ZEW-Studie

ZEW Mannheim: KI-Start-ups machen schnell Umsatz

Die Wirtschaft treibt den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) voran. Davon profitiert auch die Start-up-Branche. Das ZEW Mannheim hat die Szene unter die Lupe genommen

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Walter Serif
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Immer mehr Start-ups in Deutschland sind in der KI-Szene unterwegs – übrigens schon bevor ChatGPT in aller Munde war. © | Frank Rumpenhorst/dpa

Mannheim. Künstliche Intelligenz (KI) - Fluch oder Segen? Für die Wirtschaft steht die Antwort schon fest: „Die Mehrheit aller Unternehmen in Deutschland setzt sich aktuell mit KI auseinander und überlegt, in welchen Bereichen diese zum Einsatz kommen kann“, sagt Branchenexpertin Anna Wolf vom ifo Institut München. Die Zahlen der Befragung des Instituts untermauern dies: Rund 13 Prozent der Betriebe verwenden bereits KI-Systeme. Diese verarbeiten große Datenmengen mit Algorithmen, um mit automatisierter Datenanalyse schneller Entscheidungen treffen zu können. Neun Prozent wollen KI nutzen, und etwa 37 Prozent diskutieren über die Anwendungsmöglichkeiten.

Industrie größter Auftraggeber

Die Verbreitung von KI ist allerdings je nach Branche unterschiedlich. Besonders zum Einsatz kommt sie in der Automobilindustrie, im Maschinenbau, der Pharmasparte und im Dienstleistungssektor, sagt Wolff. In der Industrie ist der KI-Einsatz demnach am größten. „Jedes dritte Industrieunternehmen nutzt diese bereits oder plant ihren Einsatz“, so die Forscherin. Bei den Dienstleistern und im Handel sind es rund 20 Prozent. Dass sich außerdem fast alle IT-Dienstleister mit KI beschäftigen, überrascht nicht. Es gibt aber auch KI-Muffel: Für rund 40 Prozent der Betriebe ist die Technologie gegenwärtig kein Thema. Im Baugewerbe liegt der Anteil sogar bei 60 Prozent.

Deutschland verfügt im Bereich KI über eine ausgeprägte Start-up-Kultur
Christian Rammer ZEW-Ökonom

Dass der KI-Einsatz eine hohe Dynamik aufweist, liegt auch an den vielen neu gegründeten und jungen Unternehmen, die sich auf diese Technologien spezialisiert haben. Eine Studie des ZEW Mannheim im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat die KI-Start-up-Szene unter die Lupe genommen.

„Deutschland verfügt im Bereich KI über eine ausgeprägte Start-up-Kultur“, sagt ZEW-Ökonom Christian Rammer. Die Start-ups übernehmen eine Pionier-Rolle, vor allem, wenn es sich um Nischenanwendungen handelt. Sie saugen Ideen und Ergebnisse der Forschung auf und transferieren diese in Produktangebote. Dadurch erschließen sich neue Geschäftsfelder und Märkte. Die jungen Wilden sind wichtige Partner für andere Unternehmen, die in die KI-Nutzung einsteigen oder sie ausweiten wollen.

Doch damit nicht genug. „Die Start-ups üben einen Anpassungsdruck auf etablierte Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien aus“, so die Studie. Damit wirken sie einer Marktkonzentration entgegen und erhöhen die Angebotsvielfalt.

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Vom allgemeinen Boom profitiert natürlich auch die KI-Start-up-Szene selbst. So hat sich ihre Anzahl von rund 1200 (2007) auf 3000 im Jahr 2021 verzweieinhalbfacht. Seitdem gibt es aber eine kleine Delle. Einige der jungen Unternehmen konnten sich - das war auch in anderen Branchen so - während der Konjunkturflaute in der Pandemie nicht halten. Außerdem ist die Zahl der Neugründungen seit 2018 - also kurz vor Corona - leicht gesunken. Schließlich gibt es einen statistischen Effekt: Das ZEW definiert nur Unternehmen als Start-ups, die nicht älter als zwölf Jahre sind. Das heißt, einige sind aus der Statistik herausgefallen.

Die ZEW-Forscher sehen in der Delle aber keine Hinweise auf ein Ende des Booms der KI-Start-ups. Kein Wunder, allein die aktuelle Debatte über die Möglichkeiten von ChatGPT legen nahe, dass es bei KI eher einen neuen Quantensprung geben kann - von dem die Start-ups zusätzlich profitieren werden.

Erste Erlöse nach elf Monaten

Das ZEW Mannheim hat auch untersucht, wer auf die Dienste der KI-Start-ups setzt. Drei Viertel ihrer Aufträge stammen demnach aus dem Industriebereich. Hochschulen und Forschungseinrichtungen kommen auf 36 Prozent. Knapp ein Drittel sind es in der öffentlichen Verwaltung. Der Rest verteilt sich auf das Gesundheitswesen, Schulen, Verbände und Vereine. Die Start-up-Branche selbst ist auch gut vernetzt. Mehr als drei Viertel der Unternehmen zählen andere KI-Start-ups zu ihren Kunden.

Die positive Nachricht: Bereits nach kurzer Zeit erwirtschaften die Start-ups Umsatz. Im Durchschnitt liegen elf Monate zwischen Gründung und ersten Erlösen. Diese erzielen die Unternehmen auf unterschiedlichen Wegen. Zwei Drittel der Start-ups verkaufen Produkte oder Dienstleistungen. Mehr als die Hälfte stellt den Kunden Programmierleistungen in Rechnung. Knapp darunter liegen Abo-Modelle oder Lizenzeinnahmen für Software.

Fachkräftemangel bremst Umsatz

Die KI-Start-ups stoßen allerdings mit ihrem Geschäftsmodell auf ein großes Hindernis: „Das Wachstum würde wesentlich höher ausfallen, wenn die Unternehmen ihre freien Positionen besetzen könnten“, sagt ZEW-Forscher Rammer. Gut ein Drittel der Start-ups konnte 2022/2023 Personalengpässe nicht beseitigen. Dabei waren Stellen aus allen Feldern betroffen, also nicht nur die KI- und IT-Jobs. „Gerade bei Start-ups, die stark wachsen, ist das Personalproblem sehr groß. Sie sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen“, ergänzt Wissenschaftlerin Sandra Gottschalk.

Neben dem Fachkräftemangel bestehen die größten Herausforderungen für KI-Start-ups in der Finanzierung neuer Projekte sowie rechtlichen Regularien zum Datenschutz. Dagegen stellt die IT-Infrastruktur die Unternehmen vor keine großen Probleme. Offensichtlich reicht das Angebot an Breitbandnetzen und Hochleistungsrechnern aus.

Und wie finanzieren sich die jungen KI-Unternehmen? Im Vergleich zu allen Start-ups in Deutschland spielen das Eigenkapital der Gründerinnen und Gründer, öffentliche Fördermittel und Wagniskapital eine deutlich größere Rolle bei der Finanzierung als die Bankenfinanzierung. Das liegt natürlich auch daran, dass es für die Start-ups schwieriger ist, einen Kredit zu bekommen, denn Geldhäuser sind gerade in diesem von Unsicherheiten geprägten Marktfeld eher zurückhaltend.

Überraschend ist dagegen, dass sich nur rund ein Drittel der Unternehmen zumindest teilweise über Wagniskapital finanziert. Zwar verfügen sie einerseits über andere Quellen. Aber das reicht als Erklärung nicht aus. Wichtig ist den Start-ups nämlich auch, dass sie die volle Kontrolle über strategische Unternehmensentscheidungen haben. Warum wollen sie sich aber nicht so sehr von externen Investoren reinreden lassen? „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die jungen Unternehmen konkrete Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft angehen wollen. Deren Lösung fallen als Motivation stärker ins Gewicht als der Wunsch nach schnellem Wachstum oder hohen Einkommen“, sagt Rammer.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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