Mannheim. Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Welt. Durch seine Lage im Herzen Eurasiens an der Seidenstraße mit 7000 Kilometern Grenzverlauf zu Russland und 2000 Kilometern zu China bildet es ein Scharnier zwischen dem Osten und den Westen. Das Land befindet sich im Aufbruch und möchte durch Reformen seine Attraktivität für ausländische Investoren steigern.
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Ein weiteres Pfund, mit dem der kasachische Botschafter in Berlin, Nurlan Onzhanov, auf Einladung des Salons Diplomatique aus Mannheim wucherte, sind die reichen Rohstoffvorkommen, darunter Seltene Erden und Grüner Wasserstoff. Mit Blick auf das im März in der Hauptstadt Astana eröffnete deutsche Büro für Wasserstoffdiplomatie betonte der Botschafter im Gespräch mit dieser Zeitung, wie wichtig für Kasachstan eine Zusammenarbeit mit der Metropolregion Rhein-Neckar und Mannheim wäre.
Wie würden Sie die Stimmung in Ihrem Land beschreiben?
Nurlan Onzhanov: Nicht nur die ganze Welt erlebt turbulente Zeiten, auch in Kasachstan gibt es viele Veränderungen. Es wurden in den letzten vier, fünf Jahren neue Reformpakete realisiert, etwa in Richtung Rechtsstaatlichkeit und Wahlsystem. Sie gingen einher mit Verfassungsänderungen und Maßnahmen zur Förderung von Frauen sowie Behinderten im Parlament, die 30 Prozent der Kandidaten sein sollen. Der Staatspräsident darf nur einmal für sieben Jahre gewählt werden. Für die Gründung von Parteien hat man früher 20 000 Stimmen benötigt, jetzt sind es 5000. Die Schwelle für den Parteieintritt ins Parlament wurde wie in Deutschland von sieben auf fünf Prozent gesenkt, aktuell haben wir sechs Parteien im Parlament. Zudem wurde die Todesstrafe abgeschafft. Das sind nur einige Punkte.
Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Deutschland und Kasachstan?
Onzhanov: Wir arbeiten bereits sehr produktiv zusammen. Sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht legen wir großen Wert auf die Vertiefung der Partnerschaft mit hoch entwickelten Ländern. Eine besondere Rolle spielt für uns dabei Deutschland. Unsere Völker haben viele historische Berührungspunkte. So verbindet unsere Länder eine „lebendige Brücke“ in Form der deutschen Gemeinschaft von 226 000 Menschen in Kasachstan sowie fast einer Million ehemaliger Bürger Kasachstans, die in ihre historische Heimat zurückgekehrt sind.
Warum ist Deutschland so wichtig für Ihr Land?
Onzhanov: Wir sind ein rohstoffreiches Land mit einem großen Wirtschaftspotenzial. Wir möchten unsere Rohstoffe nicht nur exportieren, was wir aufgrund der großen Nachfrage durchaus sehr leicht könnten, sondern sie für die Industrialisierung unseres Landes verwenden. Investitionen für industrielle und technologische Projekte sind wichtig für uns. Wir hätten gerne, dass mehr industrielle Länder wie Deutschland in Kasachstan ihre Projekte realisieren. Wir würden Deutschland bei der Rohstoff- und Energiesicherung helfen, und Deutschland könnte uns bei der Industrialisierung voranbringen. Das wäre eine Win-win-Partnerschaft.
Gibt es bereits Kooperationen?
Onzhanov: Ja, es gibt viele Projekte, die von deutschen Unternehmen in Kasachstan umgesetzt werden. Aus Ihrer Region zum Beispiel: Heidelberg Materials betreibt an drei Orten in Kasachstan Zementfabriken.
Infos zu Kasachstan
Kasachstan gilt als führender Staat in Zentralasien, der umfassende demokratische Reformen durchführt und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt. Offene Marktwirtschaft und positive Rahmenbedingungen ermöglichen ein sicheres Wirtschaftswachstum.
Der Staat wurde im Oktober 2023 in die Liste der 34 ausgewählten Länder aufgenommen, mit denen die Bundesregierung die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Hilfe von speziellen Investitionsgarantien besonders fördern will. Gleichzeitig mit der Einführung der neuen günstigen Investitionsgarantien wurden die Regeln für die Gewährung von ungebundenen Finanzkrediten im Rohstoffbereich ausgeweitet.
Kasachstan gehört zum Beispiel zu den acht Ländern der Welt mit dem höchsten Exportpotenzial für Grünen Wasserstoff, beheimatet Seltene Erden und andere kritische Ressourcen. Das Land verarbeitet bereits 16 Arten, also etwa die Hälfte der 34 Materialien, die von der EU als kritische Rohstoffe identifiziert wurden. Es gibt Beispiele für eine Zusammenarbeit im Bereich der Seltenen Erden, darunter ein Abkommen mit dem deutschen Unternehmen HMS Bergbau über die Erschließung von Lithium.
Die staatliche Bilanz beinhaltet mehr als 8000 Lagerstätten für mehr als 100 Arten von Mineralien. Die Weltbank schätzt, dass es in Kasachstan noch mehr als 5000 unerforschte Lagerstätten gibt, die einen Wert von über 46 Billionen US-Dollar haben.
Im Jahr 2023 flossen mehr als 350 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen. Das meiste Geld (130 Milliarden) kam von der Europäischen Union, gefolgt von den USA (70 Milliarden), China und Russland. Deutschland liegt mit 770 Millionen an zehnter Stelle. kaba
Woran liegt es, dass deutsche Firmen bei Ihnen nicht in den Energiesektor investieren?
Onzhanov: Einerseits ist Kasachstan bei der deutschen Wirtschaft noch nicht so gut bekannt. Andererseits hat sich die deutsche Wirtschaft in früheren Zeiten alle Arten von Rohstoffen über die Börse eingekauft. Dieses Bewusstsein ist immer noch da. Aber die Zeiten haben sich geändert. Es wäre wichtig, dass deutsche Unternehmen bei dieser neuen geoökonomischen Situation einige mutige Schritte mehr auf die neuen Märkte machen. Hierfür gibt politische Unterstützung von kasachischer und deutscher Seite, etwa eine Investitionsgarantie von der Bundesregierung. Bei uns gibt es nicht nur Rohstoffe, sondern auch billige Energieversorgung für die Produktion und billige, aber qualifizierte Arbeitskräfte. Kasachstan hat zudem 14 Sonderwirtschaftszonen geschaffen. Unternehmen, die dort ihren Sitz haben, bekommen Präferenzen und Steuerbefreiungen bis 25 Jahre von der Körperschaftssteuer, Grundsteuer, Vermögenssteuer, Mehrwertsteuer sowie Zollabgaben. Wir helfen beim Bau der Infrastruktur für die Produktion und unterstützen mit finanzieller Beteiligung. Es gibt auch eine Finanznationalholding, die kofinanziert mit der deutschen Seite solche Projekte.
Sie rühren ja ordentlich die Werbetrommel. Wo sehen Sie konkret das Potenzial mit der Metropolregion und Mannheim?
Onzhanov: Kasachstan hat das größte Potenzial für die Entwicklung alternativer Energiequellen wie Grünem Wasserstoff. Hier sehen wir gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Metropolregion, die sich hier ebenfalls stark profiliert. Durch das deutsche Büro für Wasserstoffdiplomatie in Astana können wir verschiedene Projekte in diesem Bereich realisieren und Fachkräfte für diese Branche ausbilden. Mannheim ist für uns die Hauptstadt der deutschen Ingenieure. Wichtig und wünschenswert wäre, wenn uns eine Wirtschaftsdelegation aus Mannheim und der Metropolregion besucht, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Mit anderen Bundesländern wie Bayern und Thüringen konnten wir das bereits umsetzen.
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