ZEW-Studie

Zahl der Start-ups 2022 stark gesunken

Wie sich die hohen Energiepreise und die Inflation auf die Unternehmungsgründungen in Deutschland auswirken, hat das ZEW Mannheim in einer Studie untersucht. In welcher Altersgruppe mehr gegründet wird

Von 
Walter Serif
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Fast alle Branchen erleben bei den Unternehmensgründungen einen Einbruch. Nur im Bereich Energiewirtschaft gibt es bei den Start-ups einen Anstieg. © Arne Detert/dpa

Mannheim. Die Zahl der Unternehmungsgründungen ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 um sieben Prozent zurückgegangen. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform und des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). In den Jahren 2020 und 2021 hatte sich die Zahl der Start-ups bei 176 000 eingependelt - trotz der Corona-Pandemie. Für 2022 erwarten Creditreform und das ZEW nur noch 163 000 Gründungen.

„Wir sehen ganz deutlich, dass Faktoren wie steigende Energiekosten, die hohe Inflation und unterbrochene oder verzögerte Lieferprozesse von Materialen und Vorprodukten das Gründungsgeschehen stark beeinflussen“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Davon sind nach seinen Angaben so gut wie alle Branchen betroffen. Allerdings schrecken viele besonders im verarbeitenden Gewerbe und im Hightech-Bereich vor einer Gründung zurück.

Wir sehen ganz deutlich, dass Faktoren wie steigende Energiekosten, die hohe Inflation und unterbrochene oder verzögerte Lieferprozesse von Materialen und Vorprodukten das Gründungsgeschehen stark beeinflussen.
Patrik-Ludwig Hantzsch Leiter Creditreform Wirtschaftsforschung

Mehr Start-ups im Bereich Energieversorung

Einziger Gewinner bei den Gründungen ist demnach der Bereich Energieversorgung. Die steigende Sensibilität für Energiekosten sorgte in diesen Branchen nicht nur für eine hohe Nachfrage, sondern führte auch zu deutlich mehr Unternehmensgründungen. 2022 wurden mit 2300 Gründungen etwa 150 Prozent des Niveaus von 2015 erreicht

Die Gründungsszene leidet neben der wirtschaftlichen Großwetterlage auch unter der langfristigen demografische Entwicklung. „Die zunehmende Verschärfung des Fachkräftemangels steigert auf der einen Seite die Kosten einer Gründung, auf der anderen macht sie unselbstständige Arbeitsverhältnisse attraktiver“, so ZEW-Wissenschaftlerin Sandra Gottschalk. Ihr Fazit: „Die Bereitschaft, ein im Verhältnis zur Festanstellung riskantes Gründungsprojekt anzugehen, sinkt.“

Mehr „Founding Angels“

Die Zahlen zeigen auch, dass der Anteil jüngerer Gründer abgenommen hat. Die 30- bis 39-Jährigen stellen mit 30 Prozent zwar die größte Gruppe. Um die Jahrtausendwende waren es aber mehr als 40 Prozent. Ebenfalls gesunken, wenn auch weniger stark, ist die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen, während der Anteil der 50- bis 59-jährigen sich auf 20 Prozent verdoppelt hat.

Vergrößert haben sich auch die Anteile der 60- bis 65-Jährigen und der über 65-Jährigen. Sandra Gottschalk nennt als Begründung für diesen Trend, dass ältere Menschen im Vergleich zu früher länger gesund bleiben und vermögender sind. Die heutigen Ü-60-Gründer setzen ihr Kapital häufig als „Founding Angels“, also als Privatinvestoren ein, um Start-ups finanziell zu unterstützen und ihre Berufserfahrung einzubringen. Damit schließen sie einen Teil der Finanzierungslücke.

Banken sind dagegen eher zurückhaltend, weil sie das Risiko scheuen. Junge Unternehmen, die Innovationen vorantreiben und das Potenzial haben, schnell zu wachsen, werden deshalb eher von Risikokapitalgebern finanziert. „Vor diesem Hintergrund wird es spannend sein, was aus den geplanten neuen Finanzierungsregeln für Start-ups wird, die die Bundesregierung angekündigt hat“, sagt Creditreform-Mitarbeiter Hantzsch. Es kann durchaus sein, dass sie den Zugang zum Kapitalmarkt verbessern - und damit wieder mehr Gründungen in Deutschland ermöglichen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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