Berlin. Die Sammelklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen den Mutterkonzern Meta von Facebook gewinnt an Fahrt. Das Bundesamt für Justiz hat das Klageregister nun eröffnet. Dort können sich Facebook-Nutzer eintragen lassen. Allein in Deutschland sind etwa sechs Millionen Nutzer potenzielle Mitkläger.
Es geht dabei um Schadenersatz wegen unangemessenen Umgangs mit den persönlichen Daten der Nutzer. 2021 stellten Diebe, die Daten von weltweit einer halben Milliarde Facebook-Kunden gestohlen hatten, die persönlichen Informationen ins Internet. Diese Form der illegalen Aneignung wird als Scraping bezeichnet. Als Folge können betroffene Nutzer mit unerwünschten Mails oder unzulässigen Werbeanrufen belästigt werden. Meta hat nach eigenen Angaben bereits Tausende Verfahren in dieser Angelegenheit gewonnen. Der Konzern sieht keinen für einen Entschädigungsanspruch ausreichenden Schaden durch den Datenklau.
Bundesgerichtshof widerspricht der Meta-Sichtweise
Doch eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) im vergangenen November widerspricht dieser Sichtweise. Laut BGH kann allein schon der Kontrollverlust über die eigenen Daten einen immateriellen Schaden darstellen. „Weder muss insoweit eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten erfolgt sein, noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen“, begründen die höchsten Richter ihre Entscheidung. Allein schon die Angst vor einem Datenmissbrauch kann danach einen Schaden bedeuten.
Der BGH hält eine Entschädigung von 100 Euro in dem Musterverfahren für angemessen. Damit hat das Gericht eine Leitlinie für andere Gerichte in Deutschland gesetzt. Im Einzelfall kann der Schadenersatz deutlich höher ausfallen, etwa wenn mit den Daten auch materielle Schäden angerichtet werden oder ein Nutzer nächtelang mit unerlaubten Anrufen malträtiert wird. Doch mit 100 Euro hat das Gericht erst einmal einen wichtigen Richtwert gesetzt.
Sammelklage könnte zu Vergleich und Zahlung an Facebook-Nutzer führen
Das sehen auch die Verbraucherzentralen so. „Mit dem BGH-Urteil im Rücken setzt sich der vzbv dafür ein, dass Betroffene des Facebook-Datenlecks finanziell entschädigt werden“, sagt Jutta Gurkmann, die beim Verband für Verbraucherpolitik zuständig ist. Der vzbv hat beim Oberlandesgericht Hamburg eine Musterfeststellungsklage eingereicht. Bei dieser Art von Sammelklage stellt ein Gericht fest, ob ein Schadenersatzanspruch der Kläger besteht. Bei einem Erfolg der Kläger dürfte es zu einem Vergleich beider Seiten und einer Zahlung an die Facebook-Nutzer kommen.
Wann es zu einer Verhandlung kommt, ist derzeit noch offen. Je nach Fall will der vzbv weit mehr als 100 Euro fordern. Der Verband will Beträge von bis zu 600 Euro feststellen lassen, „wenn beispielsweise neben der Facebook-ID, Name und Telefonnummer auch Wohnort, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum und Beziehungsstatus einer betroffenen Person öffentlich geworden sind“. Rechtlich geht es um einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie sieht vor, dass Unternehmen die Daten ihrer Kunden ordentlich schützen müssen. Sind diese Vorkehrungen nicht ausreichend wirksam, kann ein Verstoß gegen die Verordnung vorliegen und einen Schadenersatzanspruch begründen.
An dem Verfahren können sich alle vom Datenleck betroffenen Nutzer beteiligen. Es ist für sie als Mitkläger auch kostenlos. Voraussetzung ist der Eintrag in das Klageregister beim Bundesamt für Justiz. Auf der Webseite www.bundesjustizamt.de stellt die Behörde ein Anmeldeformular dafür bereit.
vzbv hat Website zur Klage eingerichtet
Eile ist nicht geboten. Denn eine Beteiligung an der Klage ist noch bis zu drei Wochen nach der letzten mündlichen Verhandlung möglich. Der vzbv hat eine Webseite zur Sammelklage eingerichtet. Dort kann jedermann zunächst einmal herausfinden, ob er oder sie vom Datenleck überhaupt betroffen ist. Zu finden ist dieser Check unter www.sammelklagen.de/verfahren/facebook. Der Verband will auch laufend über den Stand des Verfahrens informieren. Mit wenigen Klicks lässt sich ein möglicher Entschädigungsanspruch feststellen und ein Anschluss an die Klage durchführen.
Eine Klage auf eigene Rechnung dürfte dagegen keine Aussicht auf Erfolg haben, denn etwaige Ansprüche sind inzwischen verjährt. Die rechtzeitig vor dem Ende des vergangenen Jahres eingereichte Musterfeststellungsklage hat die Verjährung für diese Kläger verhindert. Im vergangenen Jahr hatten sich auch Anwaltskanzleien im Internet um Facebook-Kunden als Klienten bemüht. Im Unterschied zum vzbv lassen sich die privaten Anbieter ihre Dienste im Erfolgsfall in der Regel mit einem happigen Anteil an den erstrittenen Beträgen vergüten.
Interessant ist die Entwicklung hin zu einer verbraucherfreundlichen Rechtsprechung auch, weil Datenlecks auch bei anderen Unternehmen vorgekommen sind oder vorkommen werden. Ähnliche Versäumnisse beim Datenschutz sahen Rechtsanwälte zuletzt auch beim Urban Sports Club, bei Ticketmaster, Brillen.de, der Stadt Dresden oder Deezer. Auch hier sind spezialisierte Kanzleien auf der Suche nach klagewilligen Klienten. Facebooks Mutterkonzern Meta selbst ließ eine Anfrage dieser Redaktion bisher unbeantwortet.
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