Bad Dürkheim. Wein ist für Rüdiger Damian ein Kulturgut, und das verteidigt er mit Nachdruck. Gesundheitsgefährdend? In Maßen genossen nicht, ist er überzeugt. „Ein Abendessen ohne ein Glas Wein kann ich mir nicht vorstellen, und viele denken auch so.“ Daran muss er als Geschäftsführender Vorstand der Winzergenossenschaft Vier Jahreszeiten in Bad Dürkheim auch sehr interessiert sein. Müssen doch die sechs Millionen Flaschen Wein Abnehmer finden, die sie pro Jahr im Schnitt produziert. Im Sommer steht ein großes Fest an: Sie kann ihr 125-jähriges Bestehen feiern. Damit ist die zweitgrößte der 15 Winzergenossenschaften in der Pfalz auch die zweitälteste.
Namensgeberin war die Gaststätte „Zu den vier Jahreszeiten“ in Bad Dürkheim, in der am 10. Juli 1900 die Winzergenossenschaft gegründet wurde. Zur heutigen Größe wuchs sie durch mehrere Zusammenschlüsse in den letzten Jahren: 2008 kam die Winzervereinigung Friedelsheim hinzu, 2010 der Winzerverein Freinsheim und 2018 die Winzergenossenschaft Palmberg in Laumersheim. Zudem wurde das Familienweingut Heinrich Gies übernommen. Unter diesen fünf Marken wird das Angebot der Winzergenossenschaft vermarktet.
Vier Jahreszeiten
Die Winzergenossenschaft Vier Jahreszeiten mit Sitz in Bad Dürkheim verkauft ihren Wein unter fünf Marken : Vier Jahreszeiten , Weinkontor Schloss Friedelsheim , Weinparadies Freinsheim , Palmberg (Laumersheim) sowie Heinrich Gies , ein ehemaliges Familienweingut.
Die Genossenschaft hat etwa 300 Mitglieder. Davon sind 45 Haupterwerbswinzer.
Der fünfköpfige Vorstand mit Martin Freund als Vorsitzendem legt die große Linie fest.
Für das laufende Geschäft ist seit 2021 Rüdiger Damian als Geschäftsführender Vorstand verantwortlich. Der Kaufmann kam 2002 als Leiter des Vertriebs zur Winzergenossenschaft. dik
Neben Bad Dürkheim wurde Laumersheim, 14 Kilometer nordöstlich gelegen, zum zweiten großen Standort ausgebaut. Hier entstand von 2019 bis 2022 ein hochmodernes Verarbeitungs- und Logistikzentrum samt Verwaltung – eine Investition für mindestens drei Generationen, ist sich Damian sicher. Der zweistellige Millionenbetrag war ein mutiger Schritt für die Genossenschaft mit aktuell 19 Millionen Euro Umsatz. Aber auf Dauer wäre der Vertrieb im engen Bad Dürkheim nicht mehr zu bewältigen gewesen. Mit dem 40-Tonner durch den Kurort an der Weinstraße zu fahren, sei wie Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer, habe ihm mal ein Lkw-Fahrer gesagt, beschreibt Damian die Probleme.
Im Laumersheim ist das Gelände am Ortsrand, gut erreichbar und fernab von Wohngebäuden. Damit wäre auch Schichtbetrieb möglich, selbst wenn er noch nicht nötig ist. Traubenannahme und Weinausbau finden sich an beiden Standorten, ebenso wie die alten Keller, die zusammen Platz für 13 Millionen Liter Wein bieten. Am Stammsitz ist auch die Vinothek zu finden, in der Besucher Weine aller fünf Marken kaufen können. Allerdings spielt inzwischen der Online-Shop eine größere Rolle. Die Winzergenossenschaften steuern in der Pfalz etwa ein Viertel zur Weinproduktion bei.
Der Strukturwandel ist nicht zu übersehen
Unübersehbar ist bei Vier Jahreszeiten der Strukturwandel: Nebenerwerbswinzer, die nach Feierabend noch ein paar Weinberge bewirtschaften, spielen keine große Rolle mehr. Heute liefern 45 Vollerwerbswinzer aus einem Umkreis von 20 Kilometer um Bad Dürkheim die Weintrauben, die 550 Hektar bewirtschaften. „Sie können sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und ihre ganzen Trauben in bester Qualität zu uns bringen“, beschreibt Damian das Geschäftsmodell. Mit deren Ablieferung in der Kellerei ist im Oktober ihre Arbeit beendet. Um den Ausbau und die Vermarktung kümmern sich die Experten der Winzergenossenschaft.
Nachteil für den einzelnen Winzer: Sein Name steht nicht auf dem Etikett. Aber der harte Wettbewerb wäre allein nicht so einfach zu bestehen. Die Mitglieder können in ihren Weinbergen nicht machen, was sie wollen. Denn was die Winzer bei der Genossenschaft abliefern, muss ins Produktportfolio passen, und die Qualität muss stimmen. Mitarbeiter gehen mit ihnen zu jedem Reifezeitpunkt in die Weinberge. Auch wird abgesprochen, wann genau die Trauben geerntet und abgeliefert werden. Da häufig die Trauben mehrerer Winzer in einem Fass landen, müssen sie zusammenpassen.
Zudem ist neueste Technik im Einsatz, die sich ein Einzelner kaum leisten könnte. Ein Grapescan-Gerät ermittelt schon vor dem Abliefern, in welchem Zustand die Trauben sind und ob ihre Qualität so gut ist, dass sich der eigenständige Ausbau lohnt. Eng sind die Absprachen schon, wenn ein Mitglied neue Weinberge kaufen oder pachten will: Sie müssen ins Konzept passen. Ähnlich sieht es bei der Neuanlage von Weinbergen aus. Die will gut überlegt sein. Denn die Reben stehen 30 bis 40 Jahre. Da sind keine schnellen Änderungen möglich. Derzeit werden mehr weiße als rote Sorten neu gepflanzt.
Eher auf der Bremse steht die Genossenschaft bei neuen Mitgliedern. ,,Natürlich sind wir interessiert an jungen Winzern", sagt Damian. Aber die Rebsorten müssen ebenso stimmen wie die Qualitäten. Schließlich will der Wein verkauft sein.
Vier Jahreszeiten bietet über 200 verschiedene Weine. Die Zeiten, in denen der Most in der Genossenschaft in einigen wenigen großen Fässern landete, sind lange vorbei. „Winzergenossenschaften arbeiten wie Weingüter, nur in größerem Stil“, betont Damian. Sie können Technik einsetzen, die sich ein selbständiger kleiner Winzer nicht leisten kann.
Der Riesling steht eindeutig an erster Stelle
Von der Produktion entfallen 65 Prozent auf Weiß- und 20 Prozent auf Rotwein. Der Rest ist Rosé, ein wachsender Markt. Unter den Sorten steht der Riesling eindeutig an erster Stelle, gefolgt vom Grauburgunder. Bei neuen pilzresistenten Rebsorten ist Damian vorsichtig: Zwar weiß keiner, wie gut der Riesling in 25 Jahren mit dem Klimawandel zurechtkommt. Da braucht es Alternativen. Aber es soll auch kein Sammelsurium von Neuzüchtungen geben. Daher konzentriert sich die Genossenschaft im Wesentlichen auf die zwei weißen pilzresistenten Reben Sauvignier gris und Sauvitage. Von beiden ist ein Jahrgang 2023 im Onlineshop zu finden. Allerdings ist es nicht einfach, sie eingefleischten Riesling-Fans nahezubringen.
Neben dem Direktverkauf an Endverbraucher läuft der Absatz auf vier Wegen: Zur regionalen Gastronomie kommen Getränkefachgroßhändler und der Einzelhandel sowie Veranstaltungen. So ist Vier Jahreszeiten auf dem Dürkheimer Wurstmarkt auf mehr als 15 Ständen präsent. Der Export spielt keine große Rolle.
Als „stabil“ bezeichnet Damian den Gesamtumsatz. „Die Ertragslage könnte für unsere Winzer besser sein.“ Doch der Preisdruck im Handel ist groß. Er muss nicht nur eine möglichst hohe Ausschüttung an die Mitglieder im Auge haben. Auch die gewaltigen Investitionen wollen verdient sein, und die 55 Mitarbeiter erwarten jeden Monat ihr Geld. „Wir wollen wachsen“, beschreibt der 60-Jährige das langfristige Ziel. Ein wichtiges Pfund dafür ist der Neubau in Laumersheim, was auch die Kunden überzeugen soll.
„Wir haben Chancen, wenn wir weiter einen guten Job machen, Qualität und Zuverlässigkeit bieten.“ Dass die Qualität stimmt, zeigen Auszeichnungen wie zahlreiche Weinpreise und die Wahl zur besten Winzergenossenschaft Deutschlands 2023 durch die Fachzeitschrift Weinwirtschaft.
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