Mannheim. Die Stimmung bei Spediteuren wie dem Mannheimer Jochen Graeff ist auf dem Tiefpunkt. An diesem Freitag tritt die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Lkw-Maut in Kraft. In seinen ehrenamtlichen Funktionen, etwa im Vorstand des Verbands Verkehrsgewerbe Baden oder im Verkehrsausschuss der IHK, hat Graeff zusammen mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in den vergangenen Wochen und Monaten viel unternommen, um das Gewerbe eventuell doch noch vor der Erhöhung zu bewahren. Wegen des Anstiegs, der in der Spitze bis zu 83 Prozent für Lkw mit der Abgasnorm Euro 6 beträgt, fuhr der BGL auch eine Kampagne mit dem Titel „Maut Everest“. Besonders erbost ist die Branche darüber, dass die Regierung von einer Lenkungswirkung spricht, die mit dem Aufpreis erzielt werden soll.
Erhöhung der Lkw-Maut: Das kritisieren die Spediteure
Worum geht es genau? Ab 1. Dezember wird bei der Nutzung von Autobahnen und Bundesstraßen ein zusätzlicher CO2-Aufschlag erhoben. Dieser ist nach fünf Achs- und Gewichtsklassen gestaffelt und fällt bei allen Schadstoffklassen nahezu gleich hoch aus. Am Drastischsten zeigt sich der Anstieg ausgerechnet bei der modernsten und saubersten Schadstoffklasse, Euro 6. Wurden für die Gewichtsklasse 7,5 bis 11,99 Tonnen bislang 9,8 Cent Maut pro Kilometer fällig, steigt sie durch die CO2-Abgabe in Höhe von 8 Cent auf 17,8 Cent. Bei großen Lkw über 18 Tonnen ab fünf Achsen steigt die Gebühr von 19 um 15,8 auf 34,8 Cent.
Die Bundesregierung erhofft sich damit zwischen 2024 und 2027 Mehreinnahmen von 30,5 Milliarden Euro. Das Geld soll zwar weiterhin in den Erhalt der Bundesfernstraßen fließen, etwa die Hälfte ist aber für die Bahn vorgesehen.
Zweifel an der Wirkung der Lkw-Maut: Zu wenig E-Lkw auf dem Markt
„Was uns als Unternehmer so ärgert, ist, dass die Mauterhöhung überhaupt keine Lenkungswirkung entfalten kann“, sagt BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt im Gespräch mit dieser Redaktion. „Die Lenkungswirkung soll bedeuten, dass Jochen Graeff und seine Kollegen E-Lkws kaufen sollen. Die gibt es aber am Markt kaum. Die Hersteller können sie in 2024 nur in homöopathischen Dosen ausliefern. Der Bedarf unserer Branche liegt bei 60 000 Fahrzeugen über 7,5 Tonnen pro Jahr. Das Angebot ist gar nicht da.“
Der Wirtschaftsmotor in Deutschland stottert gewaltig und nun gießt die Politik auch noch Wasser darüber
Selbst wenn es die E-Lastwagen in großer Stückzahl gäbe - weit kämen sie nicht: „Es gibt keine Mega-Charger zum schnellen Aufladen. Wenn ein Unternehmen in Elektromobilität investieren wollte, könnte es die Fahrzeuge im innerdeutschen Fernverkehr nicht einsetzen, weil sie nicht in der notwendigen Zeit geladen werden können. Für das Depotladen auf dem Firmengelände bekommen meine Mitgliedsunternehmen bei den örtlichen Versorgern Zeiträume von fünf bis zehn Jahren genannt, bis die entsprechende Zuleitung in die Gewerbegebiete gelegt worden ist, um entsprechende Ladeleistungen überhaupt zu installieren“, kritisiert Engelhardt.
„Der Wirtschaftsmotor in Deutschland stottert gewaltig und nun gießt die Politik auch noch Wasser darüber, indem wir die Kosten in der Logistik noch mal teurer machen, so dass der stotternde Motor noch mehr in Schieflage kommt. Das ist sträflich“, bemängelt Jochen Graeff. In Teilen der Politik sei das wirtschaftliche Verständnis nicht gegeben. „Man muss sich das alles auch leisten können.“ Ein Basis-Lkw koste 120 000 Euro, der E-Lkw 250 000 bis 300 000 Euro. „Es ist völlig unrealistisch, dass man dies, auch noch in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Situation, an die Kunden weitergibt. Hier sägt man an dem Ast, auf dem man sitzt“, so Graeff.
Seine Schwester Susanne, ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung, ist fassungslos: „Wir haben Euro-6-Fahrzeuge, also das Beste, was es auf dem Markt gibt, und dennoch sind wir in der höchsten oder schlechtesten Bemautung.“ Es werde nicht berücksichtigt, dass immer in neue Lkw investiert wurde. „Wir schauen seit Jahren, dass wir die Emissionen senken, das ist ja in unserem eigenen Interesse.“
Die Bundesregierung gewährt emissionsfreien Lkw bis Ende 2025 eine Mautbefreiung. Nach Zahlen des Betreibers Toll Collect betrifft das derzeit lediglich 475 Fahrzeuge.
Der BGL hat bis zuletzt gemeinsam mit dem Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sowie den Herstellern Daimler Truck und MAN für eine Kurskorrektur gekämpft - vergeblich. Den Verbänden sei eine Stellungnahmefrist von nur einem Tag gewährt worden. Sie fordern, einen Teil der Maut-Mehreinnahmen von jährlich 7,6 Milliarden Euro in Förderprogramme fließen zu lassen. Doch der Haushaltsansatz für das kommende Jahr sieht für die Transformation von Nutzfahrzeugen rund 624 Millionen Euro vor. Die Mittel seien bereits komplett gebunden.
Weiterer Ärger deutet sich an: Maut auch für kleinere Transporter
„Vor diesem Hintergrund ist das eine absolute Frechheit, was die Ampel macht. Die 7,6 Milliarden Euro Mehrkosten müssen die Unternehmen kalkulieren, dann an den Auftraggeber weitergeben und am Ende zahlen das wir, die Endkunden. Da kommt eine Mehrbelastung von 300 bis 400 Euro für einen vier Personenhaushalt zusammen“, warnt Engelhardt. Graeff rechnet im Transportbereich mit „bis zu 10 Prozent an Mehrkosten, die auf uns zukommen“.
Diese Redaktion hat dem Bundesverkehrsministerium einen Fragenkatalog zur Lkw-Maut geschickt. Eine Reaktion darauf gibt es nicht.
Indes deutet sich weiterer Ärger an: Greift die Maut bisher ab 7,5 Tonnen, soll sie ab 1. Juli 2024 auch auf kleinere Transporter ab mehr als 3,5 Tonnen ausgeweitet werden. Fahrten von Handwerksbetrieben sollen aber davon ausgenommen bleiben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Lkw-Maut: Erhöhung ohne Anreize