Rhein-Neckar. „Wir haben ein massives Batterieproblem“, sagt Peter Körner mit Blick auf die Wanduhr, die fast eine halbe Stunde vorgeht. Das ist aber eine Petitesse verglichen mit den vielen Baustellen, die den Arbeitgeberverband Südwestmetall beschäftigen. Der Vorsitzende der Bezirksgruppe Rhein-Neckar-Odenwald stellt der Presse in der Mannheimer Geschäftsstelle die aktuelle Konjunkturumfrage des Verbands vor. Nach zwei Stunden freut sich der radelnde Reporter auf dem Weg in die Redaktion, dass die Playlist das aufmunternde „J’aime à nouveau“ der französischen Sängerin Zaz abspielt. Sonst müsste man ja ins emotionale Koma fallen, weil die Stimmung in der Metall- und Elektroindustrie so trist ist.
Schwaches Wachstum, hohe Löhne - ein teuflisches Gebräu
Jammern - und zwar auf hohem Niveau - gehörte schon immer zum Handwerk der Arbeitgeber-Lobbyverbände. Doch in letzter Zeit häufen sich die Signale, dass das Jammern nicht der üblichen Verbandslyrik entspringt. Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise, das wissen wir inzwischen ja alle. Aber auch wenn das jetzt komisch klingen sollte: Das allein wäre gar nicht so schlimm. Krisen kommen und gehen im Kapitalismus. Nur: Die aktuelle Wirtschaftskrise ist offensichtlich gekommen, um länger zu bleiben. Und: Sie ist hausgemacht. Als einziges G7-Land ist die deutsche Wirtschaft 2023 geschrumpft. Und auch in diesem Jahr wird die Bundesrepublik Schlusslicht beim Wachstum sein. Schuld daran können aber jetzt nicht mehr allein die hohen Energiepreise sein. Denn Gas kostet wieder so wenig wie vor der Ukraine-Krise. Trotzdem kommt die Wirtschaft nicht auf die Beine.
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Deshalb führt auch „nur“ jedes fünfte Unternehmen in der Konjunkturumfrage seine Probleme auf die Energiepreise zurück. Vorne stehen die als zu hoch empfundenen Personalkosten (35 Prozent) und die überbordende Bürokratie (23). Der Mangel an Arbeitskräften liegt mit zehn Prozent erst an vierter Stelle. Obwohl nicht nur in dieser Gesprächsrunde festgestellt wird, dass es schon jetzt zu wenig freies Personal auf dem Arbeitsmarkt gibt und die Lücke in den nächsten Jahren viel größer wird, wenn fünf Millionen Babyboomer in Rente gehen.
Körner, der als Geschäftsführer von Caterpillar in Mannheim auch die Praxis kennt, weiß um dieses Paradoxon: „Einerseits fehlt Personal, andererseits ist kein Geld da, um Leute einzustellen.“ Warum ist das so? Ralf Rohmann, Geschäftsführender Gesellschafter der Maschinenfabrik Gustav Eirich aus Hardheim, hat darauf eine Antwort. „Wir haben ein Nachfrageproblem.“ Große Maschinenbauer wie Trumpf, die Investitionsgüter bereitstellen, bekommen in Deutschland Probleme, weil der Standort nach seiner Einschätzung „zu teuer“ geworden ist. „Die Gehälter sind schon in der Ausbildung wahnsinnig hoch“, sagt er.
Die hohen Lohnkosten wären allerdings bei vollen Auftragsbüchern tragbar. Doch da sieht es mau aus. Mehr als die Hälfte der Unternehmen registrierten 2023 im Vergleich zu 2022 einen schwächeren Auftragseingang. Und die Betriebe erwarten, dass sich das in diesem Jahr fortsetzt. „Das ist ein besorgniserregender Zustand“, sagt Körner.
Nur ein knappes Drittel glaubt deshalb, dass die Umsätze in diesem Jahr steigen werden. Deshalb könnte mehr als 50 Prozent der Unternehmen Kurzarbeit anmelden. Knapp die Hälfte der Betriebe will ihren Personalstamm abbauen. „Das Ergebnis ist sogar etwas schlechter ausgefallen, als wir ursprünglich erwartet hatten“, sagt Körner.
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Das Fatale dabei: Unterm Strich werden die Investitionen sinken, obwohl die große Mehrheit der Betriebe von der Transformation betroffen ist. „Ohne Investitionen kann es keine Innovation geben“, sagt Körner.
„Deutschland wird als Produktionsstandort nur dann bestehen können, wenn wir massiv automatisieren und Künstliche Intelligenz einsetzen“, sagt Alexander Zumkeller, Arbeitsdirektor bei ABB in Mannheim. „Deutschland braucht aber auch bessere innovative Produkte“, sagt Rohmann von der Hardheimer Maschinenfabrik. Aber dafür fehlen ja wieder die Fachkräfte.
Obwohl der Befund der Umfrage „erschreckend“ ist, wie es Arnd Suck, der Geschäftsführer der Bezirksgruppe formuliert, wollen sich die Unternehmer den Herausforderungen stellen. „Die Region hat sich schon immer durch ihre Innovationskraft und ihre pragmatische Mentalität ausgezeichnet“, sagt Körner. Aber: „Die Politik muss auch unsere Warnsignale ernst nehmen“, spielt Körner den Ball ins Feld der Bundesregierung, die in der Umfrage die Schulnote „fünf“ bekommt.
Betriebe leiden unter der „überbordenden Bürokratie“
Interessant daran ist, dass die Unternehmen nicht - wie es sonst in anderen Branchen üblich ist - mehr Subventionen oder Steuererleichterungen fordern. Sie geißeln vor allem die „überbordende Bürokratie“. Eine Kritik, die gegenwärtig überall in der Wirtschaft geäußert wird. „Ein Viertel der Bürokratie könnten wir locker vermeiden“, sagt Zumkeller. Das hört sich ein wenig zu pauschal an. Rohmann nennt allerdings ein plastisches Beispiel. „Fünf unserer 632 Mitarbeiter beschäftigen sich nur mit dem Lieferkettengesetz. Wir verwalten uns nur noch selbst und wissen nicht mehr, woher das Geld kommt. So kann es doch nicht weitergehen“, beklagt sich Rohmann. Wer will ihm da widersprechen?
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