Hilfe von Ökostrom produziert wird, mischt der Kontinent vorne mit. Bei der Elektrolyse wird unter Einsatz von grünem Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. „Wir erwarten schon ab 2024 Projekte in angemessenem Umfang, vor allem in Nordafrika“, sagt Minh Khoi Le, Wasserstoffexpertin beim Osloer Forschungsinstitut Rystad Energy.

Im Mai gründeten Ägypten, Kenia, Mauretanien, Marokko, Namibia und Südafrika ein von den Vereinten Nationen unterstütztes Bündnis, das ab 2030 jährlich mindestens 2000 Kilotonnen grünen Wasserstoff produzieren will. Die größte Initiative darunter ist das mauretanische 10GW Projekt Nour, das in Partnerschaft mit der britischen Chariot Energy Group und dem niederländischen Hafen Rotterdam ab 2030 jährlich 600 000 Tonnen grünen Wasserstoff nach Europa liefern will.

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Nach Angaben des Finanzanalyse-Konzerns S&P Global gibt es aktuell in Afrika zehn grüne Wasserstoff-Projekte in verschiedenen Entwicklungsstadien. Knapp 600 regenerative Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 64 000 Megawatt seien in Betrieb; 580 weitere mit einer Leistung von 152 000 Megawatt geplant.

Die leichte Verfügbarkeit von Wind- und Sonnenergie sei eine „große Chance“ für Afrika, sagt S&P-Analystin Erika Baldessin. „Afrika hat das Potenzial, sich zu einem kostengünstigen weltweiten Lieferanten zu entwickeln.“ Der vorkalkulierte Exportpreis für die Produktion grünen Wasserstoffs in Westafrika liege bei unter 2,50 Euro pro Kilogramm, so Solomon Agbo, ein Physiker des Forschungszentrums Jülich der Delft Universität in den Niederlanden. Das sei günstiger als die in Deutschland auf etwa 3,80 Euro pro Kilo geschätzte Produktion.

Agbo ist Projektkoordinator des Projekts H2Atlas Africa, mit dem die Bundesregierung in Kooperation mit Ländern in Sub-Sahara Afrika grüne Wasserstoff-Projekte erschließen will. In Westafrika sei ein Drittel der Landfläche für Photovoltaikanlagen und Dreiviertel für Onshore-Windkraftanlagen geeignet, so Agbo. Die Region habe das Potenzial, theoretisch bis zu 165 000 Terawattstunden im Jahr zu produzieren. Das wäre mehr als genug: Deutschlands Wasserstoffstrategie geht bis 2030 von einem Bedarf von etwa 90 bis 110 Terawattstunden aus.

Nicht nur Wind und Sonne sind für die Standortwahl entscheidend, sondern auch eine Beurteilung der Wasserverfügbarkeit. Nach Angaben des Fraunhofer Instituts hat die Elektrolyse zur Herstellung von grünem Wasserstoff einen hohen Wasserbedarf, für den entweder Süßwasservorkommen wie Flüsse, Seen und Grundwasser verwendet oder Meerwasserentsalzungsanlagen eingesetzt werden müssen. Betreiber müssten daher sicherstellen, dass die Wasserstofferzeugung keine negativen Folgen für die Wasserversorgung und Umwelt vor Ort habe.

Deutschland hat als Teil seiner Nationalen Wasserstoffstrategie Partnerschaften mit Namibia, der Demokratischen Republik Kongo, Südafrika, Angola und Marokko geschlossen. Auch die EU plant, bis 2050 auf grünen Wasserstoff umzusteigen. Um sich von der Energieversorgung aus Russland unabhängig zu machen, wurde die RepowerEU-Strategie im März um weitere 10 Millionen Tonnen grüne Wasserstoffimporte pro Jahr aufgestockt. Dies kommt zu dem bestehenden EU-Ziel hinzu, bis zum Jahr 2030 20 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu verbrauchen.

Bislang gibt es vor allem Pläne und noch wenig investiertes Kapital. Laut der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) sind in den vergangenen 20 Jahren nur zwei Prozent aller Investitionen in erneuerbare Energien nach Afrika geflossen.

Eins der ersten funktionstüchtigen Projekte in Afrika könnte binnen zwei Jahren im südwestlichen Angola startklar sein. In der Nähe der Hauptstadt Luanda ist ein von Deutschland mitfinanziertes 2-Gigawatt-Wasserkraftwerk gebaut. Von den bislang ungenutzten Kapazitäten sollen ab 2024 zunächst 400 Megawatt und später bis zu 1000 Megawatt für die Erzeugung grünen Wasserstoffs genutzt werden.

Das Nachbarland Namibia hat ein auf 9,4-Milliarden-Euro geschätztes Projekt für grünen Wasserstoff, das 2026 in Produktion gehen soll. Auch Südafrika verkündete im Februar Pläne, in den nächsten zehn Jahren grüne Wasserstoffprojekte im Wert von knapp 18 Milliarden Euro zu starten. Auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow wurden dem Land an der Südspitze Afrikas dafür 8,5 Milliarden Euro versprochenen. Kenia, Marokko und Nigeria befinden sich in ähnlichen Entwicklungsstadien.

Bislang schaut hauptsächlich Europa in Richtung Afrika. Weder Russland noch China hätten auf dem Kontinent investiert, was grünen Strom betrifft, sagt Khoi Le. Allerdings habe der chinesische Solar-Branchenriese GCL Group jüngst ein Auge auf Afrikas Potenzial geworfen. Den Afrikanern scheint es egal zu sein, woher sie das notwendige Kapital beziehen. Man sei für alle Investoren offen, betont die Afrikanische Entwicklungsbank.

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